Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen bestimmten Fußball-Fans machen immer wieder Schlagzeilen. Dass in diesem Zusammenhang auch datenschutzrechtliche Fragen eine Rolle spielen, zeigten zuletzt Berichte über die Sammlung und Auswertung personenbezogener Fandaten in der Datenbank „EASy GS“ des Bayerischen Landeskriminalamts (wir berichteten). Im Oktober 2024 kam es nun erneut zu dem Vorwurf von Datenschutzverstößen zum Nachteil von Fußball-Fans – dieses Mal im Zusammenhang mit einem Auswärtsspiel des FC Schalke 04 bei Hannover 96 in der 2. Bundesliga.
Abfrage von Fandaten durch die Polizei?
So berichtete u. a. der Norddeutsche Rundfunk (NDR, siehe hier), die Polizei Hannover habe sich per E-Mail vor der Partie bei dem Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) nach Gästegruppen ab der Größe von zehn Personen mit einem Wohnsitz in der Stadt Gelsenkirchen erkundigt. Grund seien Hinweise darauf gewesen, dass eine größere Gruppe „Problemfans des FC Schalke 04“ zum Spiel anreise. Die entsprechende E-Mail wurde durch die Fanhilfe Hannover veröffentlicht (hier), nachdem diese Kenntnis davon erhalten hatte. In der E-Mail der Polizei wird dabei ein spezifischer Übernachtungszeitraum als auch verschiedene relevante Postleitzahlen aus Gelsenkirchen aufgeführt. Zudem ergibt sich aus deren Inhalt, dass es bereits im April 2024 zu einer „Hilfe“ in Bezug auf „Problemfans“ gekommen sei.
Kritik der Fanhilfe Hannover
Die Fanhilfe Hannover wirft der Polizei Hannover auf ihrem Internetauftritt (hier) vor, „Personen aufgrund ihrer bloßen Herkunft unter Generalverdacht zu stellen“.
Die Polizeipraxis sei trotz DSGVO und des Wegfalls der Meldepflicht für Hotelgäste ab 2025 außer Vorstellungskraft gewesen. Die Fanhilfe kündigte an, sich an die Datenschutzaufsichtsbehörde in Niedersachsen zu wenden. Zudem kritisierte sie auch den DEHOGA. Dieser habe die Hotels und Gaststätten nicht im Hinblick auf den Datenschutz aufgeklärt oder belehrt, obwohl bei einer unrechtmäßigen Datenweitergabe an die Polizei ein Bußgeld möglich sei. Im Hinblick auf die Polizeianfrage fordert die Fanhilfe die Einholung einer datenschutzrechtlichen Bewertung. Zudem seien von einer Datenweitergabe betroffene Gäste datenschutzrechtlich zu informieren.
Stellungnahme der Polizei und des Innenministeriums
Die Polizei Hannover hat sich gegen die Vorwürfe der Fanhilfe verteidigt: Nach Aussage des NDR Niedersachsen (hier) erklärte sie, keine Daten von einzelnen Personen anzufragen und durch die Abfrage nach der Anwesenheit größerer Gruppen (möglicher Problemfans) die Sicherheit der Fans zu erhöhen. Aus dem niedersächsischen Innenministerium hieß es demnach, dass die Abfrage nur Postleitzahlen betroffen habe und keine personenbezogenen Daten, sodass kein Datenschutzverstoß vorliege.
Einschätzung
Fest steht, dass sich aus der veröffentlichen E-Mail der Polizei (abrufbar hier) nicht ergibt, welche Daten in Bezug auf die Gästegruppen aus Gelsenkirchen konkret durch die Hotels- und Gaststätten mitgeteilt werden sollten. Ferner ist unklar, inwiefern es anschließend zu einer Mitteilung welcher Daten an die Polizei gekommen ist. Grundsätzlich gilt es zu bedenken, dass – selbst bei der Herausgabe von Postleitzahlen – die Möglichkeit einer Zuordnung zu einzelnen Gästen durch die jeweilige Unterkunft bestehen kann (Beispiel: Herr Meier ist der einzige Hotelgast mit der jeweiligen Postleitzahl). Grundsätzlich ist daher vor jeder Weitergabe an die Polizei die datenschutzrechtliche Implikation bzw. Rechtmäßigkeit zu prüfen – i. d. R. auch mit Bitte um Konkretisierung der angefragten Daten und Nennung des Grundes sowie der Rechtsgrundlage bei der Polizei. Sollte sich keine rechtliche Verpflichtung zur Datenherausgabe ergeben, ist eine Interessenabwägung durchzuführen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO), wofür der Hintergrund der Polizeianfrage bekannt sein muss. Nur wenn entgegenstehende Interessen der betroffenen Personen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht überwiegen, dürfen der Polizei (erforderliche) personenbezogene Daten mitgeteilt werden.
In Bezug auf die Frage nach Übernachtungsgästen mit einem Wohnsitz in Gelsenkirchen durch die Polizei Hannover scheint der tatsächliche Umgang bzw. Umfang einer Datenweitergabe aktuell noch unklar. Bei neuen Informationen halten wir Sie in diesem Blog auf dem Laufenden.