Die re:publica ist wieder da! Unter dem diesjährigen Motto „Love out loud!“ präsentiert sich die dreitägige Veranstaltung in der mittlerweile 11. Ausgabe. Aus diesem Grund werden vom 8. – 10. Mai wieder mal viele tausend Teilnehmer und Netzaktivisten im ehemaligen Bahnhof „Station“ in Berlin angelockt. Zeitgleich findet am selben Ort die MEDIA CONVENTION Berlin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) statt. Dem Besucher bietet sich ein volles Programm.
Die Themen der beliebten Konferenz sind wie jedes Jahr breitgefächert und reichen vom „Leben in der digitalen Gesellschaft“, aktuell heiß diskutierten Fragen zur künstlichen Intelligenz und Netzpolitik bis hin zum Datenschutz. Vorgestellte Trends der IT-Szene, VR-Brillen, hippe Spielstätten und viele lebensfrohe Aktionen runden das Programm ab und machen deutlich, warum die re:publica seit Jahren ein ganz besonderes Zusammenkommen darstellt. Insgesamt sind Diskussionsrunden, Workshops und Vorträge mit über 1000 Rednern in den alten Bahnhofshallen geplant. Zu den bekanntesten Rednern zählen unter anderen der regierende Bürgermeister von Berlin Michael Müller (SPD), die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), der Netzaktivist Sascha Lobo und Jan Philipp Albrecht (die GRÜNEN), aber auch der Schachgroßmeister Garry Kasparow.
die datenschutz-notizen sind vor Ort auf dem Event in Berlin und berichten insbesondere über die datenschutzrechtlichen Vorträge und Diskussionsrunden.
Eröffnungsfeier
Gegen 10:40 Uhr sollte es endlich losgehen! Und so startete auf der Hauptbühne die offizielle Eröffnung mit Willkommensreden von Tanja und Johnny Haeusler, Co-Founder der re:publica, Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitik.org und abschließend Andreas Gebhard.
Alle Vier zeigten sich sichtlich erfreut über die rege Beteiligung der vielen Sprecher und vielen freiwilligen Helfern, sprachen aber auch mahnende Worte aus. So räumte Tanja Haeusler gleich zu Beginn ein, dass alle Beteiligten und Gründer der re:publica „mittlerweile erwachsen geworden seien“ im Laufe der Zeit. Doch zeigte sie sich weiterhin kämpferisch wie zu früheren Tagen und gab gleich ein erstes Statement der Veranstaltung ab: „Die Welt wollen wir immer noch nicht den Arschlöchern überlassen. [..]lets love out loud!“
Johnny Haeusler, ebenfalls Aktivist aus der erste Stunde der re:publica, bescheinigte der Konferenz und Idee dahinter immer noch die nötige Realitätsnähe. Sie sei ein „Aufruf zur digitalen Zivilcourage“ und daher aktuell wie eh und je. Man solle auch in der heutigen Zeit nicht immer nur weiterscrollen und wegklicken, sondern die Vielfalt des Netzes schützen und dabei Verantwortung übernehmen.
Markus Beckedahl stellte kurz darauf zunächst ein paar Statistiken vor. Insgesamt seien 1118 Sprecher, darunter rund 47 Prozent Frauen, zu verzeichnen. Trotz dieser positiven Entwicklung erinnerte er allerdings an die weltweit 317 Journalisten, die sich im Gefängnis befänden. Wir müssen Solidarität mit diesen zeigen und uns alle für die Kommunikation- und Pressefreiheit einsetzen, wie Bekendahl mit Nachdruck erklärte. Die Presse- und Kommunikationsfreiheit wären durch aktuell geplante Gesetzesänderungen bedroht.
Im Anschluss verwies Andreas Gebhard in seiner kurzen Ansprache noch auf die gestrige Frankreichwahl und das besondere Datum des 8. Mai 1945.
Nur wenige Momente später folgte die Eröffnung der MEDIA CONVENTION Berlin durch die kurzen Ansprachen von Helge Jürgens, Geschäftsführer der Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH und Dr. Anja Zimmer, die Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). Beide lobten die Zusammenarbeit und hoben den Berliner Standort als Treffpunkt der nationalen und internationalen Digitalgesellschaft hervor. Dr. Anja Zimmer mahnte darüber hinaus die Bedeutung der neuen Medien in der Gesellschaft an und warten in diesem Zusammenhang vor einer Instrumentalisierung.
Danach hielt der regierende Berliner Bürgermeister Michael Müller (SPD) eine kurze Rede. So machte er deutlich, dass die Presse- und Meinungsfreiheit keine Selbstverständlichkeit sei, sondern man vielmehr für diese kämpfen müsse. Nicht nur im Ausland, sondern auch hierzulande sei es das Ziel, diese Grundrechte und den Qualitätsjournalismus zu schützen. Interessanterweise verwies er vor diesem Fakt auf die anstehende Bundestagswahl im September dieses Jahres. Diese werde ein Testfall sein rund um Fakenews und Lügenpresse.
Die Lobby-Arbeit um das Webtracking
Am Mittag des ersten Tages stand unter der Überschrift „Lobby-Schlacht um Brüssel: Ende mit Tracken oder Tracken ohne Ende?“ ein Vortrag zur aktuellen Gesetzesentwicklung der ePrivacy Novelle an. Der vortragende Ingo Dachwitz, Redakteur von netzpolitik.org zeichnete dabei den aktuellen Stand der Gesetzesentwicklung zur ePrivacy Verordnung auf, die wie kaum eine andere Regelung von erheblicher Bedeutung für die Werbung und das Webtracking im Internet ist. Der Umstand, dass die europäische Kommission anders als bei der Vorgänger-Regelung (die „Cookie-Richtlinie“) den Regelungskatalog auf die Höhe einer Verordnung hievt und ferner zahlreiche neue und praxisgerechte Aspekte zu berücksichtigen versucht, kann als eine Chance zum besseren Datenschutz im Internet gesehen werden. Doch oder gerade deshalb findet in Brüssel eine „Lobby-Schlacht“ statt, bei der sich insbesondere die großen IT-Unternehmen stark beteiligen.
Zu Beginn des Vortrages erwähnte Ingo Dachwitz einige europäische Statistiken, wonach 90 Prozent der eine Million meistbesuchten Internetseiten Informationen an Dritte weitergeben würden (Studie Libert, 2015). Dabei entwickeln die Tracking-Unternehmen und Agenturen immer neue Methoden, wie z.B. das Browser fingerprinting (Computer Informationen) und Offline-Tracking im Ladengeschäft. Dies erlaube es, das Einkaufsverhalten des Einzelnen zu analysieren und diese Daten auch weiterzuverkaufen. Immer verrücktere Technoligen würden auf den Markt kommen: Von sprechenden Barbie-Puppen, intelligenten Zahnbürsten bis hin zum möglicherweise bald erscheinenden „Smart-Kondomen?“. Das Internet der Dinge aber auch smarte Assistenz-Geräte (Amazon Alexa) nehmen zu.
Sodann zog er einen Vergleich der ePrivacy Verordnung mit der ePrivacy Richtlinie, die jedoch – was im Vortrag nicht deutlich wurde – hierzulande nie konkret umgesetzt wurde. Positiv erwähnt wurden die Neuerungen, die aller Voraussicht nach durch die ePrivacy Verordnung eingeführt werden: So werden die OTT-Dienste („over the top“-Dienste) wie WhatsApp, Skype und Co., die sich nicht unter dem klassischen Begriff des Telekommunikationsanbieter subsumieren lassen, neuerdings von den ePrivacy-Regelungen erfasst. Durch die höheren Bußgelder im Verweis auf die DSGVO wäre die Aufsicht der Behörden gestärkt.
Im weiteren Verlauf des Vortrages versuchte Ingo Dachwitz 10 Kritikpunkte / Fakten zur ePrivacy Regelung zu präsentieren, was jedoch aus Gründen des Zeitmangels fast unterging. Leider verzichtete der Vortragende dabei auf die spannenden Fragen zu den konkreten Anforderungen an die (elektronische) Einwilligung des Nutzers, worüber sich die Datenschützer wohl noch längere Zeit streiten werden.
Es kann letztlich nur darüber spekuliert werden, wie das Tracking künftig geregelt sein wird. Auch wir haben schon einen ersten Blick in die Glaskugel geworfen.
Europäischer Datenschutz in der Praxis
Am späten Nachmittag gab es ein erstes Highlight aus datenschutzrechtlicher Sicht. Unter dem Titel „Datenschatz vs. Datenschutz“ diskutierten der für den gesetzgeberischen Prozess bei der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) maßgeblich mitverantwortliche GRÜNEN-Politiker im europäischen Parlament, Jan Philipp Albrecht, und Susanne Dehmel, Mitglied der Geschäftsleitung des Branchenverbands Bitkom e.V. über den Status Quo im Datenschutz. In der einstündigen Runde war der Fokus auf die Praxistauglichkeit der DSGVO und der baldigen ePrivacy Verordnung gerichtet – einmal aus Sicht des beteiligten Politikers und einmal aus der Sicht der Branchenvertretung. Moderiert wurde die Veranstaltung von Ingo Dachwitz.
Gleich zu Beginn wurden die sich offenkundig kollidierenden Positionen zur Datenökonomie und wirtschaftlichen Verwertbarkeit bzw. Nutzung von Daten deutlich.
Jan Philipp Albrecht konstatierte, dass der Datenschutz eine solche Datenerhebung (aus wirtschaftlichen Gründen wie der Werbung) grundsätzlich nicht verbiete, sondern nur die nötigen Voraussetzungen (z.B. anhand der Einwilligung des Betroffenen) hierfür schaffe.
Susanne Dehmel von der Bitkom e.V. wünschte sich hingegen lieber eine Regulierung der Datenverarbeitung (das „wie“) statt eines grundsätzlichen Verbotes („ob“). Des Weiteren bemängelte sie die Langwierigkeit des Gesetzgebungsverfahrens. Die technische Entwicklung sei zumeist schneller als der Gesetzgeber und spiegele sich nur ungenügend in den Gesetzen wider. Trotz alledem sei auch „Big Data“ im Rahmen der DSGVO möglich. Die Verordnung müsse hierfür jedoch „technologieoffen“ ausgelegt werden. Es komme also auf eine praxisgerechte Auslegung und Anwendung der Vorschriften an.
Skeptisch zeigte sich Susanne Dehmel allerdings im Hinblick auf die ePrivacy Verordnung – angesichts der daraus entstehenden Kosten. Insbesondere Start-Ups und dem Mittelstand entstünde hierdurch sehr viel Aufwand bei der Umsetzung. Und das verschärfe sich sogar darüber hinaus noch durch die neuen Bußgelder, aber auch die neuen Grundsätze wie das „privacy by design“ und die noch vollkommen unbekannte Datenkompatibilität.
Jan Philipp Albrecht konterte: Ihm hätten mittlerweile viele Unternehmen signalisiert, dass sie den Schutzstandard der DSGVO akzeptieren und auch außerhalb der Euro-Zone, global anwenden möchten. Der naheliegende Investitionsaufwand bei der Umsetzung und Einstellung auf die neuen datenschutzrechtlichen Vorgaben der EU könnte dann einen Wettbewerbsvorteil am Standort Europa begründen. Unternehmen wie Microsoft sind beispielsweise schon dazu übergegangen, Server in Deutschland aufzustellen.
Uneinheitlich bewerteten beide Sprecher auch die Gründe der ePrivacy Novelle. Jan Philipp Albrecht begrüßte diese speziellen und strengeren Regelungen für Telekommunikationsanbieter, die der DSGVO in vielen Teilen vorgingen. Insgesamt sei die ePrivacy von deutlich mehr Verbraucherschutz, beispielsweise bei der Werbung im Internet und den Betroffenenrechten geprägt.
Die Vertreterin der Bitkom e.V. übte hingegen deutliche Kritik an der ePrivacy Regelung. Die sich teils überlappenden und widersprechenden Verordnungen (z.B. bei der Einwilligung) würden zu mehr Rechtsunsicherheit, aber nicht zum besseren Datenschutz des Einzelnen führen. Die DSGVO hätte gereicht. Abschließend forderte sie mehr Klarheit für die Unternehmen im Hinblick auf die konkrete und praxistaugliche Umsetzung.
Nach der anschließenden Fragerunde durch das Publikum, die ein wenig unter dem Zeitdruck litt, sollten Jan Philipp Albrecht und Susanne Dehmel noch eine kurze Antwort geben, ob und inwiefern die ePrivacy Verordnung überhaupt zum Start der DSGVO (25. Mai 2018) in der Endfassung veröffentlicht worden und umgesetzt sei. Trotz naheliegender Schwierigkeiten zeigten sich Beide – mit einem gewissen Lächeln im Gesicht – positiv gestimmt.
Und so langsam neigte sich der erste Tag dem Ende entgegen. Viele Teilnehmer und Gäste trafen sich an dem einen oder anderen Stand oder auf der anschließenden Party.