Auch am Dienstag standen auf der diesjährigen re:publica in Berlin wieder viele interessante Vorträge, Workshops und Diskussionsrunden an. Das bekanntermaßen weite Themenspektrum an diesem Tage umfasste sowohl politische Themen wie das „bedingungslose Grundeinkommen“ als auch die neuesten Entwicklungen in der Werbung, im Kommunikationsverhalten von Großunternehmen und auch im Datenschutzrecht.

Ein für die Datenschützer immer aktuelles Thema ist die Werbung im Internet. Der Vortrag „Tracking und Targeting: Einblicke in die Gegenwart und Zukunft der Online-Werbung“ von Erik Sy, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Hamburg und Koordinator des Forschungsprojekts AppPETS, nahm diesen Ball auf.

Der Forscher erklärte hierbei zunächst die einzelnen Tracking-Methoden, wie das Browser Fingerprinting im Web und geräteübergreifende Tracking, das anhand von Nutzerkonten oder charakteristischen Merkmalen die Geräte zusammenführt. Ein Experiment mit 3000 Nutzern habe gezeigt, dass sich durch Auswertung des Nutzerverhaltens von zwei Tagen im Internet bereits eine Trefferquote von 85 Prozent ergäbe.

Auch neue Modelle des Offline-Trackings wie auch Google Conversion-Tracking (mit Zielvorhaben) beim Besuch im Ladengeschäft wurden kurz angesprochen.

Chatbots als Helfer des Kommunikators?

Zu den derzeitigen Trends zählen auch Chatbots und die künstliche Intelligenz bei der Steuerung der Unternehmenskommunikation.

Unter dem Titel „Chatbots- des Kommunikators digitale Helferlein?!“ stellten Lena Raschke, Stephanie Tönjes und Philipp Schindera aus der Kommunikationsabteilung der Deutschen Telekom ihre aktuellen Pläne vor. Dabei zeigten die Redner die Entwicklung der Kommunikation von der klassischen Pressearbeit bis zur heutigen Präsenz auf rund 20 Kanälen – vom unternehmenseigenem Blog bis hin zu facebook, twitter und WhatsApp. Aber wie sieht die Zukunft aus? Nach Vorstellungen von Philipp Schindera könnten bald standardisierte und sehr einfache bzw. wiederkehrende Fragen (z.B. nach dem Netzausbau) durch einen Chatbot bearbeitet werden. Dies könnte automatisiert und rund um die Uhr erfolgen, was die Arbeit im direkten Kundensupport deutlich erleichtern würde.

Der dem Publikum vorgestellte Chatbot, an dem das Unternehmen seit einiger Zeit arbeitet, sieht indes diese Funktionen noch nicht vor. Zu sehen war allein ein personalisierter Newsbot mit Auswahlmöglichkeiten, bunten Gif-Animationen und vermeintlich humorvollen Antworten. Eine sachgerechte Kommunikation, vor allem die Abwicklung von Kundenbelangen, wäre damit jedoch nicht denkbar. „Es wird am Ende des Tages nicht den Pressesprecher bzw. Kommunikator ersetzen“ lautete das Feedback des Sprechers.

Die datenschutzrechtliche Bedenken bei Chatbots würden gesehen werden. Konkrete Antworten auf Fragen zum Datenschutz bei all diesen Kommunikationsmitteln, insbesondere bei der Abwicklung von Kundenanfragen über Facebook Chatbots, blieben die drei Sprecher jedoch schuldig. Hierzu kam allein der fragwürdige Einwand: „Auch dies ist nur ein freiwilliges Angebot“. So könne der Kunde weiterhin in einen der 700 Stores gehen.

Digitaler Wandel und Startguthaben?

Für viel Aufmerksamkeit sorgte der großangekündigte Besuch der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles(SPD). Bereits im vergangenen Jahr sprach Andrea Nahles auf der re:publicaTEN über ihr Konzept „Arbeiten 4.0“. Nun stellte sich die Ministerin der politischen Diskussion mit dem äußerst kritischen Publikum zum Thema „bedingungsloses Grundeinkommen“. Doch zunächst machte sie deutlich, warum ein bedingungsloses Grundeinkommen ihrer Ansicht nach gar nicht in der Gesellschaft funktionieren würde. Eine solche „Sozial-Flatrate“ lehne sie eindeutig ab.

Vielmehr präsentierte Andrea Nahles ein ganz neues Konzept: Jeder Bürger erhielte danach zum 18. Geburtstag eine Art „Startguthaben“, das sich an dem Bildungsstand des Betroffenen orientiere. Dabei handele es sich um steuerfinanziertes Geld, das der Einzelne für die persönliche Weiterbildung/Qualifikation, den Sprung in die Selbstständigkeit oder auch ein ehrenamtliches Engagement nutzen könne. „Das wäre ein System, dass keine Sozialleistungen ersetzt, sondern als Erweiterung sogar tatsächlich machbar wäre“, so die Ministerin. Ihr nach wäre ein solcher Plan innerhalb von 4-5 Jahren zu etablieren und würde den Arbeitsmarkt revolutionieren.

Die DSGVO verbietet alles – wirklich?

Gegen Mittag folgte dann ein Vortrag zu den gravierenden Folgen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) von Christopf Kucklick, dem Chefredakteure von GEO. Nicht weniger als die Entmündigung des europäischen Bürgers würde daraus resultieren. Doch viel zu wenig würden die Folgen dieses Gesetzes für die Menschen diskutiert werden. „Wir stehen vor einem grundlegenden Umbruch der Kommunikation innerhalb Europas“, meinte der Journalist. So habe jeder Bürger nach der DSGVO dieselben Pflichten wie die Unternehmen, da nicht zwischen einem Unternehmen, einem Künstler und einem einfachen Bürger differenziert wäre. Zudem laufe das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt im Datenschutz dem Grundgedanken der Meinungsfreiheit („erlaubt, solange nicht verboten“) zuwider.

Und so gab er ein Beispiel vor: Wer auf einer fiktiven re:publica im Juni 2018 ein Foto oder ein Hashtag zu einem beliebigen Vortrag twittern oder bloggen würde, würde eine unzulässige Datenverarbeitung vornehmen. Es wäre ein Verstoß gegen den Datenschutz mangels Einwilligung des Vortragenden. Ebenso könnte jeder Teilnehmer die Löschung dieser Daten begehren und man müsse sogar mit Bußgeld rechnen.  Sogar das retweeten bedürfe der Erlaubnis des Betroffenen. Im Ergebnis wäre die Berichterstattung und das digitale Leben dramatisch eingegrenzt.

Es war keine Überraschung, dass die anschließende Diskussion über die Erwägungsgründe der DSGVO, Definitionen der Begrifflichkeiten („persönliche Informationen“) und verschiedene Tatbestandsvoraussetzungen der Verordnung hitzig wurde. So meldete sich sofort der wissenschaftliche Mitarbeiter von Jan Philipp Albrecht zu Wort: „Ich habe noch nie in elf Jahren so viel Schwachsinn auf einer republica gehört“.  Andere Stimmen aus dem Publikum zeugten ebenso von Zweifeln an den Worten des Redners. Mit der Interpretation der zukünftigen Rechtslage im Datenschutzrecht blieb der Redner daher ziemlich alleine.

Datenkunde mal anders: Datenverarbeitung in der Realität

Andreas Weigend, Autor des Buchs „Data for the people“, stellte in seinem Vortrag den vielfältigen Katalog an personenbezogenen Daten vor, der sich tagtäglich ansammelt. Was für Daten werden tagtäglich erhoben und welche Erkenntnisse und Informationen lassen sich daraus über den Einzelnen gewinnen?

So würde eine Forschungsgruppe vom MIT beispielsweise das Abwasser untersuchen und so berechnen können, wie viele betroffene Menschen an bestimmten Krankheiten litten. In China würden in jedem Hotel die Türschlösser mit Chipkarte von der Polizei ausgegeben, die in Realtime jeden Zugang landesweit protokolliere. Der feststellbare Wasserverbrauch, Stromverbrauch, das eigene Verhalten, aber auch digitale Assistenten (Amazon Echo) und viele, viele unzählige Mechanismen innerhalb der Gesellschaft ließen automatisch unzählige Daten entstehen. Und so forderte Herr Weigand unter anderem das Recht auf Transparenz. Die Unternehmen sollten deshalb dem Einzelnen effiziente Werkzeuge an die Hand geben, die die Kontrolle und das Löschen der Daten erlauben. Hierbei verwies er mit lobenden Worten auf das Google Dashboard.

Das Thema Nr. 1 innerhalb der Netzpolitik

Am späten Nachmittag brachte Markus Reuter, unter anderem Redakteur von netzpolitik.org, in seinem Talk noch einmal scharfe kritische Worte zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) an den Zuhörer. Unter anderem bemängelte er die schwammigen Definitionen des geplanten Gesetzes und die daraus entstehenden Konsequenzen wie die Einführung von Inhalte-Filtern und überzogene zivilrechtliche Auskunftsansprüche.