Für einen Rentner in Bayern endete eine Fahrradtour gänzlich anders, als sich dieser vermutlich vorgestellt hatte. Der 78-Jährige fuhr mit seinem Fahrrad an einem Spielplatz vorbei, auf dem eine Hüpfburg aufgebaut war. Instinktiv musste der Rentner beim Anblick der Hüpfburg an seinen kleinen Enkel denken und wollte ihm mit einem kleinen Video und ein paar Fotos von der Hüpfburg und den darauf spielenden Kindern eine Freude machen. Hierfür zückte er sein Smartphone, wobei er allerdings nicht mit der Reaktion der anwesenden Eltern gerechnet hatte. Diese reagierten mit erheblicher Empörung auf die Aufnahmen des Rentners, bezweifelten seine Motivlage und nahmen eine Motivation für ein Sexualdelikt an, was dann schließlich dazu führte, dass ein Elternteil die Polizei zu Hilfe rief.

Die Polizei, dein….

Spätestens bei Eintreffen der Polizei sollte man nun damit rechnen, dass die offensichtlich emotional etwas aufgeladene Situation entschärft werden würde. Leider schossen aber auch die Beamten etwas über das Ziel hinaus und hielten eine erkennungsdienstliche Behandlung des Rentners für angebracht. Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, nahmen die Beamten dann gleich noch einen Mundhöhlenabstrich des Rentners mit zu den Akten. Grundsätzlich hat die Polizei in Bayern aufgrund des umstrittenen Polizeiaufgabengesetzes das Recht, sowohl erkennungsdienstliche Maßnahmen durchzuführen, als auch Gewebeproben zu entnehmen, wenn denn die Voraussetzungen hierfür gegeben sind.

Erkennungsdienstliche Behandlung inkl. Speichelprobe

Leider übersahen die Beamten hier aber, dass weder für eine erkennungsdienstliche Behandlung, noch für einen Mundhöhlenabstrich die rechtlichen Voraussetzungen gegeben waren. So bedarf es für eine erkennungsdienstliche Maßnahme z. B. einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut oder es ist nötig, dass eine Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht oder nur schwer möglich ist. Hier fehlte es zum einen an einer konkreten Gefahr für die Kinder und man hätte den Rentner sicherlich auch auf andere Art und Weise identifizieren können.

Die Polizei hätte im Nachgang feststellen können, dass von dem Rentner zum einen keine konkrete Gefahr ausging, so dass man seine Daten hätte löschen müssen. Stattdessen entschied man sich, die über den Rentner gewonnenen Informationen an ein Kommissariat für Sexualdelikte weiterzuleiten, das folgerichtig zu dem Schluss kam, dass hier keine Hinweise auf eine sexuelle Motivation des Rentners vorlagen, so dass das Verfahren damit eigentlich abgeschlossen sein müsste.

Keine Löschung der Daten

Daraufhin bat der Rentner um Löschung seiner Daten bei der Polizei. Die Polizei teilte ihm daraufhin mit, dass seine Daten leider nicht gelöscht werden könnten, da schließlich die Gefahr bestehe, dass er weitere „Hemmschwellen abbauen könnte und aus einer sexuellen Motivation heraus weiter Kinder fotografieren werde“. Wie die Polizei zu dieser Einschätzung kam ist etwas verwunderlich und bleibt wohl deren Geheimnis, zumal das auf Sexualdelikte spezialisierte Kommissariat zuvor zu dem gegenteiligen Ergebnis kam.

Datenschützer als Retter in der Not

Das Vorgehen der Polizei hat den Rentner dann schließlich dazu bewogen, sich an den zuständigen Datenschutzbeauftragten des Landes Bayern zu wenden, der ihn dabei unterstützte, dass seine Daten schnellstmöglich gelöscht wurden. Der Betroffene erhielt sein Smartphone dann nach einem Monat zurück, allerdings erst, nachdem er seine (vermutlich wohl kaum freiwillige) Zustimmung erklärt hat, dass die Polizei vor der Rückgabe ein rechtlich unproblematisches Video der Hüpfburg von seinem Smartphone löscht.

Auch wenn der Rentner im Nachhinein bestenfalls über diesen Vorfall lachen kann, zeigt die Geschichte doch sehr deutlich, welche Schäden weitreichende Polizeigesetze anrichten, die noch dadurch verstärkt werden, dass sie allzu leichtfertig falsch angewendet werden.

Insbesondere, weil es hier „nur“ um einen kleinen Zwischenfall auf einem Spielplatz ging, so ist dieser Vorfall doch bezeichnend für all die Fälle, in denen staatliche Befugnisnormen, die ursprünglich für schwerste Kriminalität gedacht waren, für alle möglichen Fälle eingesetzt werden, seien sie auch noch so unbedeutend. Hier musste ein Rentner, der nachweislich keinerlei kriminelle Absichten verfolgte, aufgrund eines Fotos erkennungsdienstliche Maßnahmen über sich ergehen lassen und sogar einen Mundhöhlenabstrich abgeben und sah sich zu Unrecht dem Vorwurf eines Sexualdelikts ausgesetzt. Hier ist nur zu hoffen, dass der Staat, der solche Befugnisnormen in die Welt setzt, auch für eine hinreichende Sensibilisierung derjenigen Menschen sorgt, die mit diesen Normen arbeiten. Dass einmal eingeführte Befugnisse leider regelmäßig zu anderen Zwecken missbraucht werden, zeigt beispielsweise auch die Statistik zum Einsatz des (ebenfalls für schwerste Straftaten gedachten) Staatstrojaners, mit dem nun Dealer und Diebe gejagt werden.

Abseits von Rechtsfragen zeichnet dieser Fall doch auch ein erschreckendes Bild von Teilen unserer Gesellschaft, in der einem Menschen der Vorwurf eines Sexualdelikts gemacht wird, weil er seinem Enkel mit einem Video und ein paar Fotos eine Freude machen wollte. Hier hätte man sich sowohl von den Eltern als auch von der Polizei ein in sich gehen nebst kritischem Realitätsabgleich gewünscht.