Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gibt den betroffenen Personen die Möglichkeit Ihre Rechte (Art. 12 DSGVO ff.) geltend zu machen. Das wohl praxisrelevanteste Betroffenenrecht stellt das Recht auf Auskunft über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten nach Art. 15 DSGVO dar.

Hierzu hat sich nun die 3. Zivilkammer des LG München I in seinem Urteil vom 06.04.2019 (3 O 909/19) geäußert. Der Rechtsstreit am LG München I zeigt wieder einmal, dass der Datenschutz und die miteinhergehenden Betroffenenrechte auch in anderen Rechtsgebieten an Präsenz gewinnen. Vordergründig ging es am LG München I um eine potentielle Falschberatung im Rahmen von Finanzanlagen. Aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten interessant, hat sich das Gericht auch zum Inhalt und Umfang des Auskunftsrechts nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO geäußert. Der Art. 15 Abs. 3 DSGVO verpflichtet zunächst den datenschutzrechtlich Verantwortlichen i.S.v. Art. 4 Nr.7 DSGVO, betroffenen Personen auf deren Antrag hin eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen.

Hierbei stellte sich das Gericht die Frage: Wie weit geht der Anspruch, was umfasst dieser und fallen auch Telefonnotizen, Aktenvermerke und ähnliche Aufzeichnungen über die Korrespondenz darunter?

In dem Rechtsstreit begehrte die Klägerin von der Beklagten – ihrer Finanzberaterin – Schadensersatz. Gestützt hatte die Klägerin Ihren Anspruch auf die fehlerhafte Aufklärung der Beklagten und machte in diesem Zusammenhang auch einen Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO geltend. Die Klägerin begehrte die Aushändigung von Kopien aller personenbezogenen Daten, insbesondere in Form von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Protokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen.

Zwar wurde der unbegründete Schadensersatz zurückgewiesen, das Gericht gab der Klägerin jedoch hinsichtlich des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO bezüglich der Kopien der personenbezogenen Daten, welche sich im Besitz der Beklagten befinden, statt und verurteilte die Beklagte alle Kopien auszuhändigen.

Hierbei verkennt das Gericht nicht, dass der Auskunftsumfang der Art. 15 Abs. 3 DSGVO in der Rechtsprechung und der Literatur hoch umstritten ist, folgt aber der extensiven Auslegung des Art. 15 Abs. 3 DSGVO.

Exkurs

Der extensiven Ansicht nach, stellt der Art. 15 Abs. 3 DSGVO einen eigenständigen Anspruch auf Herausgabe einer Kopie der personenbezogenen Daten dar. Hierbei wird vertreten, dass der Verantwortliche verpflichtet ist dem Betroffenen alle vorhanden personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung waren, als Kopie zur Verfügung zu stellen (u.a. LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.12.2018 – 17 Sa 11/18) oder OLG Köln (Urteil vom 26.07.2019 – Az. 20 U 75/18)).

Die restriktive Gegenansicht sieht den Art. 15 Abs. 3 DSGVO lediglich als einen Auswuchs einer besonderen Form des grundsätzlichen Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO, welcher vom Inhalt und Umfang nicht weitergehen dürfe (u.a. BayLDA im 8. Tätigkeitsbericht 2017/18).

Das Gericht führte hierzu aus:

„[…] Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO [kann] nur so verstanden werden, dass unter die Vorschrift sowohl persönliche Informationen wie Identifikationsmerkmale (z.B. Name, Anschrift und Geburtsdatum), äußere Merkmale (wie Geschlecht, Augenfarbe, Größe und Gewicht) oder innere Zustände (z.B. Meinungen, Motive, Wünsche, Überzeugungen und Werturteile) fallen als auch sachliche Informationen wie etwa Vermögens- und Eigentumsverhältnisse, Kommunikations- und Vertragsbeziehungen und alle sonstiger Beziehungen der betroffenen Person zu Dritten und ihrer Umwelt. Auch solche Aussagen, die eine subjektive und/oder objektive Einschätzung zu einer identifizierten oder identifizierbaren Person liefern, weisen einen Personenbezug auf […].

 Soweit die Beklagte den Begriff der personenbezogenen Daten auf die bereits mitgeteilten Stammdaten begrenzt sehen möchte und meint, eine weitergehende Pflicht zur Auskunft über vorhandene Vermerke Telefonaten und sonstigen Gesprächen bestehe nicht, ist ein entsprechendes Verständnis mit dem der DSGVO zugrundeliegenden weit gefassten Datenbegriff nicht in Einklang zu bringen. Für eine solche Einschränkung bieten weder der Wortlaut noch der Telos einen Anhaltspunkt. Art. 15 DSGVO bildet zusammen mit Art. 13 und Art. 14 DSGVO einen ganz wesentlichen Bestandteil der Betroffenenrechte, indem sie diesen ein Höchstmaß an Transparenz vermittelt und eine Rechtmäßigkeitskontrolle ermöglicht. Diese Bedeutung hat der europäische Normgeber in Erwägungsgrund 63 deutlich zum Ausdruck gebracht:

„Eine betroffene Person sollte ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht problemlos und in angemessenen Abständen wahrnehmen können, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. […]“

Das Gericht wird sogar deutlicher:

„Vor dem Hintergrund, dass es durch die Entwicklung der Informationstechnologie mit ihren umfassenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten keine belanglosen Daten mehr gibt (so bereits BVerfG, Urteil vom 15.12.1983, Az. 1 BvR 209/83 – zitiert nach juris), kann Art. 15 DSGVO die vorgesehenen Betroffenenrechte nur dann gewährleisten, wenn eine entsprechend weite Auslegung erfolgt. Soweit damit in Gesprächsvermerken oder Telefonnotizen Aussagen der Klägerin oder Aussagen über die Klägerin festgehalten sind, handelt es sich hierbei ohne weiteres um personenbezogene Daten, welche zu beauskunften sind und über welche der Klägerin eine Kopie zur Verfügung zu stellen ist.“

Fazit

Natürlich bringt auch diese Entscheidung des LG München I keine Ruhe und Rechtssicherheit in einen sehr kontrovers diskutierten Themenbereich. Jedoch könnte diese Entscheidung und auch die des OLG Köln (s.o.) eine vorsichtige Tendenz erkennen lassen, dass Unternehmen bei einem Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO vermehrt mit einer weitreichenden Ausgestaltung rechnen sollten. Auch wenn die extensive Auslegung des Auskunftsrechts nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO die Unternehmen einseitig und übermäßig anstrengen dürfte, wäre das datenschutzrechtlich sicherste Vorgehen eine eher umfassende Auskunftserteilung. Zumindest bis sich eine gefestigte entgegenstehende Rechtmeinung gebildet hat.