Wir haben uns in der Vergangenheit immer wieder in unserem Blog mit dem Recht auf Löschung aus Art. 17 DSGVO auseinandergesetzt – zuletzt hier. Art. 17 DSGVO ermöglicht es betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen, personenbezogene Daten durch den Verantwortlichen löschen zu lassen. Sofern einer der in Art. 17 DSGVO genannten Gründe vorliegt, hat der Verantwortliche, nach Prüfung, unverzüglich zu löschen. Dass eine Geltendmachung eines solchen Betroffenenrechts nicht immer zum gewünschten Ergebnis führt, zumindest auf Seiten der betroffenen Person, zeigt der BGH in seinem aktuellen Urteil vom 15.02.2022, Az.: VI ZR 692/20 (Jameda).

Das Urteil

Die Klägerin, eine Ärztin, wendete sich hier in dritter Instanz gegen ein Urteil des OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, 9. April 2020, Az.: 16 U 218/18). Die Beklagte betreibt das Ärzte-Bewertungsportal „Jameda“. Hier können Patientinnen und Patienten unter anderem Informationen zu Ärzten aufrufen, mit diesen Kontakt aufnehmen und diese bewerten. Jameda legt dabei für Ärztinnen und Ärzte, die noch nicht in der Datenbank gelistet sind, selbstständig Profile an. Eine Einwilligung der Mediziner wird nicht eingeholt. Im Profil werden die Basisdaten der Ärztinnen und Ärzte wie Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, -standorte und die Kontaktdaten veröffentlicht. Ärzte können kostenpflichtig ein Premium-Paket hinzubuchen. Nutzer des Portals können auf dem Profil der Mediziner mittels Noten oder innerhalb eines Freitextkommentarfelds bewerten. Aufgrund eines negativen Kommentars, der die Ärztin als „arrogant, unfreundlich, unprofessionell“ bewertete, wendete sich diese mit der Bitte um Löschung der Bewertung und ihres Profils an Jameda. Dem ist Jameda nicht nachgekommen. Gegen die Nicht-Löschung hat sich die Ärztin mit ihrer Revision gewandt. Diese blieb vor dem BGH erfolglos.

Datenschutzrechtliche Einordnung

Auch bei den oben beschriebenen Daten befinden wir uns im Datenschutzrecht, da es sich zwar um dienstliche Daten handelt, diese jedoch gem. Art. 4 Nr. 1 DSGVO unstreitig einen Personenbezug im Sinne des Datenschutzes aufweisen. Auf eine Löschung gem. Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO habe die Ärztin laut BGH keinen Anspruch, da hier keine unrechtmäßige Verarbeitung vorliege. Generell gilt im Datenschutzrecht, dass eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten nur dann erfolgen darf, wenn der Verarbeitende eine entsprechende Rechtgrundlage für die Verarbeitung hat. Der BGH nimmt hier Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO als taugliche Rechtsgrundlage an. Dies setzt in diesem Fall voraus, dass Jameda ein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung hat, die Verarbeitung der Daten erforderlich zur Zweckerreichung ist und dass die Interessen der Ärztin an der Nicht-Verarbeitung nicht die Interessen von Jameda überwiegen. Interessant ist hier insbesondere die Abwägung, die der BGH zwischen den Rechten der Beteiligten vorgenommen hat.

Bestehen eines berechtigten Interesses

Der BGH sieht unter anderem als berechtigtes Interesse von Jameda und der Nutzer dieses Portals die Möglichkeit an, „geordneten Überblick darüber [zu erhalten], von wem und wo welche ärztlichen Leistungen angeboten werden. Mit der Sammlung, Speicherung und Weitergabe der Bewertungen vermittelt sie der das Portal nutzenden Öffentlichkeit darüber hinaus einen Einblick in persönliche Erfahrungen und subjektive Einschätzungen von Patienten des jeweiligen Arztes, die der jeweilige Leser […] bei seiner eigenen Arztwahl berücksichtigen kann.“

Erforderlichkeit

Auch sieht der BGH die Auflistung der oben genannten personenbezogenen Daten im Profil der Ärztin als erforderlich an. Begründet wird dies mit dem Erfordernis, dass ein solches Portal möglichst vollständig alle Ärzt:innen erfassen müsse, um seinen Zweck erfüllen zu können. So führt er aus:

„Denn ohne deren hinreichende Identifizierbarkeit wäre ein solches Portal weder in der Lage, den Portalnutzern einen Überblick über die für sie und ihr Leiden infrage kommenden Ärzte zu verschaffen, noch, diese von den Nutzern des Portals bewerten zu lassen.“

Interessenabwägung

Hinsichtlich der gegenteiligen Interessen der Klägerin sieht der BGH ein Überwiegen der Interessen des Vergleichsportals. So führt er zwar aus, dass zugunsten der Ärztin neben ihrem Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten gem. Art. 8 Grundrechtscharta (GRCh) auch „die nicht unerheblichen Gefahren für ihren sozialen und beruflichen Geltungsanspruch (Art. 7 GRCh) sowie den wirtschaftlichen Erfolg ihrer selbständigen Tätigkeit (Art. 16 GRCh) zu berücksichtigen [seien], die ihre Aufnahme in das von der Beklagten betriebene Portal und die damit verbundene Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten mit sich bringen kann.“ So seien die Bewertungen dazu geeignet, den Wettbewerb zu beeinflussen und im Falle von negativen Bewertungen sogar die Existenz zu gefährden. Auch eine missbräuchliche Nutzung bezieht das Gericht in die Abwägung ein, wohingegen die betroffenen Personen hier nicht schutzlos ausgeliefert seien.

Geschützte Interessen des Portals seien hier neben dem Eigeninteresse am Betreiben eines solchen Portals, das erhebliche Interesse der Öffentlichkeit an den Informationen und Möglichkeiten, die ein solches Vergleichs- und Bewertungsportal biete. So führt der BGH hierzu aus:

„Das Portal der Beklagten kann dazu beitragen, dem Patienten bei der Ausübung der Arztwahl die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, und ist grundsätzlich geeignet, zu mehr Leistungstransparenz im Gesundheitswesen beizutragen. Diesen Zweck kann es – entgegen der Ansicht der Revision – allenfalls noch eingeschränkt erfüllen, wenn es von der Zustimmung der bewerteten Ärzte abhängig wäre, die – etwa im Fall einer schwächeren Bewertung – zurückgenommen werden könnte.“ 

Darüber hinaus führt der BGH im Rahmen der Abwägung auch zur Frage aus, ob die Betreiberin des Portals als „neutrale Informationsmittlerin“ agiert. Jameda wäre keine neutrale Informationsmittlerin, wenn sie beispielsweise die Informationen von zahlenden Ärztinnen und Ärzten anders gewichten würde als von nicht Zahlenden.

„Demgegenüber ist hier maßgeblich, welche konkreten Vorteile die Beklagte zahlenden gegenüber nichtzahlenden Ärzten gewährt und ob die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung in einer Gesamtschau mit allen anderen Umständen des konkreten Einzelfalls dazu führt, dass die Interessen des gegen seinen Willen in das Portal aufgenommenen Arztes die berechtigten Interessen der beklagten Portalbetreiberin und vor allem der Portalnutzer überwiegen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Beklagte als Betreiberin des Portals (nur) die Basis-Profile nichtzahlender Ärzte als Werbeplattform für unmittelbar konkurrierende zahlende Ärzte nutzt, um potentielle Patienten von den nichtzahlenden zu den zahlenden Ärzten zu lenken und dadurch nur mit ihren Basisdaten aufgenommene Ärzte gezielt dazu zu bewegen, sich der Gruppe der zahlenden Ärzte anzuschließen.“

Laut Gericht besteht daher im Hinblick auf die Premium-Profile und Profile, die lediglich die Basisdaten enthalten, kein allgemeines Gleichbehandlungsgebot, da „die Nachteile eines Basis-Profils gegenüber einem Premium-Profil [] nicht so gewichtig [seien], als dass sie im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu einem Überwiegen der Interessen der [betroffenen Ärztin] führen würden.“

Auswirkungen auf die Praxis

Die Gerichte haben sich in den letzten Jahren immer häufiger mit Löschbegehren beschäftigen müssen, die auf eine Löschung von Bewertungen in Vergleichsportalen abzielen. Diese höchstrichterliche Entscheidung zeigt, dass dem Anspruch auf Löschung durchaus auch in diesem Bereich häufig Grenzen gesetzt werden. Mit der Frage, ob eine Ungleichbehandlung von Ärzt:innen auf einem Vergleichsportal, die nicht für ihr Profil zahlen, immer zu einer Unzulässigkeit der Verarbeitung führt, hat sich der BGH auch in folgender Entscheidung befasst (BGH, Urteil vom 15.02.2022, Az.: VI ZR 489/19). Die Vielzahl der Entscheidungen zeigt, dass ein Löschbegehren immer individuell zu prüfen ist.