Seit dem 13.9.2016 bietet die „Gesellschaft zur Durchsetzung von Verbraucherinteressen GmbH“ (nachfolgend GDVI) mit Sitz in Nürnberg unter www.werbestopper.de ihre „Dienste“ an. Der für Verbraucher vermeintlich kostenlose Dienst der GDVI soll unter anderem darin bestehen, jede Art von Werbung zu unterbinden. Obwohl die Idee hinter www.werbestopper.de auf den ersten Blick verbraucherfreundlich erscheint und sogar medienwirksam von Oliver Kahn und dem WWF unterstützt wird, wirft die Zielsetzung und Umsetzung auf den zweiten Blick allerhand Fragen auf.

Werbewiderspruch per Internetformular

Das Verfahren hinter werbestopper.de ist folgendes: Nach Registrierung mit Vornamen, Namen, PLZ, Ort, Straße, Hausnummer und E-Mail-Adresse sowie Abgabe einer sehr unbestimmten und weit gefassten Einwilligungserklärung auf der Webseite werbestopper.de,  erstellt der nun registrierte User per Mausklick eine Blacklist, in der er all diejenigen Unternehmen auflisten kann, von denen er keine Werbung (mehr) erhalten möchte. Die so gesammelten Werbewidersprüche / Einwilligungswiderrufe werden dann in Form einer Sammelliste per Brief oder Fax durch den GDVI an die betroffenen Unternehmen geschickt. Diese Sammellisten können dabei je nach Anzahl der eingetragenen Verbraucher einen Umfang von mehreren Dutzend Seiten haben und dementsprechend mehrere hundert Namen und Adressen beinhalten.

Unternehmen stehen vor Praxisproblemen

An dieser Stelle muss die Dienstleistung der GDVI das erste Mal kritisch hinterfragt werden. Zum einen ist die abzugebende Einwilligungserklärung derart weit formuliert, dass selbst einige Datenschutzaufsichtsbehörden diese gegenwärtig als unzulässig bewerten. Zum anderen stehen die Unternehmen, denen massenhaft Sammelwidersprüche in Papierform oder Fax zugesendet werden, vor großen praktischen Problemen. Denn die Listen mit Werbewidersprüchen werden nicht elektronisch vom GDVI zum Import zur Verfügung gestellt, was die Umsetzung der Widersprüche in der Praxis erheblich erschwert. Die Unternehmen müssten massenhaft Verbraucherdaten manuell in eigene Datenbanken übertragen, selbst wenn sie noch nie mit diesen Verbrauchern zu tun hatten. Die Unternehmen erhalten also hunderte von Datensätzen von Personen, mit denen sie vorher keinen Kontakt hatten und deren Daten sie bisher gar nicht gespeichert, geschweige denn genutzt haben. Sofern die Praxis des GDVI rechtswirksam wäre, müssten Unternehmen die übermittelten Daten daher „auf Vorrat“ speichern, um in Zukunft die Werbewidersprüche umsetzen zu können. Zudem wären die Unternehmen gezwungen, den Austrägern von Werbebroschüren, die bisher keine Daten von Kunden erhalten, Listen auszuhändigen, mit allen Personen im Verteilgebiet, die einen Werbewiderspruch über den GDVI erteilt haben. Es werden dadurch also künftig u.U. sogar mehr Daten verarbeitet und weitergegeben, als dies vorher der Fall war.

Die Unternehmen wissen zudem nicht, ob die angegebenen Werbewidersprüche tatsächlich von den dort genannten Personen stammen. Rückfragen beim GDVI durch die angeschriebenen Unternehmen mit Bitte um Darlegung der Vertretungsbefugnis bleiben seitens des GDVI, zumindest in den uns bekannten Fällen, unbeantwortet. Hier zeigt sich der zweite große Mangel der Vorgehensweise von werbestopper.de. Derartige Werbewidersprüche / Widerrufe haben nach unserer Ansicht mangels nachgewiesener Vertretungsmacht keine Rechtswirkung.  Die Herkunft der Erklärung und der Urheber sind schlicht nicht bekannt, bzw. ausreichend rechtlich nachgewiesen.

Warum der GDVI zum einen nicht einen Übermittlungsweg wählt, der Unternehmen eine einfachere Umsetzung der Widersprüche ermöglicht und zum anderen der GDVI auf Rückfragen zur Vollmacht nicht antwortet, bleibt offen. Zumindest irritiert es, dass vor dem vordergründigen Ansinnen des Verbraucher- und Umweltschutzes nicht Wege gewählt werden, die die Interessen der Verbraucher tatsächlich umsetzen können und es den Unternehmen ermöglichen, zu kooperieren.

Neue Geschäftsmodelle statt Verbraucherschutz?

Die Datenschutzerklärung von werbestopper.de enthält zudem eine Einwilligungserklärung, dass die GDVI Vor- und Zunamen, Anschrift sowie die ausgesprochenen Werbeverbote an die Reachsome AG weitergeben darf, damit diese in eine Werbeverbot-Datenbank aufgenommen werden. Werbende Unternehmen sollen diese Datenbank nach Aussage der GDVI einsehen können, um nicht gewollte Zustellungen zu unterbinden. Die Reachsome AG bietet in der Folge eine App Namens „DIVA Distribution Verification App“ an, deren Beschreibung im App-Store sich zum Zeitpunkt dieses Beitrags wie folgt liest:

Die App zeigt […] für jedes Gebiet bekannte Werbeverbote an, Haushalt für Haushalt dank GPS-Lokalisierung. Ein Warnton weist den Austräger dabei auf die Verbote hin und zeigt bekannte Ausnahmen […].“

Es mutet merkwürdig an, dass einer der Geschäftsführer des GDVI an der Reachsome AG beteiligt ist, die Handelsunternehmen und Dienstleistern in der Austrägerbranche eine Software anbieten möchte, die den Austrägern per App anzeigt, wo Personen mit Werbewiderspruch wohnen.

Die Einwilligung in der Datenschutzerklärung auf werbestopper.de, enthält noch weitere „Auffälligkeiten“. Mit der Registrierung bei der GDVI willigt der Nutzer per Datenschutzerklärung z. B. ein, dass die GDVI Daten der Nutzer in bestimmten Fällen an Kooperationsanwälte zum Zwecke der Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber Dritten weitergibt. Soll heißen, dass bei „Verstoß“ der vom GDVI angeschriebenen Unternehmen gegen die massenhaft zugestellten Werbewiderspruchslisten umgehend eine anwaltliche Abmahnung droht. In der Praxis kommen in diesem Zusammenhang bereits die ersten Abmahnungen vor. Statt von mehreren „Kooperationsanwälten“ stammen diese, in den uns bekannten Fällen, unisono von ein und demselben Rechtsanwalt (mit Büros in Düsseldorf und Nürnberg). Dieser zeigt dann die Vertretung eines der vermeintlichen Nutzer von werbestopper.de an und legt als Beweismittel bspw. ein Foto einer angeblich im Briefkasten vorgefundenen, nicht adressierten Werbebroschüre vor. Daneben legt er „zum Beweis“ des Werbewiderspruchs die vollständige Massenliste mit den schriftlichen Widersprüchen vor, in der er den Namen seines Mandanten gelb markiert hat.

Hier ist erstens beachtenswert, wie der „Kooperationsanwalt“ an die vollständige Liste gelangt, sofern er doch nur einen einzigen Nutzer von werbestopper.de vertritt. Insbesondere macht es stutzig, dass es sich eins zu eins um eine Kopie des Massenwiderspruchs handelt, der ja nur dem GDVI und dem angeschriebenen Unternehmen vorliegen dürfte.

Zweitens erstaunt es, dass der Anwalt die ganze Liste dem Adressaten der Abmahnung vorlegt, ohne die Namen der Personen, die ihn nicht mandatiert haben zu schwärzen.

Drittens fällt auf, dass der „Kooperationsanwalt“ ausweichlich der Gesellschafterliste der GDVI vom 25.07.2016 einer der Gesellschafter der GDVI Gesellschaft zur Durchsetzung von Verbraucher-Interessen GmbH ist. Dieser Anwalt ist darüber hinaus Geschäftsführer der GDVI Verbraucherhilfe GmbH. Beide GDVI Firmen sind unter der gleichen Adresse in Nürnberg gemeldet.

Jede Abmahnung beinhaltet eine strafbewährte Unterlassungserklärung mit dem Strafgeld von 4000,- €, die das Unternehmen abgeben soll und einer Rechnung für die Abmahngebühr i.H.v. ca. 400,- €, die der Anwalt für sich einfordert.

Die anscheinend gegebene Weitergabe der Nutzerdaten von werbestopper.de durch den GDVI an seinen eigenen Mitgesellschafter und die sorglose Weitergabe der Gesamtliste in Abmahnfällen durch den uns bekannten Kooperationsanwalt hat unser Erachtens mehr als nur einen faden Beigeschmack.

Reaktionen auf Werbestopper.de

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V. steht der Tätigkeit der GDVI kritisch gegenüber und hat diese nach eigenen Angaben sowohl aus wettbewerbsrechtlichen, als auch aus datenschutzrechtlichen Gründen abgemahnt. Die entsprechende Pressemitteilung führt insoweit an:

„… Verbraucher [werden] über die Vorteile des Onlinedienstes getäuscht, weil mit den Werbeaussagen suggeriert werde, dass Verbraucher einen umfassenden, also ausnahmslosen und damit abschließenden, effektiven Schutz vor Briefkastenwerbung erhalten könnten. Tatsächlich kann aus Sicht der Wettbewerbszentrale die insoweit versprochene Leistung durch die GDVI nicht erbracht werden. Schon die versandten Werbewidersprüche sind aus Sicht der Wettbewerbszentrale rechtlich nicht wirksam. … Außerdem hat die Wettbewerbszentrale einige Verstöße gegen Datenschutzrecht beanstandet. Nach der von GDVI verwendeten Datenschutzerklärung (Stand: 30.08.2016) ist beispielsweise eine Weitergabe von personenbezogenen Daten der Nutzer an ein Unternehmen in der Schweiz vorgesehen. Es wird aber nicht darüber informiert, welchem konkreten Zweck die Datenweitergabe dienen soll.

Gegenwärtig prüft zudem das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht als zuständige Aufsichtsbehörde die Geschäftspraxis des GDVI.

Man muss abwarten, wie diese Verfahren verlaufen und ob die Argumente der Wettbewerbszentrale durchdringen und zu welchem Ergebnis die Bayerische Aufsichtsbehörde kommt.

Fazit

Der Werbewiderspruch und der Widerruf gegebener Werbeeinwilligungen sind das gute Recht der Verbraucher und stellen ein hohes Gut im Kampf um die informationelle Selbstbestimmung dar. Die Praxis des GDVI wirft aber Fragen auf, ob es in erster Linie wirklich um die Durchsetzung von Verbraucherinteressen geht.

Verbraucher sollten daher vor der Nutzung der Dienste von Werbestopper.de genau prüfen, welche Erklärungen sie im Rahmen der Registrierung abgeben und hinterfragen, ob diese Erklärungen ihrem Interesse entsprechen. Alternativ können Verbraucher auch selbst bei den Unternehmen widersprechen und mittels Schild auf dem Briefkasten vermerken, dass keine Werbung erwünscht ist. Hierdurch verhindern die Verbraucher die massenhafte Weitergabe ihrer Daten sowohl an die Reachsome AG in der Schweiz, als auch an die Kooperationswanwälte, die die Daten anscheinend auch ohne Mandat erhalten und weitergeben sowie die massenhafte Speicherung Ihrer Daten bei Unternehmen.

Nach unserer Auffassung sind die massenhaft zugestellten Werbewidersprüche rechtlich zudem nicht bindend. Dies erklärt sich aufgrund der fehlenden Vertretungsvollmacht, bzw. dem mangelnden Nachweis dieser durch den GDVI, selbst auf Nachfrage.

Daher scheint es wohl mit guten Gründen zu vertreten zu sein, dass die Abmahnungen durch die Kooperationsanwälte auf Basis dieser Massenwidersprüche gegenstandslos sind und ein Anspruch auf Abgabe der strafbewährten Unterlassungserklärung und der Übernahme der Rechtsverfolgungskosten in Form der Abmahngebühr nicht gegeben sein dürfte. Schließlich erlangen die Unternehmen erst durch die anwaltliche Vertretung erstmals Kenntnis einer Vertretungsvollmacht des Anwalts und einer hierdurch zum Ausdruck gebrachten verbindlichen Werbewiderspruchs seines Mandanten, der auch erst ab diesem Moment rechtlich bindend ist.