In der heutigen digitalen Ära sind Datenschutz und der Umgang mit personenbezogenen Daten zu einem Dauerthema geworden. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Marketingstrategien effektiv zu gestalten, während sie gleichzeitig die Privatsphäre ihrer Kunden respektieren müssen. Ein aktueller Rechtsstreit im Saarland wirft genau dieses Problem auf und wirft wichtige Fragen zur Datenverarbeitung und zum Datenschutz auf.

Ansprache potentieller Kunden

Der Fall dreht sich um ein Unternehmen, das sich auf den Ankauf von Metallrückständen aus Zahnarztpraxen und Laboren spezialisiert hat. Um potenzielle Verkäufer zu erreichen, durchsuchte das Unternehmen öffentlich zugängliche Verzeichnisse wie die Gelben Seiten nach den Kontaktdaten von Ärzten und Laboren. Die gesammelten Daten, einschließlich Name, Adresse und Telefonnummer der Praxisinhaber, wurden in der Datenbank des Unternehmens gespeichert und für Werbezwecke genutzt.

Ein Zahnarzt, dessen Daten ohne seine Einwilligung für Werbezwecke verwendet wurden, erhob Klage vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2021 – 5 K 461/20 verurteilte das Gericht das Unternehmen dazu, die Datenverarbeitung der Zahnarztpraxisinhaber einzustellen und die gespeicherten Daten bei Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.500 Euro zu löschen.

Berufung

Allerdings ließ der verantwortliche Unternehmer die Entscheidung nicht auf sich beruhen und legte Berufung beim Oberverwaltungsgericht des Saarlandes ein. Er argumentierte, dass die Datenverarbeitung aufgrund des berechtigten Interesses des Unternehmens an Gewinnerzielung eine Rechtsgrundlage habe. Gemäß Artikel 6 Absatz 1 lit. f der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sei die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Werbung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.

Der Unternehmer behauptete weiterhin, dass die telefonische Kontaktaufnahme mit den potenziellen Verkäufern eine mildere Option sei als die Kontaktaufnahme per Post. Er argumentierte, dass ein Telefonanruf im Durchschnitt nur etwa eine Minute dauere, während der Postweg für die betroffenen Personen einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeute. Dieser Umstand, so der Unternehmer, stelle ein weniger einschneidendes Mittel dar, um das gleiche Ziel zu erreichen.

Werbung mit wettbewerbswidrigem Charakter

Das Verwaltungsgericht wies die Berufung jedoch ab (OVG des Saarlandes vom 20.04.2023 AZ 2 A 111/22) und stellte fest, dass diese Art der Werbung einen wettbewerbswidrigen Charakter habe. Es betonte, dass die Datenschutzinteressen der betroffenen Personen höher wiegen als das berechtigte Interesse des Unternehmens an der Gewinnerzielung. Das Gericht erklärte, dass die Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung nach der DSGVO entfällt, wenn die Interessen der betroffenen Personen das berechtigte Interesse des Unternehmens überwiegen.

Dieser Fall wirft wichtige Fragen auf und verdeutlicht die Bedeutung des Datenschutzes in der heutigen Geschäftswelt. Im B2B-Bereich, also zwischen Unternehmern, gilt eine Ausnahme vom Verbot der telefonischen Werbung ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung. Diese Ausnahme wird in § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (kurz UWG) wie folgt beschrieben:

„Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen

  1. bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung, […]“

Diese Festlegung des UWG wird im Rahmen der vorgenannten Interessenabwägung bei der Prüfung der Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 lit f DSGVO berücksichtigt und hat im vorliegenden Fall ergeben, dass keine mutmaßliche Einwilligung der betroffenen Zahnarztpraxis vorlag und damit auch die Nutzung deren Kontaktdaten unrechtmäßig erfolgte.

Das Gericht begründet das Fehlen einer mutmaßlichen Einwilligung wie folgt:

„Zur Frage, wann eine mutmaßliche Einwilligung anzunehmen ist, hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass für eine Einschätzung auf Umstände vor dem Anruf sowie auf die Art und den Inhalt der Werbung abzustellen sei. Es müsse aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein sachliches Interesse des Anzurufenden vermutet werden können. Ein sachliches Interesse könne etwa vorliegen, wenn das angerufene Unternehmen die Ware oder Dienstleistung für eine Produktion laufend benötige. Einfließen könne auch, ob diese Art der Telefonansprache innerhalb der jeweiligen Branche üblich sei. Eine bloße Sachbezogenheit genügt jedoch nicht, um von einer Einwilligung des angerufenen Unternehmers auszugehen. Dies zugrunde gelegt lässt sich ein solchermaßen sachlich begründetes Interesse von Zahnärzten bzw. Zahnarztpraxen an dem Verkauf von Edelmetallresten an die Klägerin nicht feststellen. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann dieses nicht schon daraus geschlossen werden, dass die angerufenen Zahnärzte ihre Telefonnummer in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen veröffentlichen, denn dies dient ausschließlich dazu, die Erreichbarkeit für Patienten zu gewährleisten. Der Verkauf von Edelmetallresten zur Gewinnerzielung ist auch weder typisch noch wesentlich für die Tätigkeit eines Zahnarztes. Im Übrigen dürfte der Verbleib von Edelmetallresten im Besitz des Zahnarztes eher die Ausnahme sein, da diese üblicherweise nach der zahnärztlichen Behandlung dem betroffenen Patienten als deren Eigentümer übergeben werden, der darüber nach Belieben verfügen kann. Steht demnach fest, dass die nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG erforderliche – ausdrückliche bzw. mutmaßliche – Einwilligung nicht vorliegt, ist es der Klägerin verwehrt, auf den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO zur Rechtfertigung ihrer Geschäftspraxis zurückzugreifen.“

Fazit

Unternehmen müssen daher bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sorgfältig abwägen und sicherstellen, dass sie die Rechte und Interessen der betroffenen Personen respektieren. Der Fall verdeutlicht auch die Rolle der Gerichte bei der Auslegung und Anwendung von Datenschutzgesetzen, um einen angemessenen Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten.