Nachdem sich in den letzten Monaten eine uneinheitliche Rechtsprechung bei der Frage abzeichnete, ob ein erheblicher Schaden eintreten muss, um Schmerzensgeld beanspruchen zu können oder nicht, hat nun das Bundesverfassungsgericht den weiteren Weg skizziert.

Hintergrund ist eine Entscheidung des Amtsgerichts Goslar.

Amtsgericht sah keine Grundlage für Schmerzensgeld wegen einer Werbe-E-Mail

Ein Rechtsanwalt hatte ohne seine Einwilligung Werbeemails eines Unternehmens erhalten und forderte neben der Unterlassung weiterer Werbe-E-Mails zu erhalten auch ein Schmerzensgeld von mindestens 500 Euro. Als Rechtsgrundlage für das Schmerzensgeld führte der Rechtsanwalt einen Anspruch aus Art. 82 DSGVO an, da wegen fehlender Einwilligung ein Datenschutzverstoß vorliege und die Norm ein angemessenes Schmerzensgeld vorsehe. Das Amtsgericht bestätigte zwar den Datenschutzverstoß, nicht aber einen Schmerzensgeldanspruch, da ein Schaden nicht ersichtlich gewesen sei. Berufung oder Revision zur Entscheidung wurde nicht zugelassen. Die Entscheidung wäre damit endgültig gewesen.

Bundesverfassungsgericht rügt das Amtsgericht und bringt EuGH ins Spiel

Der Rechtsanwalt erhob daraufhin Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht gab dieser statt. Dabei entschied das Bundesverfassungsgericht nicht darüber, ob ein Schmerzensgeldanspruch besteht oder nicht, sondern darüber, welches Gericht damit hätte noch befasst werden müssen. Art. 101 Grundgesetz spricht nämlich davon, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Dieses Grundrecht soll garantieren, dass im Voraus festgelegt wird, welche Richter für welche Fälle zuständig sind. Diese Festlegung muss überprüfbar sein. Der historische Hintergrund dieser Norm liegt in der Lehre aus dem Nationalsozialismus, in dem gerade dieses Recht auf einen festgelegten Richter nicht existierte und zum Beispiel durch den Volksgerichthof außer Kraft gesetzt worden war. Berufung oder Revision war damals in solch einem Umfeld nicht möglich.

Im konkreten Fall bemängelte das Bundesverfassungsgericht, dass das Amtsgericht den Fall nicht dem EuGH im sogenannten Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt hat. Der EuGH ist ebenfalls ein gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Grundgesetz, da es zuständig ist für die Rechtsauslegung von europäischen Rechtsakten, wie der DSGVO, die Wirkung in Deutschland entfaltet.

Erst fragen, dann urteilen

Der EuGH hat schon früher entschieden, dass ein nationales Gericht, wie das Amtsgericht Goslar, ein Verfahren dem EuGH vorlegen müsse, wenn sich eine Frage des Unionrechts stelle, es sei denn, die Frage sei nicht entscheidungserheblich, bereits Gegenstand einer Auslegung des EuGH gewesen oder die korrekte Anwendung des Europarechts offenkundig. Vom letzten Punkt dürfe ein nationales Gericht aber nur ausgehen, wenn es selbst davon überzeugt ist, dass für die übrigen Gerichte der Mitgliedstaaten und den EuGH die gleiche Gewissheit bestünde.

Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung fest, dass die Frage des Geldentschädigungsanspruchs in der Rechtsprechung des EuGHs weder erschöpfend geklärt sei, noch könne der Anspruch mit seinen einzelnen Voraussetzungen der DSGVO entnommen werden. Auch von einer offenkundigen Auslegung könne nicht ausgegangen werden. Zwar habe das Amtsgericht die Problematik der Auslegung gesehen, dann aber eine eigene Auslegung vorgenommen. Diese Auslegung hätte aber der EuGH vornehmen müssen.

Rechtsfolge ist, dass das Urteil des Amtsgerichts durch das Bundesverfassungsgericht aufgehoben wurde. Das Amtsgericht Goslar muss nun noch einmal entscheiden.

Fazit

Das Bundesverfassungsgericht hat für das Amtsgericht den Weg vorgezeichnet. Es wird in einem Vorabentscheidungsverfahren dem EuGH die Frage zur Auslegung des Art. 82 DSGVO in Hinblick auf Schmerzensgeldgeldansprüche vorlegen müssen. Die Antwort der Frage des EuGHs wird das Amtsgericht bei seiner erneuten Urteilsfindung zu berücksichtigen haben. Man darf sich also auf eine baldige höchstrichterliche Klärung der Frage, wann ein Schmerzensgeldanspruch nach der DSGVO besteht, freuen.