Der zugelassene Wirtschaftsbeteiligte Spannungsfeld zwischen Terrorbekämpfung und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Vor sechs Jahren wurde auf EU-Ebene der Status des „Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten“ (engl. Authorised Economic Operator -AEO-) eingeführt. Mit diesem Status, der bei der Zollbehörde beantragt werden muss, können Unternehmen innerhalb der EU in einem vereinfachten Verfahren Zollbewilligungen erhalten. Zollbehörden vergeben den Status an Unternehmen nur gegen die Zusicherung umfangreicher Kontrollen von Mitarbeitern, Lieferanten und Auftragnehmern. Im folgenden Artikel wird näher auf das Spannungsfeld zwischen den Interessen der Terrorbekämpfung und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegangen.
Was ist ein zugelassener Wirtschaftsbeteiligter?
Die Voraussetzungen, die ein „zugelassener Wirtschaftsbeteiligter“ erfüllen muss, ergeben sich aus der Zollkodex-Durchführungsverordnung der europäischen Kommission und der Dienstanweisung „Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter-AEO“. Danach sind Unternehmen, die den AEO-Status anstreben u.a. verpflichtet, die Daten von Lieferanten und Beschäftigten mit den Antiterrorismuslisten der EU abzugleichen. Der Abgleich kann auch automatisiert mit Hilfe einer speziellen Software durchgeführt werden.
Der Status des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (Ausführers oder Einführers) führt zu einer vereinfachten Zollabfertigung. Ein „zugelassener Ausführer“ etwa ist weniger Zollprüfungen und Warenbeschauen ausgesetzt und erhält schneller Bewilligungen für die Ausfuhr seiner Waren.
Der Zoll geht dabei regelmäßig wie folgt vor: Er entzieht den Unternehmen bestehende Bewilligungen und stellt die Bewilligung in Aussicht, wenn die Unternehmen den AEO-Status beantragen und die Voraussetzungen erfüllen.
In der Praxis sind zwei Aspekte zu berücksichtigen:
- Der Entzug oder die Ablehnung des Status als zugelassener Wirtschaftsbeteiligter kann bei den betroffenen Unternehmen zu einem hohen Mehraufwand führen. Warenbeschauen und Zollprüfungen sowie die verzögerte Bearbeitung von Bewilligungen können zu Verzögerungen von einigen Tagen bis zu mehreren Wochen im In- und Export führen.
- Der Aufwand der von den Zollbehörden angeordneten „Rasterfahndung“ steht in einem krassen Missverhältnis zu den messbaren Erfolgen bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismusfinanzierung: Aus der Antwort der Bundesregierung vom 4.1.2010 (BT-Drs. 17/388) auf eine Kleine Anfrage ergibt sich, dass bislang lediglich knapp 204 € auf Grundlage der Verordnung Nr. 2580/2001 (EG) eingefroren wurden (s. Antwort zu Fragen 8b).
Nach der ursprünglichen AEO-Dienstanweisung war der Zoll gehalten, einen systematischen und flächendeckenden Abgleich von Mitarbeiterdaten zu verlangen. In der Praxis ist zwischen den beteiligten Behörden, der Zollbehörde und dem Datenschutzbeauftragten des Bundes umstritten, in welcher Frequenz Mitarbeiterscreenings durchgeführt werden müssen, ob dazu der Einsatz von Software erforderlich ist und wessen Daten abgeglichen werden müssen. Mit Wirkung zum 22.Juni 2010 wurde die AEO-Dienstanweisung dahingehend geändert, dass nunmehr keine systematischen, flächendeckenden und anlasslosen Überprüfungen vom Zoll verlangt werden können.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Verfassungsrechtliche Bedenken
Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten fragwürdig ist zunächst das Vorgehen der Zollbehörden, bestehende Zollerleichterungen zu entziehen, um sie bei einer neuerlichen AEO-Zertifizierung erneut in Aussicht zu stellen. Ohne Hinzutreten neuer Sachverhalte wird hier eine Vertrauenspositionen entzogen bis in datenschutzrechtlich bedenklicher Weise Daten von Betroffenen anlasslos mit den Daten Terrorverdächtiger abgeglichen werden. Dies gilt zumindest solange an dem Verfahren die geäußerten datenschutzrechtlichen Bedenken der obersten Aufsichtsbehörde bestehen.
Die rechtlichen Bedenken werden verstärkt durch die extrem eingeschränkte Justiziabilität der Antiterrorismuslisten. Verdächtige werden nach Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunktes des Rates 2001/931 auf Grundlage „tatsächlicher Feststellungen der zuständigen Behörde“ in die Liste aufgenommen. Eine Anhörung der Betroffenen im Vorfeld ist nicht vorgesehen. Rechtliches Gehör wird nicht gewährt. Formell hat der Betroffene zwar die Möglichkeit, sich im Einzelfall mit einer Klage nach Artikel 230 Abs. 4 EG-Vertrag gegen die Aufnahme oder die Begründung für die Aufnahme vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu wehren. Der EuGH selbst hat aber in einem Urteil vom 3.9.2008 rechtsstaatliche Bedenken geäußert, weil die Erstellung der Listen intransparent, eine justizielle Überprüfung durch Betroffene nicht möglich ist und den Betroffenen im konkreten Fall keine Begründung für die Aufnahme mitgeteilt wurde.
Datenschutzrechtliche Bedenken
Auch datenschutzrechtlich bestanden über einen langen Zeitraum Bedenken an der Zulässigkeit entsprechender Überprüfungen, sog. Screenings, die noch immer nicht vollständig ausgeräumt sind.
Sowohl der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) (Schreiben an den Verband der chemischen Industrie vom 2.11.2009 ) als auch die Landesdatenschutzbeauftragten ( Beschluss vom 23/24.4.2009 ) haben schwere Bedenken gegen den automatisierten, anlasslosen Abgleich von Mitarbeiterdaten erhoben. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage und eine Interessenabwägung fiele zugunsten der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen und zulasten der berechtigten Interessen der Unternehmen/bzw. Sicherheitsbehörden aus.
Unternehmen, die den Status des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten anstreben, bewegen sich somit in einem Spannungsfeld zwischen den Anforderungen der Zollbehörden und den rechtlichen Bedenken gegen das Verfahren.
In seinem aktuellen Tätigkeitsbericht 2009/2010 hat der BfDI dargestellt, dass aufgrund der Anpassung der AEO-Dienstanweisung Bedenken in einem wesentlichen Punkt ausgeräumt werden konnten. Nach wie vor hält der BfDI den Datenabgleich aber für problematisch und hat die Bundesregierung und die europäische Kommission um Stellungnahme zur Auflösung des rechtlichen Spannungsfeldes gebeten.
Das Auswärtige Amt hat daraufhin in Abstimmung mit den zuständigen Ressorts festgestellt, dass Unternehmen rechtlich nicht verpflichtet werden können, systematisch und anlassunabhängig Mitarbeiter- und Kundendaten abzugleichen. Eine Antwort der Kommission steht derzeit noch aus.
Erste Entscheidung eines deutschen Gerichts
Mittlerweile hat mit dem Düsseldorfer Finanzgericht vom 1.6.2011 (Aktenzeichen 4 K 3063/10 Z), nach unserer Kenntnis das erste deutsche Gericht ein Urteil zum Sanktionslistenabgleich erlassen. In dem Urteil bewertet das Finanzgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH und datenschutzrechtlicher Aspekt die Sanktionslistenprüfung als zulässig und stützt die Verarbeitung auf § 28 Abs. 2 Ziff. 2 Buchstabe b Bundesdatenschutzgesetz („Übermittlung von Daten zur Abwehr von Gefahren für die staatliche oder öffentliche Sicherheit“), soweit Mitarbeiter in sicherheitsrelevanten Bereichen betroffen sind.
Fazit
Unter gewissen Umständen ist ein entsprechender Datenabgleich mittlerweile zulässig. Die Zulässigkeit des Abgleichs hängt maßgeblich vom Umfang, der Frequenz und dem Personenkreis der Betroffenen sowie von den Umständen des Einzelfalles ab, also von der Risikoprognose und der Sicherheitsrelevanz der konkreten Tätigkeit.
Während sich bei Mitarbeitern in der Distribution, im Lager, beim Werksschutz, gegebenenfalls auch in der Verpackung durchaus Argumente für den Sanktionslistenabgleich finden lassen, dürfte diese bei nachgelagerten und weniger sicherheitsrelevanten Tätigkeiten erheblich schwieriger sein.
Zweifelsfrei besteht keine Pflicht, kommerzielle Software für die Durchführung des Abgleichs mit den Antiterrorismuslisten einzuführen.
Weiter ist ein Antragsteller lediglich verpflichtet, nachvollziehbar darzulegen, dass er die in sicherheitsrelevanten Bereichen tätigen Beschäftigten anhand der Terrorismuslisten überprüft hat.
Grundsätzlich sei ferner eine jährliche Überprüfung der Mitarbeiter ausreichend. Nur im Einzelfall, unter Berücksichtigung der Größe, Art und Struktur des Unternehmens kann eine Prüfung in kürzeren Abständen erforderlich sein.
Sollten in Ihrem Unternehmen Unsicherheiten bestehen bei der Frage, welche Daten, in welcher Frequenz und in welchem Umfang mit den Sanktionslisten abzugleichen sind, wenden Sie sich gerne an uns. Wir greifen auf einen breiten Erfahrungsschatz aus unserer Beratungstätigkeit bei einer Vielzahl von Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen zurück.
Wir haben Erfahrung mit der Gestaltung der Prozesse zur datenschutzgerechten Umsetzung der Voraussetzungen, die einerseits das berechtigte Interesse der Unternehmen an einem effektive Zoll-Verfahren und andererseits die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen berücksichtigen.
Peter Suhren | | Allgemein |