Die Menschen strömen mittlerweile wieder in die hiesigen Museen und Ausstellungen oder treffen an öffentlichen Plätzen auf Performance-Künstler. Und der Nachholbedarf ist sicherlich groß, waren doch für viele die einzigen Lichtblicke in zurückliegenden Monaten die kreativen Hintergrundbilder der Kolleginnen und Kollegen in den Videokonferenzen, mit denen sie den Zustand der eigenen Vier-Wände verstecken wollten.

Aber auch ohne die pandemiebedingten Umstände, hat sich die Kunstwelt in den vergangenen Jahren stark verändert: Die Selbstportraits und Landschaftsbilder als Ölgemälde weichen mehr und mehr neumodischen Kunstwerken, die mit Sensoren und Displays ausgestattet sind und die die sie betrachtenden Personen teilweise direkt mit einbeziehen.

Da werden die Besucherinnen und Besucher in der Kunsthalle live gefilmt und können auf Monitoren dann ihre veränderten Gesichter oder als Tier umgewandelten Körper in Szene setzen und so ihren Gesichtsbewegungen und Emotionen freien Lauf lassen. Wer möchte sich nicht einmal live als Baby oder als Katze auf dem Display wiedererkennen und dann Bewegungen vorspielen? Und wie sieht man selbst eigentlich in 20 Jahren aus? Endlich können –der Technik sei Dank– die Besucherinnen und Besucher ihr künstlerisches Talent unter Beweis stellen, ohne dafür in einer RTL-Samstagabend Show auftreten zu müssen.

Wäre da nicht das Datenschutzrecht…

Die Technik, gemeint ist die KI, ist heute schon so weit entwickelt, virtuelle Gesichter und sogar die Stimme von Promis derart täuschend echt umzusetzen, dass es bald gar keiner Schauspieler mehr bedarf. Und derlei Spielereien gibt es auch bereits als App fürs Handy. Die Rede ist von Deepfake-Apps, aber dazu ein anderes Mal mehr. Bleiben wir bei der Kunst und ihren Betrachtern.

Interaktive Kunstwerke gehen meist mit der Verarbeitung personenbezogener Daten einher, unter anderem durch die Erfassung der Person mittels Videokamera und teilweise sogar der Umwandlung von biometrischen Daten! Was aber soll daran so schlimm sein, werden Sie sich fragen? Vielleicht ist die Gesichtserkennungstechnik heute ohnehin schon besser als bei den vor wenigen Jahren eingeführten Systemen an den deutschen Bahnhöfen, die zu zahlreichen und groß angelegten Protesten führten. Man weiß ja nie, was es sonst noch so für Sensoren und Kameras in der Kunsthalle gibt; schließlich würde auch eine begleitende Tonaufnahme dem Gesamtkunstwerk sicher noch mehr Ausdruck verleihen.

Und was ist, wenn dieses Videomaterial nicht nur vor Ort gezeigt wird, sondern per Livestream in – sagen wir mal – Japan zu sehen ist oder überhaupt längerfristig auf den Servern der Künstler (oder der Kunsthalle) gespeichert wird? Eine solche Datenbank, die daraus entstehen könnte und sicherlich auch würde, eröffnet darüber hinaus weitere Möglichkeiten: Wenn zum Beispiel die Videofilme selbst als Basis für zukünftige, neue Kunstwerke genutzt werden. So würden die Aufnahmen über kurz oder lang eine gewisse Eigendynamik bzw. ein Eigenleben entwickeln.

Eigentlich fehlt alles

Der Datenschützer kann hier nur mahnend den Finger heben und auf die Informationspflichten sowie auf die Betroffenenrechte aus der DSGVO hinweisen, die offenkundig in diesen Kunsthallen, genauer gesagt, durch solche (interaktiven) Kunstwerken gänzlich missachtet werden. Oder wo bleibt die Einwilligungserklärung, die vor der Verarbeitung der sensiblen Daten der Besucherinnen und Besucher gar schriftlich von allen betroffenen Personen abzugeben wäre? Was ist mit den Datenschutzhinweisen, die dann an dem Werk ausgehängt werden müssten? Und in wie vielen Sprachen wäre die Datenschutzerklärung eigentlich zu verfassen, wenn die Kunsthalle von Menschen aus aller Welt besucht wird? Wo kann Auskunft über die Daten oder die Löschung derselbigen beantragt werden? Schließlich müsste gar eine Datenschutz-Folgenabschätzung vor Inbetriebnahme des Systems vorgenommen und dokumentiert werden. Und so weiter und so fort. In unserem Fall lautet die Frage also nicht „Ist das Kunst oder kann das weg?“, sondern „Ist das Kunst und braucht es dazu noch einen Datenschutzbeauftragten?“.

Bei so viel datenschutzrechtlichem Aufwand wären die Kunstschaffenden dann vielleicht doch lieber bei gemalten Landschaftsbildern geblieben – so ganz ohne Display und Internet und eben ohne eine Erklärung zum Datenschutz.

Einer für alle, alle für einen?

Ja, das Datenschutzrecht wird hier offenbar völlig vernachlässigt durch die Künstlerinnen und Künstler. Wobei halt: Wird man als Betrachter der Kunst nicht selbst zum „Mit-Künstler“ und liegt dann nicht sogar eine sogenannte gemeinsame Datenverarbeitung vor? Die Gerichtsentscheidungen ziehen hier immer weitere Kreise. Dann würden die betroffenen Personen durch die Interaktion mit dem Videosystem gar zum Verantwortlichen im Sinne der DSGVO, sodass sie grundsätzlich die Pflichten des Datenschutzrechts ebenso treffen. In bislang ungeklärtem Ausmaß müssten die Besucherinnen und Besucher durch die gemeinsame Verantwortlichkeit mit dem Betreiber des Kunstwerks auch die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gewährleisten. Und das, obwohl sie nicht mal einen Anteil an der Vergütung bekommen.

Eine leichte Entwarnung kann an dieser Stelle gegeben werden: Zumindest bei Privatpersonen greift regelmäßig die sogenannte Haushaltsausnahme der DSGVO bei persönlichen Tätigkeiten, oder doch nicht? Falle ich als „Mit-Künstler“ womöglich gar nicht mehr unter die Haushaltsausnahme…

Ein wenig mehr Klarheit und Transparenz wären trotzdem ganz gut, wenn man sich derartigen, interaktiven Kunstwerken nähert. Wir wollen doch nicht irgendwann noch einmal ungewollt unsere eigene Animation im nächsten Werbeclip im TV oder Kino sehen, oder? Und auch die Kunsthallen wären sicherlich nicht darüber erfreut, wenn sie im Zusammenhang mit solchen Exponaten öfter mal Post von der zuständigen Datenschutz-Aufsichtsbehörde bekommen würden. Denn die Kunsthallen haben zum Glück ohnehin erst einmal wieder alle Hände voll zu tun, um den ganzen Besucherströmen Herr zu werden.