Dem Berufsstand des Arztes wurde von staatlicher Seite die Selbstverwaltung in eigener Verantwortung übertragen. Infolgedessen unterliegen Ärzte einer Berufsordnung, die von den Ärztekammern verabschiedet wurde.

Damit die Berufsordnungen der Kammern inhaltlich jedoch nicht zu stark voneinander abweichen und je nach Standort Vor- oder Nachteile für die Mitglieder nach sich ziehen würde, wurde mit der (Muster-) Berufsordnung (MBO-Ä) eine Regelung geschaffen, nach der sich die – Berufsordnungen der Ärztekammern zu orientieren und zu richten haben.

Die Berufsordnung ist eine dynamische Regelung, die sich den aktuellen Entwicklungen anpasst. Verantwortlich hierfür ist die Bundesärztekammer bzw. der Deutschen Ärztetag.

Auf dem 118. Deutscher Ärztetag, der im Mai 2015 in Frankfurt stattfand, wurden verschiedene Regelungen der MBO-Ä geändert. Neben anderen Aspekten wurde auch eine Änderung des § 10 Abs. 2 S. 1 MBO-Ä vorgenommen, der die Einsichtnahme in die Patientenakte regelt:

„Ärztinnen und Ärzte haben Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen in die sie betreffende Dokumentation Einsicht zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder erhebliche Rechte der Ärztin, des Arztes oder Dritter entgegenstehen.“

Mit dieser Änderung wurden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Az.: 1 BvR 1130/98, Az: 2 BvR 443/02) berücksichtigt, die eine pauschale Beschränkung des Einsichtnahmerechts auf objektive Befunde und Aufzeichnungen für nicht verfassungskonform erklärten, die auch schon in der Regelung des § 630g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Einsichtnahme in die Patientenakte – berücksichtigt wurde.

Zudem enthält die geänderte Fassung des § 10 Abs. 2 S. 1 MBO-Ä eine Erweiterung gegenüber § 630g BGB. Während § 630g BGB als Einschränkung nur „erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter“ nennt, erfasst § 10 Abs. 2 S. 1 MBO-Ä auch „erhebliche Rechte der Ärztin, des Arztes“. In der Begründung hierzu heißt es:

„Ebenso enthält die Rechtsprechung Hinweise auf die Grundrechte des Arztes (BGH, Az.: III ZR 54/13). Eine Einschränkung des Einsichtnahmerechts des Patienten wegen entgegenstehender erheblicher Rechte der Ärztin oder des Arztes kommt […] in Betracht, wenn das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arztes das Interesse des Patienten an der Kenntnisnahme bestimmter Informationen im Einzelfall ausnahmsweise überwiegt. Ergibt sich im Einzelfall eine solche Einschränkung des Einsichtnahmerechts, ist diese jedoch auf das notwendige Minimum zu beschränken. Auch wenn es sich hierbei voraussichtlich um seltene Einzelfälle handeln wird, ist es sachgerecht, die Rechtsposition der Ärzte im Wortlaut des § 10 Abs. 2 MBO-Ä zu berücksichtigen.“

In unserer Synopse können Sie die aktuellen Änderungen der MBO-Ä nachverfolgen.