Stromvertragshopping ist ein Phänomen, das Anbietern Kopfzerbrechen bereitet. Portale machen es einfach, dieses „Hopping“ zwischen verschiedenen Stromanbietern zu betreiben und spätestens nach zwei Jahren einen neuen, günstigeren Anbieter zu wählen. Daher gehen die Energieversorger gerne den persönlichen Weg, um Kunden – auch ehemalige – zurückzugewinnen.

Einen solchen Fall der sog. nachvertraglichen Werbung hatte das Verwaltungsgericht (VG) Bremen verhandelt. Es entschied, dass ehemalige Kunden auch zwei Jahre nach Vertragsende zu Werbezwecken besucht (Haustürbesuche) oder per Post angeschrieben werden dürfen (VG Bremen, Urteil vom 23.04.2025 – Az. 4 K 2873/23).

Kündigung schützt vor Werbung nicht

Im Kern stritten der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) in Bremen und ein hiesiger Energieversorger über die Frage, wie lange Daten von Kunden, die gekündigt haben, zu Werbezwecken genutzt und aufbewahrt werden dürfen. Der Energieversorger vertrat die Auffassung, dass eine Speicherdauer von zwei Jahren vertretbar sei. Die Aufsichtsbehörde billigte maximal sechs Monate zu, es sei denn, es liege eine Einwilligung des ehemaligen Kunden für eine längere Speicherdauer vor.

Der Energieversorger argumentierte, dass Vertragslaufzeiten von bis zu zwei Jahren branchenüblich seien und erst danach ein neuer Vertrag überhaupt vermittelbar sei. Vorher bestehe schlicht kein Interesse des Kunden.

Die Aufsichtsbehörde hatte bereits in ihrem Bescheid an den Energieversorger, der die Nutzung von Kundendaten, die länger als sechs Monate gespeichert wurden, untersagte, argumentiert, dass Kunden von einer kurzen Datennutzungsdauer ausgehen dürften. Es gebe andere Werbemethoden und bei Haustürgeschäften bestehe außerdem eine Überrumpelungsgefahr. Eine Speicherdauer von sechs Monaten sei daher gerade noch verhältnismäßig.

Werbung an der Haustür möglich

Das VG Bremen erklärte den Bescheid der Aufsichtsbehörde für rechtswidrig. Zunächst stellte es klar, dass es sich bei Zählernummern sowie Informationen über Adresse, Name und Vertragsart um personenbezogene Daten handelt und der Energieversorger als Verantwortlicher gilt.

Außerdem sieht das Gericht in Direktwerbung ein anerkanntes berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Dabei würden die Daten nicht mehr für den ursprünglichen Zweck der Werbung per Post genutzt, sondern für einen sog. Sekundärzweck – die Werbung an der Haustür. Daher sei auch die Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO zu prüfen, um festzustellen, ob der verfolgte Sekundärzweck mit dem Primärzweck vereinbar sei. Diese Zweckänderung greift immer dann, wenn ein Unternehmen die Daten nachträglich anders nutzen möchte.

Das Gericht prüfte daher, ob die Kunden bereits bei Vertragsschluss über Haustürwerbung informiert worden waren. Dies verneinte das Gericht; es sah lediglich über Werbung per Post eine hinreichende Information. Es kam daher zur Prüfung, ob die Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO – also Werbung an der Haustür statt per Post – rechtmäßig sei.

Im Ergebnis kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Zweckänderung rechtmäßig sei. Zwar sei nicht konkret über Haustürbesuche in der allgemeinen Information zur Datenverarbeitung unterrichtet worden, ein durchschnittlicher ehemaliger Kunde könne jedoch durchaus voraussehen, dass auch Haustürbesuche erfolgen könnten. Außerdem hob das Gericht hervor, dass keine sensiblen Daten verarbeitet würden, keine schweren Folgen für die Betroffenen ersichtlich seien – da Haustürbesuche höchstens wenige Minuten stören würden – und außerdem ein Widerspruchsrecht nach Art. 21 DSGVO für die betroffenen Kunden bestehe.

Für den Primärzweck – die Werbung per Postversand – sieht das Gericht eine Rechtsgrundlage in Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Es sieht in der Direktwerbung ein anerkanntes berechtigtes Interesse. Die Werbung in Form von Haustürbesuchen sei von § 7 Abs. 1 S. 1 UWG gedeckt, da Vertreterbesuche „im Rahmen einer traditionell, auch heute noch zulässigen gewerblichen Betätigung“ stünden, so das Gericht. Ebenso seien die Besuche nicht unzumutbar. Die Interessen des Werbenden an der Werbung würden das Interesse der Verbraucher daran, von Haustürwerbung verschont zu bleiben, überwiegen. Eine Kündigung allein könne ebenfalls nicht bewirken, dass für den Werbetreibenden ersichtlich ist, dass weitere Werbung unerwünscht sei.

Zwei Jahre Speicherdauer sind genug

Das Gericht hält die vom Energieversorger vorgeschlagene Speicherdauer von zwei Jahren im Sinne der DSGVO für erforderlich. Die Speicherdauer orientiert sich an der Verwirklichung des berechtigten Interesses des Energieversorgers an Direktwerbung. Das Gericht folgte dem Argument, dass es wenig sinnvoll sei, Kunden zu bewerben, die bereits das Produkt bezögen. Auch funktioniere eine Verarbeitung anonymisierter Daten bei Mehrfamilienhäusern ebenso wenig wie ein Positivlistenabgleich. Danach würden alle Informationen zu Bestandskunden dem Vertriebspartner übergeben, damit dieser alle – nur nicht diejenigen auf der Positivliste – bewerbe. Dies hätte laut Gericht eine größere Datenverarbeitung zur Folge als erforderlich.

Vor Ablauf der Vertragslaufzeit bestehe für Kunden keine Möglichkeit, den Vertrag zu beenden und einen neuen zu vereinbaren. Daher wäre Werbung vor Ablauf sinnlos, was zur Folge habe, dass eine Speicherdauer von 24 Monaten gerade noch erforderlich sei.

Rechte der betroffenen Kunden überwiegen nicht Rechte des Energieversorgers

Das Gericht hält die nachvertraglichen Werbemaßnahmen für die Kunden auf Grundlage der Information zur Datenverarbeitung für erwartbar – ein ehemaliger Kunde könne auch noch nach 24 Monaten damit rechnen. Zwar räumt das Gericht ein, dass zwei Jahre eine lange Zeit seien, dem Verbraucher sei jedoch die lange Laufzeit von Verträgen bekannt. Die DSGVO und das UWG sähen das Interesse der Wirtschaft an Direktwerbung als schutzwürdig an. Da auch keine sensiblen Daten verarbeitet würden und über Werbung per Post informiert werde, sei dem Transparenzgebot Genüge getan. Zwar sei nicht über Haustürbesuche aufgeklärt worden, das führe jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung, da sich eine Rechtfertigung aus Art. 6 Abs. 1 lit. f und Abs. 4 DSGVO ergebe. Außerdem sei keine vorsätzliche Verletzung der Informationspflicht ersichtlich.

Fazit

Dieser Fall ist als Einzelfall zu betrachten. Eine pauschale Anwendung auf andere Fälle verbietet sich, da es hier zum einen auf die Vertragslaufzeiten von Energieversorgungsverträgen ankommt und zum anderen auf die Ausgestaltung der Informationen zur Datenverarbeitung des Energieversorgers, die bereits auf nachvertragliche Werbemaßnahmen Bezug nahm – auch wenn sie nicht vollumfänglich beschrieben wurden.

Es lohnt sich daher für Unternehmen, einen Blick in ihre Informationen zur Datenverarbeitung für Kunden zu werfen, um sicherzustellen, dass sie korrekt über mögliche Werbemaßnahmen – insbesondere nach § 7 Abs. 3 UWG – unterrichtet haben. Denn die korrekte Information kann Werbemaßnahmen erleichtern, da dann eine Einwilligung nicht mehr eingeholt werden muss.