Der Datenschutz in Europa wird mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinheitlicht. In unserer Beitragsreihe stellen wir Ihnen die wichtigsten Änderungen vor, die in der ersten Jahreshälfte 2018 für alle verpflichtend werden.

Auch für das Marketing und die Werbung bedarf es rechtzeitig einer Prüfung, ob die bisherigen Prozesse und Strategien mit den zukünftig geltenden Regelungen im Einklang stehen. Ausdrückliche Regelungen zur Werbung sind in der Grundverordnung nicht enthalten. Der Begriff der Werbung, in Form der Direktwerbung wird nur in Artikel 21 DSGVO – Widerspruchsrecht – verwendet.

„(2) Werden personenbezogene Daten verarbeitet, um Direktwerbung zu betreiben, so hat die betroffene Person das Recht, jederzeit Widerspruch gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten zum Zwecke derartiger Werbung einzulegen; dies gilt auch für das Profiling, soweit es mit solcher Direktwerbung in Verbindung steht.

(3) Widerspricht die betroffene Person der Verarbeitung für Zwecke der Direktwerbung, so werden die personenbezogenen Daten nicht mehr für diese Zwecke verarbeitet.“

Durch den Verweis in Artikel 21 Abs. 1 auf Artikel 6 Abs. 1 Buchstaben f DSGVO lässt sich ableiten, dass die maßgeblichen Regelungen zur Durchführung von (Direkt)Werbung dort zu finden sind. Nach Artikel 6 Abs. 1 Buchstaben f DSGVO muss die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sein. Zudem dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, nicht überwiegen.

Eine Werbemaßnahme liegt regelmäßig im berechtigten Interesse der Verantwortlichen, wenn dieses darauf gerichtet ist, die eigenen Produkte bekannt zu machen oder Waren und Dienstleistungen zu verkaufen. Erwägungsgrund 47 der DSGVO stellt daher hierzu fest:

„Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.“

Problematischer ist die Beantwortung der Frage, wann schutzwürdige Interessen der betroffenen Person überwiegen und damit einer Bewerbung entgegenstehen. Grundsätzlich ist dieses immer anzunehmen, wenn die betroffene Person von ihrem Widerspruchsrecht aus Art 21 DSGVO Gebrauch gemacht hat. Hierdurch hat sie eindeutig zu erkennen gegeben, dass eine (weitere) Nutzung ihrer personenbezogenen Daten für Zwecke der (Direkt)Werbung nicht mehr erfolgen soll.

Postalische Werbung

Die Datenverarbeitung für postalische Werbung steht gegenwärtig grundsätzlich unter dem Vorbehalt einer Einwilligung der betroffenen Person (§ 28 Abs. 3 BDSG). Nur bei bestimmten Daten, sogenannten Listen-Daten (z. B. Name, Anschrift, Geburtsjahr), entfällt für einzelne Konstellationen (z. B. Bewerbung von Bestandskunden, Adressvermietung im Rahmen des Lettershop-Verfahrens) das Einwilligungserfordernis.

Sowohl das Einwilligungserfordernis als auch die Privilegierung von Listen-Daten wird zugunsten der Interessenabwägung entfallen. Die bisherige Praxis bzw. die Regelungen des § 28 Abs. 3ff BDSG können als Abwägungskriterien herangezogen werden. So muss der Verantwortliche stets erkennbar sein. Bei einer Adressvermietung muss für die betroffene Person aus der Werbesendung erkennbar sein, woher die verarbeiteten Daten stammen. Wesentlich dürfte auch hier die Rückverfolgbarkeit der Datenweitergaben sein, sodass auch hier eine entsprechende Dokumentationspflicht für die vermietenden und mietenden Stellen bestehen bleiben dürfte.

E-Mail und Fax

Bei der Wahl dieser Kommunikationsmittel müssen die Aspekte des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG bei der Interessenabwägung herangezogen werden. Hat der potentielle Empfänger derartiger Werbung dieser nicht zugestimmt, wird über die Abwägung kaum eine Zulässigkeit erreicht werden können. Der rechtliche Rahmen des § 7 UWG wird auch unter der DSGVO erhalten bleiben und die datenschutzrechtliche Prüfung auch weiterhin bestimmen (Art. 95 DSGVO i.V.m. Art. 13 RL 2002/58/EG).

Dem Double-Opt-In Verfahren, welches bei der Anmeldung für einen Newsletter zum Einsatz kommt, dürfte im Rahmen der Abwägung einer besonderen Bedeutung zukommen. Dieses wird von der Rechtsprechung als verlässlichste Nachweismöglichkeit einer abgegebenen Einwilligung in den Empfang eines E-Mail-Newsletters angesehen. Kommt dieses oder ein ebenso taugliches Verfahren nicht zu Anwendung, werden die Interessen der betroffenen Person gegen eine entsprechende (Be)Werbung stets überwiegen. Zudem würde der Verantwortliche seiner Nachweispflicht aus Artikel 5 Abs. 2 DSGVO nicht nachkommen.

Telefonisch

Ebenso wie bei der Werbung mittels E-Mail und Fax wird das UWG (§ 7 Abs. 2 Nr. 2) bei der Interessenabwägung die wesentlichen Aspekte für oder gegen eine zulässige telefonische Bewerbung liefern. Während diese im Business-Bereich regelmäßig zulässig sein wird, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Anschlussinhaber eine entsprechende telefonische Kontaktaufnahme nicht wünscht, bedarf es bei einer Privatperson, wie bei der E-Mail-Bewerbung, der vorherigen expliziten Einwilligung. Hintergrund dessen ist der gesteigerte Schutzbedarf des Angerufenen. Dieser rechnet in seinem privaten Umfeld nicht mit entsprechenden Kontaktaufnahmen und ist dementsprechend hierauf kaum vorbereitet.

Widerspruchsrecht

Art 21 der EU-Datenschutzgrundverordnung spricht der betroffenen Person ein jederzeitiges unentgeltliches Widerspruchsrecht zu. Dieses Widerspruchsrecht gilt unabhängig von dem genutzten Werbeweg und hat maßgeblichen Einfluss auf die seinerseits getroffene Interessenabwägung: Der Widerspruch führt zu einem Überwiegen der Interessen der betroffenen Person und zu einem entsprechenden Verarbeitungsverbot hinsichtlich der personenbezogenen Daten (Art. 21 Abs. 3 DSGVO)

Für den Werbenden bedeutet dies, dass bei der Durchführung weiterer Werbemaßnahmen stets geprüft werden muss, ob Werbewidersprüche bestehen. Insoweit bleibt die bisherige Praxis, Back- oder Robinsonlisten zu führen, bestehen.

Damit die betroffene Person von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen kann, bedarf es umfangreicher, besonders strenger Hinweis- und Informationspflichten. Diese dürfen nicht versteckt mitgeteilt oder kompliziert bzw. unverständlich formuliert sein, sondern müssen, wie bereits gegenwärtig für die betroffene Person leicht erkennbar, verständlich und umsetzbar sein sowie ausdrücklich mit der Datenerhebung (Artikel 13 Abs. 2 Buchstabe b) und der ersten Kommunikation (Artikel 21 Abs. 4 DSGVO) erfolgen.

Dokumentationspflichten

Die Abhängigkeit der Zulässigkeit einer Werbemaßnahme von einer Interessenabwägung wird Gegenstand rechtlicher Klärungen sein. Betroffene Person und Verantwortlicher werden regelmäßig unterschiedlicher Auffassung zum Ergebnis der Interessenabwägung sein. Für den Verantwortlichen bedeutet dies eine Nachweispflicht, dass eine entsprechende Interessenabwägung stattgefunden hat, und welche Argumente für und gegen eine Bewerbung hierbei berücksichtigt wurden. Diese Abwägung muss für jede konkrete Werbemaßnahme vorgenommen und im Streitfall vorgelegt werden. Hieraus resultieren umfassende Dokumentationspflichten und eine enge Einbindung des Datenschutzbeauftragten in die Planung und Umsetzung der verschiedenen Werbemaßnahmen.

Geldbußen

Nach Artikel 83 Abs. 5a) DSGVO können bei unzulässigen Datenverarbeitungen zu Werbezwecken Geldbußen von bis zu 20 000 000 EUR oder im Fall eines Unternehmens von bis zu 4 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs verhängt werden.

Die bisherigen Bußgeldvorschriften sind demgegenüber vergleichsweise günstig:

  • Unzulässige telefonische Werbung: Hier ist nach § 20 Abs. 1 und 2 UWG eine Geldbuße bis zu dreihunderttausend Euro durch die Bundesnetzagentur möglich.
  • Unzulässige postalische Werbung: Nach § 43 Abs. 1 Nr. 3 BDSG kann bei einer fehlenden, falschen oder verspäteten Information über die Widerrufsrechte eine Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro verhängt werden.
  • Unzulässige E-Mail- oder Fax- Werbung: Die entsprechende Regelung findet sich zwar in § 7 UWG. Das Gesetz hält aber keine entsprechende Bußgeldvorschrift bereit. Ein Rückgriff auf die Regelung des § 43 Abs. 1 Nr. 3 BDSG erscheint nicht zielführend, da dieser sich nur auf Informationspflichten bezieht.

Fazit

Die Zulässigkeit von Werbemaßnahmen orientiert sich zukünftig im Wesentlichen  an einer allgemeinen Interessenabwägung. Die aktuellen Bestimmungen können hierbei als Abwägungskriterien hinzugezogen werden, ebenso die gegenwärtige Rechtsprechung. Bisherige Prozesse lassen sich daher sehr gut auch nach der DSGVO rechtfertigen. Insbesondere werden voraussichtlich die Regelungen zur E-Mail- und Telefonwerbung erhalten bleiben.

Die Verordnung bietet über bisherige Grenzen hinaus aber die Möglichkeit auch eine Ausweitung der Werbetätigkeit zu rechtfertigen.

Jedenfalls treffen den Verantwortlichen gesteigerte Dokumentationspflichten hinsichtlich der durchgeführten Abwägung und empfindliche Geldbußen bei rechtswidrigen Werbemaßnahmen. Dies macht eine enge Einbindung des Datenschutzbeauftragten unumgänglich.

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