Was hat das mit Datenschutz zu tun?
Derzeit werden Daten von über 80 Millionen Bürgern in etwa 5.200 Melderegistern gespeichert. In den Landesgesetzen bestehen Rechtsgrundlagen, nach denen diese Daten von den verschiedensten Stellen abgerufen und für unterschiedliche Zwecke genutzt werden dürfen.
In fast allen Bundesländern ist es bisher möglich, ohne große Hürden einfache Melderegisterauskünfte im Wege des automatisierten Abrufes über das Internet zu erhalten. Auf diese Weise konnten Unternehmen in der Vergangenheit relativ einfach aktuelle Adressdatenbestände abfragen und diese für Werbezwecke nutzen. Da die Melderegister bisher kaum Schutz vor diesem Vorgehen boten, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahr 2006 entschieden, dass Betroffene der Erteilung einer Melderegisterauskunft, die erkennbar für Zwecke der Direktwerbung begehrt wird, widersprechen können müssen – selbst wenn das Meldegesetz eine solche Widerspruchsmöglichkeit nicht vorsieht. Doch wer kennt dieses Recht schon?
Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar trat seit Jahren dafür ein, die Neukonzeption des Meldewesens dazu zu nutzen, den Datenschutz für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Insbesondere schlug er vor, die bestehenden Widerspruchsregelungen durch Einwilligungslösungen abzulösen. Hierdurch hätte ein angemessener Schutz vor allem der Adressdatenbestände erreicht werden können.
Was ist aus der vorgeschlagenen Einwilligungslösung geworden?
Leider nicht viel. § 44 Abs. 4 des Gesetzes zur Modernisierung des Meldewesens bestimmt nunmehr lediglich, dass es verboten ist, Daten aus einer Melderegisterauskunft zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels zu verwenden, solange der Zweck bei der Anfrage nicht angegebene wurde. Dies ist keine echte Hürde.
Die Daten dürfen zudem dann nicht verwendet werden, wenn die betroffene Person der Übermittlung für Werbung und Adresshandel widersprochen hat. Von einer Einwilligungslösung kann keine Rede sein. Vielmehr wurde die alte Rechtslage beibehalten.
Aber es geht noch weiter: Selbst nach der Erteilung eines aktiven Widerspruchs gegenüber der Meldebehörde ist man nicht vor einer Datenabfrage zum Zwecke der Werbung und des Adresshandels gefeit. Denn der Widerspruch gilt als gegenstandslos, wenn die anfragende Stelle die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwenden möchte.
Stellungnahme
Der neue § 44 des Gesetzes zur Modernisierung des Meldewesens ermöglicht privaten Unternehmen auch weiterhin weitreichende Zugriffsmöglichkeiten auf Adressdaten. Die langjährige Kritik gegen entsprechende Regelungen in den Bundesländern wurde außer Acht gelassen.
Die vorgesehenen Einschränkungen sind nicht geeignet, einen hinreichenden Schutz der Bürger sicherzustellen. Die eingebauten Hürden sind tatsächlich keine. Diese verhindern keinen Datenabruf, sondern erzeugen allenfalls eine gewisse Transparenz über den Datenfluss.
Auch die Widerspruchslösung ist bedenklich. Hier verpasst es der Gesetzgeber (anders als für E-Mail- und Telefonwerbung) auch für postalische Werbung die Notwendigkeit einer aktiven Einwilligungserklärung zu etablieren. Zudem wird nur ein Bruchteil der Betroffenen von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen.
Völlig unverständlich ist die Regelung, dass trotz eines erklärten Widerspruchs des Betroffenen, Adressdaten an Unternehmen zum Zwecke der Werbung und des Adresshandels weitergegeben werden dürfen, wenn bereits vorhandene Daten lediglich bestätigt oder berichtigt werden sollen. Werbenden Unternehmen ist es dadurch ein Leichtes, auch nach einem Umzug an aktuelle Adressdaten zu gelangen. Ob sich diese Regelung dauerhaft halten können wird, mag bezweifelt werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass nach Inkrafttreten des Gesetzes Klagen von Betroffenen abermals dazu führen werden, dass Gerichte korrektiv eingreifen.
Im Fazit lässt sich eins festhalten: Es ist schwerer geworden, durch einen Widerspruch bei der Meldebehörde einem Überlaufen des Briefkastens entgegenzuwirken.