Das Kartellrecht lässt weitergehende Sanktionen zu, als das Datenschutzrecht. Beispielsweise können Kartellbehörden bestimmte wirtschaftliche Praktiken direkt verbieten, die einem Monopolisten nur durch Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung möglich sind. Datenschutzbehörden können das nicht. Sie dürfen nur datenschutzrechtliche Verstöße mit Geldbußen ahnden, ohne die Marktverhältnisse der Unternehmen mit einzubeziehen.
Anfang dieses Jahres wurde ein Verfahren des Bundeskartellamts (BKartA), das seit 2016 für Schlagzeilen gesorgt hatte, mit einer aufsehenerregenden Entscheidung abgeschlossen: Im Februar 2019 hat das BKartA Facebook verboten, die Benutzerdaten, die bei der Benutzung von Facebook anfallen, mit Daten aus anderen Quellen zusammenzuführen (wir berichteten). Derartige andere Quellen stehen Facebook vielfach zur Verfügung: Zunächst nämlich die Nutzungsdaten von WhatsApp und Instagram, beide gehören zu Facebook. Zusätzlich nutzt Facebook auch diejenigen Daten selbst, die seine Unternehmens-Kunden für ihre eigenen Zwecke an Facebook liefern: Z.B. mit dem Gefällt-mir-Button, Facebook Pixel oder Custom Audience. Um Wissen über die Benutzer des Netzwerks zu erzeugen, das an Werbekunden verkauft werden kann, werden alle diese Daten zusammengeführt und von Facebook genutzt. Das Geschäftsmodell der Business-Anwendungen von Facebook drohte durch die Entscheidung in Gefahr zu geraten.
Doch das OLG Düsseldorf kassierte am 26.08.2019 die Entscheidung des BKartA. Die OLG-Entscheidung stellt zwar lediglich die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde von Facebook gegen die BKartA-Entscheidung her. Bis zur Entscheidung über diese Beschwerde durch das OLG Düsseldorf ist die Entscheidung gegen Facebook nicht vollstreckbar. Allerdings ist im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) normalerweise keine aufschiebende Wirkung von Beschwerden vorgesehen. Nur bei „ernstlichen Zweifeln“ an der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen des BKartA ist es dem Gericht ausnahmsweise möglich, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde anzuordnen. Eben diese „ernstlichen Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit der BKartA-Entscheidung aber hatte das OLG Düsseldorf und hat diese auf 36 Seiten dargelegt. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass seine Entscheidung in der Hauptsache nicht anders aussehen wird. Die Investition in ein hochkarätiges Juristen-Team hat sich für Facebook gelohnt. Das BKartA will Rechtsbeschwerde zum BGH einlegen.
Die Entscheidung des Bundeskartellamts
Das Kartellamt hatte ausführlich eine marktbeherrschende Stellung von Facebook auf dem Gebiet der Social-Media-Plattformen festgestellt. Wegen des Plattform-Prinzips der digitalen Ökonomie gäbe es für Benutzer, die sich mit vielen Bekannten elektronisch vernetzen wollen, keine Alternative zu Facebook. Damit beherrsche Facebook einen relevanten Markt, auch wenn die wirtschaftliche Nutzung erst über die Werbung erfolgte.
Facebook würde seine Marktmacht missbrauchen, indem Facebook zulasten der Kunden Bedingungen durchsetzt, die gegen die DSGVO verstoßen. Das Amt analysierte die Datennutzungs-Praktiken von Facebook und stellte fest, dass eine wirksame Einwilligung der Benutzer dazu nicht vorliege. Andere Gründe für eine zulässige Verarbeitung der Nutzerdaten seien ebenfalls nicht gegeben, insbesondere keine berechtigten Interessen von Facebook.
Nun war noch darzulegen, wieso der Verstoß gegen die DSGVO kartellrechtlich relevant sei. Das Kartellamt berief sich auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH), die sich mit der Marktmacht der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) beschäftigten (BKartA-Beschluss, Seite 274 ff.). Die VBL hatte für das Versichern von Belegschaften Bedingungen verwendet, die den späteren Ausstieg eines Arbeitgebers extrem kostspielig machten und dadurch gegen § 307 BGB verstießen. Die Geschädigten hatten dagegen, gestützt auf das GWB, Schadenersatz wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durchgesetzt und auch beim BGH Recht bekommen. Der BGH hatte entschieden, dass unangemessene Geschäftsbedingungen „Ausfluss der Marktmacht des Verwenders“ sein können. Dann würde das GWB greifen. Diese Entscheidungen zog das Kartellamt heran. Die Verletzungen des Datenschutzes seien Ergebnis der Marktmacht von Facebook. Mit Blick auf die BGH-Rechtsprechung sei es nicht erforderlich, zu beweisen, dass bei offenen Wettbewerbs-Bedingungen nicht gegen den Datenschutz verstoßen wird. Eine „Als-ob-Betrachtung“ – wie würde sich Facebook unter Wettbewerbsdruck verhalten müssen – sei nicht erforderlich.
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf
Hier setzt die Kritik des OLG Düsseldorf an. Dass die Benutzer Bedingungen zustimmen, durch die sie Facebook die Kontrolle über ihre Daten überlassen, einschließlich beliebiger Verknüpfungen und deren Nutzung für Geschäftszwecke von Facebook, müsste nicht Ergebnis der Marktmacht von Facebook sein. Es könnte genauso gut pure Bequemlichkeit sein, weshalb die Benutzer beliebigen Nutzungsbedingungen zustimmten.
Bei den Benutzern läge keine kartellrechtlich relevante Ausbeutung vor. Ihnen bliebe es unbenommen, die in Rede stehenden Daten beliebig oft jedem Dritten, u.a. auch Wettbewerbern von Facebook auf dem Markt für soziale Netzwerke, zur Verfügung zu stellen (Beschluss, S. 9).
Durch die VBL-Entscheidungen des BGH seien keine neuen Grundsätze des Kartellrechts aufgestellt worden. Es sei auch weiterhin erforderlich, zu belegen, dass Benachteiligungen von Verbrauchern gerade auf der Marktmacht eines Monopolisten beruhen und ohne diese Marktmacht nicht zustande gekommen wären – damit die Vorschriften des Kartellrechts über den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Anwendung finden.
Fazit
Aus manchen Formulierungen in der Entscheidung des OLG Düsseldorf lässt sich eine gewisse Blauäugigkeit gegenüber den Zwängen herauslesen, die von marktbeherrschenden digitalen Plattformen ausgehen. Man darf hoffen, dass der BGH dies korrigiert.
Auf der anderen Seite verwundert eine kartellamtliche Entscheidung, die datenschutzrechtliche Probleme weitaus ausführlicher behandelt, als kartellrechtliche Fragestellungen. Man wird m.E. nicht umhinkommen, konkret zu belegen, dass es gerade die Markmacht der Monopolisten ist, die die Verletzung von Datenschutz-Rechten ermöglicht. Gerade bei Custom Audience und Facebook-Pixeln lässt sich das gut zeigen. Es bleibt zu hoffen, dass das BKartA seine Argumente schärft. Ring frei zur nächsten Runde.