Auch wenn die Fragestellung etwas ungewöhnlich erscheinen mag, ist sie nicht aus der Luft gegriffen. Aktueller Anlass für die Betrachtung der Zulässigkeit einer Videoüberwachung von Grabstätten ist das Grab des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl in Speyer, das seit einigen Tagen auf Veranlassung seiner Witwe mit einer Kamera überwacht wird.

Das Grab als solches ist dabei von einem Absperrzaun umgeben, an dem sich ein Hinweis auf die Videoüberwachung befindet. Einem Interview des SWR mit dem Landesdatenschutzbeauftragten von Rheinland-Pfalz, Dieter Kugelmann zur Folge, befindet sich die Kamera an einem Baum hinter dem Grabmal. Das Grab wiederum ist auf dem Grundstück des Domkapitels belegen. Anlass für ein Tätigwerden des Datenschutzbeauftragten von Rheinland-Pfalz, Dieter Kugelmann war die Frage, ob von der Videoüberwachung ggf. auch Passanten vor dem Zaun im angrenzenden Adenauer-Park erfasst werden. In diesem Zusammenhang forderte Kugelmann auch Informationen von der Stadt Speyer an, wo die Bilder gespeichert werden und welche Personen Zugriff auf das Bildmaterial haben.

Nach Auskunft der Stadt Speyer filmt die Kamera nur das Grab von Helmut Kohl. Nicht erfasst werden Passanten und Trauernde, die sich vor dem Zaun auf der Seite des Parks und damit im öffentlichen Raum der Stadt Speyer befinden. Zugriff auf die Bilder hat nach Auskunft von Kugelmann ein eingeschalteter Sicherheitsdienst. Das Bistum Speyer toleriert nach einem Filmbeitrag des SWR vom 31.07.2017 die von Helmut Kohls Witwe angeordnete Videoüberwachung, die Bilder sollen nach dem Bericht innerhalb von zehn Tagen wieder gelöscht werden. Kugelmann sieht derzeit keinen akuten Handlungsbedarf, da die Kamera wohl nur als vorübergehende Maßnahme bis zur Errichtung des endgültigen Grabmals geplant ist. Sollten sich die Rahmenbedingungen für die Videoüberwachung künftig ändern, wäre allerdings in seinen Augen eine erneute Überprüfung der Maßnahme erforderlich.

Anforderungen an eine Videoüberwachung auf kirchlichen Grundstücken

Die Kamera erfasst im vorliegenden Fall das zum Bistum Speyer gehörige Kirchengrundstück, so dass damit katholisches Datenschutzrecht Anwendung finden würde. Nur wenn die Kamera den zur Stadt Speyer gehörigen Park miterfasst hätte, würde „weltliches“ Datenschutzrecht in Gestalt des BDSG gelten.

Als Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung auf dem Grundstück des Bistums Speyer käme § 5a der Anordnung über den kirchlichen Datenschutz (KDO) in Betracht. Dort heißt es

„(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie

zur Aufgabenerfüllung oder zur Wahrnehmung des Hausrechts oder

zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

(2) Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen.

(3) Die Verarbeitung oder Nutzung von nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

(4) Werden durch Videoüberwachung erhobene Daten einer bestimmten Person zugeordnet, ist diese über eine Verarbeitung oder Nutzung entsprechend § 13a zu benachrichtigen.

(5) Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.“

Auch wenn sich darüber streiten lässt, ob die Grabfläche aufgrund der davor befindlichen Zaunabsperrung einen öffentlich-zugänglichen Raum darstellt, bedarf es nach § 5a Abs. 1 Nr. 2 KDO einer Interessenabwägung zwischen der Wahrnehmung berechtigter Interessen des Bistums und den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen. Die laut SWR von Helmut Kohls Witwe veranlasste Videoüberwachung dürfte zunächst in ihrem Interesse liegen. Von der Maßnahme betroffen sein könnten Passanten, wenn diese von der Kamera erfasst werden. Da der von der Videoüberwachung erfasste Grab-Bereich aufgrund des davorliegenden Zauns derzeit nicht betreten werden kann, ist grds. nicht davon auszugehen, dass Betroffenenrechte beeinträchtigt werden. Anders wäre dies, wenn der Zaun zu einem späteren Zeitpunkt abgebaut werden sollte. Es wird allerdings auch nicht unmittelbar deutlich, welches berechtigte Interesse das Bistum im Rahmen einer dauerhaften Videoüberwachung wahrnehmen könnte, solange keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe im Zusammenhang mit der Grabstätte im Raum stehen.

Da die Videoüberwachung nach Angaben des SWR wohl nur von vorübergehender Natur sein soll und derzeit vom Bistum geduldet wird, dürfte es wohl angesichts des erfassten Bildausschnitts zulässig sein, die Kamera als temporäre Einrichtung beizubehalten. Etwas anderes wäre es, wenn – wie bereits vom Landesdatenschutzbeauftragten Rheinland-Pfalz festgestellt – die Kamera auch den vor der Grabstätte befindlichen, öffentlichen Park erfassen würde.

Kennzeichnungspflicht und Speicherfristen

Bei einer dauerhaften Videoüberwachung wäre allerdings mit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung im Mai 2018 noch zu berücksichtigen, dass ab diesem Zeitpunkt auch die verantwortliche Stelle mit einer Kontaktadresse auf dem Hinweisschild zur Videoüberwachung zu nennen wäre. Dies ist anhand der veröffentlichen Bilder der Grabstätte derzeit nicht der Fall. Es kann in diesem Zusammenhang als wahrscheinlich gelten, dass die strengere Anforderung der DSGVO an die Kennzeichnungspflicht im Rahmen der Videoüberwachung auch Eingang in die Nachfolgeregelung zur KDO – das Gesetz über den Kirchlichen Datenschutz (KDG) – finden wird. Somit würde das Hinweisschild für den Fall einer über Mai 2018 hinausgehenden Videoüberwachung nicht den dann geltenden, strengeren gesetzlichen Anforderungen an die Kennzeichnungspflicht genügen.

Nicht zuletzt könnte die Speicherdauer der Bildaufnahmen problematisch sein, da diese nach den zur Verfügung stehenden Informationen zehn Tage betragen soll. Zulässig wäre im Rahmen des BDSG und auch künftig nach der DSGVO eine Speicherdauer von maximal 72 Stunden. Eine längere Speicherdauer wird von den meisten Datenschutzaufsichtsbehörden als unzulässig erachtet und dürfte auch nach katholischem Datenschutzrecht zu lang bemessen sein. Auch wenn es in der KDO bislang keine konkrete Regelung zur Speicherdauer gibt, wären die Videodaten nach § 5a Abs. 5 KDO

„unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.“

Fazit

Soweit die rechtlichen Rahmenbedingungen. Die hier näher betrachtete Videoüberwachung mag einen Sonderfall darstellen, passt sie doch nicht so recht in die normalerweise relevanten Fallgruppen einer Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Abgesehen davon findet hier – wie dargestellt – katholisches Datenschutzrecht Anwendung, das jedoch ganz überwiegend den Wertungsmaßstab des BDSG übernommen hat und sich wohl auch künftig an der DSGVO orientieren wird.

Auch wenn kein akuter Handlungsbedarf ersichtlich ist, wäre, wie bereits vom Datenschutzbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz angedeutet, bei einer dauerhaften Videoüberwachung und veränderten Rahmenbedingungen eine erneute datenschutzrechtliche Prüfung vorzunehmen, ob nun durch den Landesschutzbeauftragten oder durch das Bistum Speyer. Wir halten Sie hierüber gerne auf dem Laufenden.