Seit einiger Zeit setzt der bekannte Online-Versandhändler für Schuhe und Mode, Zalando, bei ca. 5.000 seiner rund 14.000 Mitarbeitern die selbstentwickelte Überwachungssoftware Zonar zum Rating der eigenen Mitarbeiter ein. Mit der Personalsoftware können Vorgesetzte und Mitarbeiter die Stärken und Schwächen von Kollegen untereinander beurteilen. Aufgrund der gegenseitigen Benotung der Mitarbeiter sollen zusätzliche Informationen zum Leistungsstand generiert werden. Die Bewertungsdaten werden anschließend unter Verwendung eines Algorithmus dazu genutzt, den jeweiligen Beschäftigten einen individuellen Scorewert zuzuordnen. Die errechneten Scorewerte können dann bspw. einen Einfluss darauf haben, wie Mitarbeitergespräche strukturiert werden, welche Aufstiegschancen bestehen und welche Lohnsteigerungen von den Mitarbeitern erzielt werden können. Denkbar sind auch negative Konsequenzen.
Gelebte Feedback-Kultur oder totale Überwachung mit Stasi-Methoden?
Zalando lobt das System als transparenzfördernd und sieht die selbstentwickelte Software als integralen Bestandteil einer gelebten Feedback-Kultur, welche es den Beschäftigten erleichtern soll, die eigene Leistung besser einschätzen und die Karriere besser planen zu können. Zalando spricht dabei von einem fairen System zur Unterstützung der Entwicklung eines jeden Mitarbeiters und bewirbt Zonar als Karrieretool, welches eine objektive Bewertung der Arbeitsleistung ermöglichen solle.
Viele Mitarbeiter des Unternehmens sehen offenbar in der Personalsoftware hingegen ein 360-Grad-Überwachungs-Instrument und bezeichnen Zonar als ein System der Arbeits- und Leistungskontrolle. Hierbei spiele vor allem die Allgegenwärtigkeit der Überwachung durch die hochfrequente Bewertung durch Kollegen eine große Rolle im Arbeitsalltag, die zu einem Gefühl der kompletten Kontrolle führe.
Ähnlich hat sich auch die Hans Böckler Stiftung im Rahmen einer Fallstudie über den Einsatz von Zonar geäußert. Forscher der Stiftung haben die Anwendung als ein sozio-technisches System zur Herstellung und Legitimierung betrieblicher Ungleichheit beschrieben sowie die Zunahme des Misstrauens der Mitarbeiter und die Erhöhung des sozialen Drucks durch die Nutzung von Zonar angeführt.
Datenschutzrechtliche Probleme
Es bestehen ernsthafte Zweifel an der datenschutzrechtlichen Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Zonar. Denn angeblich sind die Mitarbeiter vor der Einführung der Software formal nicht über die Datenverarbeitung informiert worden. In diesem Zusammenhang wären u.a. die konkreten Informationen der Löschfrist, Umfang und Zweck der Datenverarbeitung sowie eine Beschreibung der Logik des verwendeten Algorithmus zu nennen. Eine solche Information erfolgte seitens Zalando jedoch anscheinend nicht.
Zusätzlich bestehen erhebliche Zweifel hinsichtlich einer bestehenden Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung durch dieses Tool. Zalando führt hierzu aus, dass die Leistungsbeurteilungen von Mitarbeitern ein rechtlich anerkannter und zulässiger Zweck der Datenverarbeitung sein kann, wobei jedoch keine genaueren Ausführungen zur Erforderlichkeit der Datenverarbeitung zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses gemacht werden. Spätestens bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und der Frage, ob ein milderes gleich wirksames Mittel bei der Datenverarbeitung vorliegt, bestehen große Zweifel, ob der Grundsatz der Datensparsamkeit sowie das datenschutzrechtliche Gebot der Transparenz bei der Nutzung von Zonar eingehalten wird.
Prüfung durch die Berliner Beauftragte für Datenschutz
Mittlerweile hat die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, die für das Berliner Unternehmen Zalando zuständig ist, angekündigt, den Einsatz von Zonar zu prüfen. Prüfungspunkt der Aufsichtsbehörde könnte hier insbesondere sein, ob Zalando vor Einführung der Software eine Datenschutzfolgenabschätzung hätte durchführen müssen. Denn aufgrund der sehr ausführlichen Dokumentation des Leistungsverhaltens könnte durchaus von einem hohen Risiko für die Rechte und Freiheiten der Beschäftigten ausgegangen werden. Wenn und soweit im Rahmen einer Datenschutzfolgenabschätzung von einem hohen Risiko ausgegangen werden muss, ist die Aufsichtsbehörde vorab zu konsultieren. Ferner rät die LfDI Berlin vom Einsatz dieser Software derzeit ab.
Fazit
Aufgrund der hochfrequenten, jederzeit möglichen Beurteilung der Beschäftigten durch Kollegen und Vorgesetzte ist von einem erheblichen Überwachungsdruck auszugehen, der durch die Nutzung von Zonar vermittelt wird. Die Allgegenwärtigkeit und Intransparenz der Datenverarbeitung kann zu einem erheblichen Anstieg des Leistungsdrucks führen. Da die zuständige Aufsichtsbehörde ihre Prüfung der Software noch nicht abgeschlossen hat und das Ergebnis der Prüfung daher offen ist, sollte auf den Einsatz von Zonar oder anderen ähnlich umfangreichen Systemen zur Beurteilung der Leistung von Mitarbeitern derzeit verzichtet werden.