Big Data und Gesundheit liegen im Trend. Das Münchner Start-up-Unternehmen Soma Analytics um den Gründer Johann Huber hat eine App entwickelt, die anhand von Stimme, Tippverhalten und Schlafrhythmus den Gesundheitszustand des Nutzers erfasst. Ein Algorithmus wertet die erfassten Daten aus und gibt sie an den Arbeitgeber weiter. Dieser soll dadurch den Stresslevel seiner Mitarbeiter erkennen können. Krankheitsbedingte Ausfälle sollen vermieden werden. Doch wie sieht es hierbei mit dem Datenschutz aus? Wir nehmen eine erste Einschätzung vor.

Funktionsweise der App

Um zu erkennen, ob ein Mitarbeiter überfordert ist, hört Soma Analytics den Nutzern beim Telefonieren aufmerksam zu. Die App analysiert die Frequenz der Stimme und schließt so auf die Emotionen des Nutzers. Die Gefühlslage des Nutzers kann so ziemlich genau bestimmt werden. Sie gibt einen „Blick in sein Innerstes“.

Zugleich beobachtet die App das Tippverhalten und stellt darüber fest, ob der Mitarbeiter Nachrichten in Ruhe oder hektisch verfasst. Um das Stressniveau zu bestimmen, analysiert sie auch, wie häufig der Nutzer auf das Smartphone sieht.

Und das ist noch nicht alles. Die App lässt den Nutzer auch im Schlaf nicht allein. Liegt das Smartphone mit im Bett, registriert der Lagesensor, ob der Nutzer ruhig oder unruhig schläft.

Die gesammelten Informationen wertet der von Soma Analytics entwickelte Algorithmus aus. Dadurch ist die App in der Lage, Aussagen über das Stressniveau einer Person zu treffen und Veränderungen festzustellen. Die Daten stellt Soma Analytics dem Arbeitgeber zur Verfügung. Dieser soll so frühzeitig auf hohe Belastungen der Mitarbeiter reagieren können. Im besten Fall können Krankheitsausfälle reduziert werden.

Das ist alles Zukunftsmusik? Nein. Viele Arbeitgeber setzen die App bereits ein. Ein Beispiel ist eine Londoner Großkanzlei mit über 1.000 Mitarbeitern. Zu den Kunden von Soma Analytics gehören ferner Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Unternehmensberatungen und Telekommunikationsunternehmen. Auch in Deutschland soll es erste Unternehmen geben, welche die App testen. Welche Unternehmen das sind, dazu schweigt Firmengründer Huber.

Und was ist mit dem Datenschutz?

Für die Erhebung der Daten holt Soma Analytics die Einwilligung des Nutzers ein. Dem Arbeitgeber werden die Daten lediglich anonymisiert zur Verfügung gestellt. So sieht Soma Analytics-Gründer Huber beim Einsatz seiner App auch keine Probleme und findet, dass sich Mitarbeiter über die App freuen können: „Die Informationen, die Arbeitgeber bekommen, helfen ihnen, die Arbeitnehmer glücklicher und gesünder zu machen.“

Doch ist es mit dem Datenschutz wirklich so einfach? Nicht ganz. Die Datenerhebung aufgrund der Einwilligung des Nutzers ist problematisch. Nach § 4a BDSG ist die Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Im Arbeitsverhältnis besteht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer typischerweise ein strukturelles Ungleichgewicht. Im Regelfall ist der Arbeitnehmer auf das Arbeitsverhältnis existenziell angewiesen. Eine freie Entscheidung ist in dieser Situation zumindest fraglich. Darauf hat bereits das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 23.11.2006 hingewiesen:

„Die von Verfassungs wegen zu berücksichtigende strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers besteht nicht nur bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses sondern auch im bestehenden Arbeitsverhältnis.“

Auch der Kommissionsentwurf für die Datenschutz-Grundverordnung sieht in Artikel 7 vor, dass die Einwilligung keine Rechtsgrundlage für eine Datenverarbeitung bietet, wenn zwischen den Beteiligten der Datenverarbeitung ein erhebliches Ungleichgewicht besteht. Diese Regelung zielt insbesondere auf die Situation im Beschäftigungsverhältnis ab.

Folgerichtig haben der ehemalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar und die amtierende Bundesbeauftragte für den Datenschutz Andrea Voßhoff die Erfassung und Auswertung der Gesundheitsdaten durch den Arbeitgeber für unzulässig erklärt. Es sei fraglich, inwiefern ein Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber, von dem er abhängig sei, freiwillig in die Datenverarbeitung einwilligen könne.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass eine wirksame Anonymisierung umfangreicher Datenbestände nur schwer zu erreichen ist. Das haben wir hier gezeigt. Durch die Kombination von verfügbaren Daten kann häufig eine De-Anonymisierung erfolgen.

Fazit

Ob Soma Analytics von Unternehmen in Deutschland datenschutzkonform eingesetzt werden kann, ist mehr als fraglich. Auf das Gesetz lässt sich die Datenverarbeitung nicht stützen. Auch die Einwilligung ist keine rechtliche Grundlage für den Einsatz der App. Die Hürden für eine wirksame Anonymisierung sind hoch. Nach allem, was derzeit bekannt ist, ist von der Nutzung daher abzuraten.