Hohe Krankenstände können in Unternehmen erheblichen Personalplanungs- und Personalkostenaufwand verursachen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass Unternehmen nach Lösungen suchen, um Krankenstände zu monitoren und möglichst niedrig zu halten. Auf der anderen Seite handelt es sich bei dem Datum „Krankheit“ um ein Gesundheitsdatum, das im Beschäftigungskontext für die betroffenen Beschäftigten einen hohen Stellenwert aufweist. Immerhin können hohe Krankenzahlen erhebliche negative Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis haben und zur Kündigung führen.

Bei dem Versuch, die dargestellten gegensätzlichen Interessen von Unternehmen und Beschäftigten in Einklang zu bringen, werden mitunter interessante Vorgehensweise ausprobiert. Eine davon ist die Verwendung des sog. Bradford-Faktors.

Was ist unter dem Bradford-Faktor zu verstehen?

Es handelt sich bei dem Bradford-Faktor um eine von der Brad­ford University School of Management in England entwickelte mathematischen Berechnungsmethode zur Analyse und Katalogisierung von Abwesenheitsraten der Beschäftigten, bei der die Häufigkeit von krankheitsbedingten Abwesenheiten im Verhältnis zu ihrer jeweiligen Dauer betrachtet wird. Für jeden in die Analyse einbezogenen Mitarbeiter wird so ein individueller Bradford-Score ermittelt. Mitarbeiter mit häufigen Kurzzeiterkrankungen, ggfs. unter Einbeziehung der konkreten Wochentage, an denen die Krankmeldungen erfolgten, erhalten hiernach einen höheren Scorewert als Mitarbeiter mit seltenen krankheitsbedingten Ausfällen.

Dem Interesse der Arbeitgeber an dieser Analyse liegt regelmäßig der Gedanke zugrunde, dass kurze, häufige und ungeplante Abwesenheiten zu einem größeren Aufwand für das Unternehmen führen und ggfs. Rückschlüsse darauf zulassen, dass die Krankheitszeiten eher motivations- und nicht krankheitsbedingt sind. Bei Mitarbeitern mit hohen Scorewerten kann insofern frühzeitig gegen häufige Kurzzeiterkrankungen gegengesteuert werden können, z. B. durch eine Anpassung der Arbeitsbedingungen zur Förderung und Verbesserung der Arbeitsmotivation und – zufriedenheit. Letztlich wird sich aber nicht ausschließen lassen, dass diese Mitarbeiter aufgrund der hohen und häufigen Krankheitszeiten und der damit möglicherweise einhergehenden negativen Gesundheitsprognose ein erheblich erhöhtes Risiko aufweisen, krankheitsbedingt gekündigt zu werden. Der Bradford-Faktor ist hierfür zwar nicht ursächlich, weist die betroffenen Mitarbeiter aber aufgrund des mit dem Namen verknüpften hohen Scorewertes für den Arbeitgeber deutlich erkennbar und in übersichtlicher Form aus.

Aus den vorstehenden Gründen stellt der Bradford-Faktor zugleich Chance und Risiko für die betroffenen Mitarbeiter dar.

Keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Gesundheitsdaten

Was auf den ersten Blick für Arbeitgeber spannend erscheint, ist datenschutzrechtlich sehr kritisch zu betrachten. Der Datenschutzbeauftragte Zyperns hat bereits im Jahr 2019 Bußgelder in Höhe von insgesamt 82.000 € gegen mehrere zusammenhängende Unternehmen wegen der Verwendung des Bradford-Faktors verhängt (Informationen hierzu und die Entscheidung des zypriotischen Datenschutzbeauftragten sind über diesen Link abrufbar). Aus Sicht des zypriotischen Datenschutzbeauftragten gibt es für die mit dem Bradford-Faktor zusammenhängenden Datenverarbeitungen keine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage. Da es sich bei den verarbeiteten Daten um Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO handelt, bedarf es einer Rechtsgrundlage nach Art. 9 Abs. 2 DSGVO. Eine solche vermochten weder der zypriotische Datenschutzbeauftragte, noch die von ihm im Rahmen eines Amtshilfeverfahrens konsultierten 25 anderen europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden zu erkennen. Da half es den Unternehmen auch nicht, dass sie im Vorfeld ordnungsgemäß eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchgeführt hatten.

Fazit

Im Ergebnis kann von der Verwendung des Bradford-Faktors aus datenschutzrechtlicher Sicht nur abgeraten werden. Die Eingriffsintensität ist für die betroffenen Beschäftigten als sehr hoch anzusehen, da sie einem Scoring ausgesetzt werden, das erhebliche nachteilige Auswirkungen auf ihr Arbeitsverhältnis haben kann. Eine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Gesundheitsdaten ist darüber hinaus nicht ersichtlich. Insbesondere kann die Datenverarbeitung nicht als erforderlich zur Erfüllung von Rechten oder Pflichten aus dem Arbeits- und Sozialrecht angesehen werden. Selbst wenn man an dieser Stelle die Arbeitgeber-Fürsorgepflicht heranzieht, kann man eine Optimierung der Krankenstände auch mit für die Mitarbeiter weniger einschneidenden Mitteln anstreben, z. B. mit der Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements.