Wissen Sie, ob Ihr Kind tatsächlich jeden Tag zur Schule geht?

Der Deutsche Lehrerverband ging in einer Stellungnahme 2011 davon aus, „dass etwa zehn Prozent der rund zwölf Millionen Schüler regelmäßig in der Schule fehlen.“ Allein in Hamburg wurden 2015 Bußgelder in Höhe von insgesamt 140.000 Euro verhängt. In Sachsen Anhalt wurden 2015 739 Langzeit-Schulschwänzer zu einem Jugendarrest verurteilt. Von diesen haben 167 tatsächlich ihre Warn-Strafe angetreten.

Eine Lösung des Problems scheint nicht in Sicht. Oder doch?

An der Eleonora-Duse-Schule in Bari (Italien) sollen sich die Lernenden im neuen Schuljahr morgens mit dem Betreten des Schulgebäudes registrieren, indem sie ihren Fingerabdruck einscannen. Die Kommt-Zeit wird mit dem Stundenplan des Schülers verglichen. Wird eine Verspätung festgestellt, erfahren das die Eltern sofort per SMS.

In Deutschland vorstellbar?

Dem Einsatz biometrischer Daten für die „Zeiterfassung“ stehen die Aufsichtsbehörden skeptisch gegenüber: „Für bloße Zwecke der Zeiterfassung sind biometrische Verfahren […]  mangels Erforderlichkeit nicht einsetzbar, denn dafür stehen bekanntlich wesentlich weniger in das Persönlichkeitsrecht […]eingreifende Verfahren zur Verfügung. Eine Erforderlichkeit besteht immer dann nicht, wenn von mehreren gleichermaßen wirksamen Maßnahmen die [Belastendste] gewählt wird.“ (6. Tätigkeitsbericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten, Punkt 8.3.2).

Unabhängig von der Biometrie erscheint auch die grundsätzliche Zeiterfassung mit Benachrichtigung der Eltern als nicht erforderlich. Verspätungen oder Fehlzeiten werden im Klassenbuch vermerkt und können den Eltern in der Elternsprechstunde mitgeteilt werden. Diese können dann erzieherisch auf ihr Kind einwirken. Durch den SMS-Service wird dieser Umstand nur zeitlich verlagert und ermöglicht eine weitere Überwachung des Schülers.

Die Eltern, denen der Schulbesuch des Kindes egal ist und die auf eine Einladung zum Elterngespräch nicht reagieren, werden ihr Verhalten und ihre Einstellung kaum ändern, wenn sie per SMS benachrichtigt werden.

In Deutschland gab es in der Vergangenheit auch vereinzelt versuche, Biometrie in den Schulalltag einzubinden.

In Sachsen wollte der Kantinenbetreiber einer Privatschule die Schulspeisung künftig nur noch auf Grundlage einer biometrischen Authentifikation mittels Fingerprint durchführen (7. Tätigkeitsbericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten, Punkt 8.10.1). Ebenso in Hamburg (24. Tätigkeitsbericht Datenschutz des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Punkt 7.8). In Sachsen wurde aus verschiedenen Gründen auf die Einführung der biometrischen Authentifikation verzichtet. In Hamburg ergab die Prüfung erhebliche Rechtsverstöße (fehlende Einwilligungserklärungen der Betroffenen).

Eine Zutrittskontrolle per Finger-Print an einer Grund- und Musikschule in Gilching, die sicherstellen sollte, dass neben den Schulkindern nur Musikschüler das Gebäude betreten, wurde auf Protest der Eltern nach kurzer Zeit wieder deinstalliert.

Fazit

Biometrie in der Schule, ein weiterer Schritt in die Vollüberwachung der Kinder und Heranwachsenden hin zum gläsernen Menschen. Wenn Sie Ihr Kind mit Wearables ausstatten und später noch die App „Schutzranzen“ einsetzen, sind Sie immer up to date und Ihr Schützling genießt eine überwachte Kindheit. Eine grauenhafte Vorstellung. Zurück nach Bari: Die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ hat eine Videoumfrage vor der Eleonora-Duse-Schule durchgeführt. Viele Eltern sprechen sich für die biometrische Zeiterfassung aus. Einzig ein Vater äußerte sich kritisch:

„Es [die biometrische Zeiterfassung] sei nicht notwendig. Die Schule gebe eine Menge Geld für eine wertlose Sache aus.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.