Arbeitgeber, aber auch Behörden werden regelmäßig mit der Situation konfrontiert, dass eine Strafverfolgungsbehörde personenbezogene Daten und sogar besonders sensible Sozialdaten anfragt. Hierbei steht dem Auskunftsgesuch der anfragenden Behörde das gesetzlich normierte Sozialgeheimnis gegenüber, weshalb eine Übermittlung von Sozialdaten nur unter speziellen datenschutzrechtlichen Voraussetzungen erfolgen darf.

Hintergrund

Sozialdaten stellen nach § 67 Abs. 2 S. 1 SGB X (Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) personenbezogene Daten (Art. 4 Nr. 1 DSGVO) dar, die von einer in § 35 SGB I (Erstes Buch Sozialgesetzbuch) genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Ein Sozialdatum ist hierbei nicht nur durch den Personenbezug, sondern zusätzlich durch einen Sachbezug in der Weise gekennzeichnet, dass es von einem Sozialleistungsträger für dessen Aufgabenerfüllung verwendet wird (LPK-SGB X/Thomas P. Stähler, 5. Aufl. 2019, SGB X § 67 Rn. 4). Somit kann jedes Datum – auch ein Aktenzeichen oder eine E-Mail-Adresse – ein Sozialdatum im Sinne des § 67 Abs. 2 S. 1 SGB X sein, sofern es von einer in § 35 SGB I genannten Stelle (z. B. Jobcenter) zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem SGB verarbeitet wird.

Sozialgeheimnis

§ 35 Abs. 1 SGB I regelt den Rechtsanspruch der Bürger darauf, dass die eigenen Sozialdaten nicht ohne entsprechende Befugnis verarbeitet werden; das schließt den Anspruch auf Wahrung des Sozialgeheimnisses bezüglich der sie betreffenden Daten durch die Leistungsträger und deren Verbände ein (LPK-SGB I/Utz Krahmer, 4. Aufl. 2020, SGB I § 35 Rn. 2). Die betreffende Stelle darf also Sozialdaten nur an befugte Personen bzw. Stellen übermitteln.

Wann also dürfen Sozialdaten im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens herausgegeben werden?

§ 67b Abs. 1 S. 1 SGB X gibt vor, dass die Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen zulässig ist, soweit die nachfolgenden Vorschriften oder eine andere Rechtsvorschrift in diesem Gesetzbuch es erlauben oder anordnen. Hierbei sind die Übermittlungsgrundsätze nach § 67d SGB X einzuhalten, die insbesondere vorschreiben, dass die Verantwortung für die Zulässigkeit der Bekanntgabe von Sozialdaten die übermittelnde Stelle trägt (diese muss die Übermittlungsvoraussetzungen prüfen).

Danach wäre zunächst das Vorliegen einer schriftlichen oder elektronischen Einwilligung der betroffenen Person nach § 67b Abs. 2 S. 1 SGB X als Rechtsgrundlage für eine Übermittlung an die anfragende Stelle zu nennen.

Im Rahmen der Amtshilfe und zur Erfüllung von Aufgaben der Polizeibehörden, der Staatsanwaltschaften und Gerichte, der Behörden der Gefahrenabwehr und der Justizvollzugsanstalten dürfen im Einzelfall und auf Ersuchen der anfragenden Behörde gewisse Sozialdaten der betroffenen Person übermittelt werden, soweit kein Grund zu der Annahme besteht, dass dadurch deren schutzwürdige Interessen beeinträchtigt werden. Zudem gilt eine zeitliche Beschränkung für das Auskunftsersuchen (sechs Monate, § 68 Abs. 1 S. 1 SGB X). Wichtig: § 68 SGB X begründet für Sozialdaten lediglich eine Befugnis, nicht aber eine Pflicht zur Übermittlung (LPK-SGB X/Thomas P. Stähler, 5. Aufl. 2019, SGB X § 68 Rn. 7); über das Übermittlungsersuchen entscheidet der Leiter oder die Leiterin (u. a.) der ersuchten Stelle, § 68 Abs. 2 SGB X.

Für Auskünfte über Sozialdaten im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens ist zudem der § 73 SGB X von großer Bedeutung: Nach § 73 Abs. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen eines Verbrechens (§ 12 Abs. 1 StGB) oder wegen einer sonstigen Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist und diesbezüglich eine richterliche Anordnung vorliegt (§ 73 Abs. 3 SGB X). Unter Straftaten von erheblicher Bedeutung können u. a. Straftaten auf dem Gebiet des unerlaubten Betäubungsmittel- oder Waffenverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit fallen (HK-SozDatenschutzR/Judith Ahrend, 4. Aufl. 2020, SGB X § 73 Rn. 7). In den Fällen des § 73 Abs. 1 SGB X ist die Auskunft uneingeschränkt zulässig und gilt nicht nur bzgl. der Sozialdaten des Beschuldigten, sondern auch von Dritten wie z. B. Zeugen (OLG Karlsruhe NJW 2006, 3656). Die Übermittlungsbefugnis besteht hingegen nicht für Zwecke der Strafvollstreckung und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (HK-SozDatenschutzR/Judith Ahrend, 4. Aufl. 2020, SGB X § 73 Rn. 5).

Wichtig: Sofern eine gesetzliche Übermittlungsgrundlage nach §§ 68-75 SGB X in Betracht kommt, ist stets die Einschränkung nach § 76 SGB X zu prüfen, die dem Schutz besonders schutzwürdiger Sozialdaten dient. Auch unterliegen die Übermittlungsbefugnisse im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe bestimmten Voraussetzungen (§ 65 SGB VIII (Achtes Buch Sozialgesetzbuch)).

Mit den dargestellten Regelungen wird ein Interessenausgleich zwischen dem Sozialgeheimnis und der Strafverfolgung ermöglicht, unter gleichzeitiger Berücksichtigung besonders schutzwürdiger Sozialdaten und Betroffener (Minderjährige). Im Falle einer entsprechenden Auskunftsanfrage sollten die gesetzlichen Voraussetzungen und insbesondere die Regelungen zur Übermittlungseinschränkungen aber genauestens geprüft und im Zweifel noch einmal rechtskundiger Rat eingeholt werden.