Die Fehde zwischen den YouTubern ApoRed und MiiMii schwelt mittlerweile bereits mehrere Jahre. In den ersten Videos zum Thema ApoRed ging es vor allem um Vorwürfe zur sexuellen Belästigung und mutmaßlichen Fake-Gewinnspielen, bei denen Gewinne nicht ausgeschüttet worden sein sollen. Bekannt ist ApoRed jedoch vor allem durch die Zurschaustellung seines Lifestyles und (mutmaßlichen) Reichtums geworden. In zahlreichen Videos zeigt er seine Wohnung(en), Autos, Häuser oder was man sonst besitzen kann. Genau hier setzen die neuerlichen Vorwürfe von MiiMii an. Dieser offenbart in seinem sechsten Video zu ApoRed, dass über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Die Eine oder der Andere werden sich beim Lesen wahrscheinlich gefragt haben, inwiefern dieser öffentlich ausgetragene Streit überhaupt datenschutzrechtlich relevant ist. Bis zu dem eben genannten Video würde ich hier auch zustimmen, da ein Insolvenzverfahren öffentlich bekannt gemacht wird und die Information damit bereits öffentlich ist. MiiMii belässt es jedoch nicht dabei und veröffentlicht in seinem neunten Video offenbar Kopien von ApoReds Kontoauszügen, dem Ausweis seiner Frau und unter anderem Unterlagen des Jobcenters. Ob dies im Rahmen des Datenschutzes konform war oder ob MiiMii gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen hat, sehe ich mir im Folgenden an.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Datenschutz bedeutet vor allem Schutz der informationellen Selbstbestimmung. Inhalt ist, dass jede natürliche Person grundsätzlich selbst über die Preisgabe ihrer personenbezogenen Daten bestimmen kann. Dieses Grundrecht wurde durch das Bundesverfassungsgericht aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz im Rahmen des sog. Volkszählungsurteils entwickelt. Wichtig ist daher für die folgende Betrachtung, ob MiiMii die Grundrechte anderer Personen verletzt hat oder nicht.
Wann ist die DSGVO anwendbar?
Damit das Datenschutzrecht und somit auch die DSGVO anwendbar ist, müssen personenbezogene Daten verarbeitet worden sein. Personenbezogene Daten sind gem. Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Vereinfacht bedeutet das, dass personenbezogene Daten alle Daten sind, die man direkt oder mit Hilfsmitteln einer einzelnen Person zuordnen kann.
Hier wird man bei den veröffentlichen Dokumenten unschwer von personenbezogenen Daten ausgehen müssen, da zwar teilweise Unterlagen geschwärzt wurden, jedoch ein Personenbezug durch die Angaben von MiiMii einfach herstellbar ist.
Da grundsätzlich jeder selbst entscheiden darf, wie seine personenbezogenen Daten verarbeitet werden, stellt sich die Frage, ob eine Veröffentlichung von MiiMii auch zulässig möglich sein kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn eine Rechtsgrundlage dies erlauben würde.
Auf welcher Rechtsgrundlage dürfen personenbezogene Daten verarbeitet werden?
Rechtsgrundlagen finden sich in der DSGVO in Art. 6. Eine Verarbeitung kann rechtmäßig sein, wenn ApoRed in die Verarbeitung eingewilligt hätte (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO), die Verarbeitung für die Erfüllung eines Vertrages […] erforderlich wäre (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO), wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich wäre (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c DSGVO), die Verarbeitung erforderlich ist, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person zu schützen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. d DSGVO) […], die Verarbeitung zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt, erforderlich ist (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e DSGVO), oder wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen […] erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person […] überwiegen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO).
Unzweifelhaft dürften ApoRed oder seine Frau keine Einwilligung zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten abgegeben haben. Auch ein Vertrag scheidet augenscheinlich als Rechtsgrundlage aus. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass MiiMii in Ausübung einer rechtlichen Verpflichtung handelt. Darüber hinaus erscheint es lebensfremd, dass MiiMii mit der Veröffentlichung lebenswichtige Interessen von ApoRed und Co. schützen würde. Unjuristisch betrachtet könnte man in der Veröffentlichung der Unterlagen eine Aufgabe sehen, die im öffentlichen Interesse liegt. Diese Rechtsgrundlage meint allerdings die Verarbeitung durch staatliche Stellen und nicht durch Privatpersonen wie MiiMii.
Als letzter Anker bliebe damit nur Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO. Dieser setzt voraus, dass MiiMii ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung der personenbezogenen Daten hatte und dass die Interessen von ApoRed und seiner Frau an einer Nicht-Veröffentlichung nicht die Interessen von MiiMii überwiegen.
Was ist der Zweck der Datenverarbeitung?
Da eine Verarbeitung nur streng zweckgebunden erfolgen darf, stellt sich vorab die Frage nach dem Zweck, den MiiMii mit der Verarbeitung, in Form der Veröffentlichung der personenbezogenen Daten, verfolgt. Hier kann man nur mutmaßen, jedoch ist davon auszugehen, dass MiiMii mit den Videos und den damit einhergehenden Veröffentlichungen von Dokumenten, die (vermeintlich) wahre finanzielle Situation von ApoRed aufdecken möchte.
Bei der Bestimmung des berechtigten Interesses kommt jedes rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Interesse von MiiMii in Betracht. Hier kann man zumindest davon ausgehen, dass neben einem ideellen Interesse an der investigativen Aufklärung auch wirtschaftliche Interessen in Betracht kommen, da die Videos in der Regel monetarisiert sind, also Werbung vor- oder zwischengeschaltet ist.
Wenn man sich bei der Prüfung des Erforderlichkeitsgrundsatzes schon streiten kann, ob hier der oben beschriebene Zweck auch anders erreicht werden könnte, wird man jedoch bei der Prüfung der entgegenstehenden Interessen der betroffenen Personen, ApoRed und seiner Frau, auch an die Grenzen dieser Rechtsgrundlage kommen. Auf ein berechtigtes Interesse darf man sich nämlich nur dann stützen, wenn keine überwiegenden Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person entgegenstehen. Hier dürften sowohl ApoRed, als auch seine Frau ein starkes Interesse an einer Nichtveröffentlichung haben, da beide in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen sind. Bezüglich ApoReds Frau dürfte das Interesse hier ganz klar überwiegen, da sie in keiner Weise in der Öffentlichkeit steht. Allerdings dürfte dies größtenteils auch für ApoRed selbst gelten. Wenn man sich über die Tatsache, dass ApoReds Vermögen einem Insolvenzverfahren unterliegt noch streiten kann – ApoRed hatte ja selbst den „Insi-Modus“ angekündigt – dürfte dies nicht für die weiteren veröffentlichten Unterlagen, aus denen personenbezogene Daten von ApoRed hervorgehen, gelten. MiiMii mag zwar ein investigatives Interesse haben, dies rechtfertigt jedoch nicht die Veröffentlichung privater Unterlagen seines Rivalen. Das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung schützt auch ApoRed, auch wenn man sich über dessen Art und Weise des Contents mitunter auch streiten könnte.
Über die Frage, warum ApoRed hier nicht mehr gegen die Veröffentlichung unternommen hat – sein Anwalt forderte offenbar nur eine stärkere Schwärzung einzelner Passagen – kann man nur spekulieren. Vielleicht gilt hier der alte, nicht rechtliche Grundsatz: Auch schlechte Publicity ist Publicity. Wie das Ganze weitergeht, bleibt abzuwarten. Langweilig wird es dank der beiden immerhin nicht.
Anonymous
29. Dezember 2022 @ 12:04
ich glaube, hier hat man es sich etwas einfach gemacht. YouTuber bezeichnen sich ja gerne als Journalisten. In gewissen Fällen (wie MaiLab) mag das ja tatsächlich stimmen, es wäre also zu prüfen, ob es sich hier um einen journalistischen Beitrag handelte. Wenn das zu bejahen ist, wäre m.E. Art. 85 Abs. 2 DSGVO i.V.m. 57 RStV zu prüfen. Und sei es nur, um diese Möglichkeit auszuschließen… 😉