Dürfen Fitnessstudiobetreiber die Trainingsfläche mit Videokameras überwachen? Rechtfertigen Diebstähle aus Spinden in Umkleidekabinen die Überwachung derselben per Video? Welche Zwecke der Videoüberwachungsanlage sind von Betreibern vorab zu bestimmen?

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig-Holstein hat mit seinem Beschluss vom 14.07.2022, Az. 4 LA 11/20 über die Rechtswidrigkeit einer Videoüberwachung in Umkleiden, Aufenthaltsbereichen und auf Trainingsflächen eines Fitnessstudios in Schleswig-Holstein entschieden und der Vorinstanz Recht gegeben.

Der Fall

In dem zu entscheidenden Fall ging es um ein aufsichtsbehördliches Verfahren, das bereits durch die Landesdatenschutzbeauftragte in dem Tätigkeitsbericht 2023 (für den Berichtszeitraum 2022) des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) Erwähnung fand.

Der Fall betraf die Videoüberwachungsanlage bei einer größeren Fitnessstudiokette (datenschutzrechtlich Verantwortliche), der per Verfügung vom 19.07.2017 vom ULD untersagt worden war, die Videokameras in Umkleidekabinen, in Aufenthaltsbereichen und auf Trainingsflächen zu betreiben.

Gegen diese Verfügung hatte die Verantwortliche Klage vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig erhoben und die Erforderlichkeit der Videoüberwachungsanlage in allen Bereichen für die Verhinderung und Verfolgung von Straftaten begründet.

Hierzu wird im Tätigkeitsbericht näher ausgeführt:

„In der Vergangenheit sei es wiederholt zu Sachbeschädigungen und Diebstählen gekommen, so die Verantwortliche. Auf den Trainingsflächen und in den Aufenthaltsbereichen habe es Auseinandersetzungen mit dem Personal und unter den Kunden gegeben. Zudem sei auch in den Umkleidebereichen keine unzumutbare Beeinträchtigung der Kunden erkennbar, da einige Bereiche von der Videoüberwachung ausgenommen seien, insbesondere Duschen und WCs und die Aufnahmen nur anlassbezogen, z. B. nach einem Aufbruch eines Spindes, eingesehen und ausgewertet werden würden. Einige der vorgetragenen Begründungen waren eher vage, andere wiederum waren konkreter. So legte der Verantwortliche auch eine Auflistung von Vorfällen vor, die sich in der Vergangenheit bereits ereignet hatten. Dazu gehörten u. a. auch Aufbrüche von Spinden sowie Auseinandersetzungen auf der Trainingsfläche.“ (Quelle: TB 2022, S. 69)

Die Entscheidung

Das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig teilte in der ersten Instanz die Rechtsauffassung des ULD, nach der die Videoüberwachung insbesondere in den Umkleidebereichen, aber auch auf den Trainingsflächen und in den Aufenthaltsbereichen unverhältnismäßig sei.

Das Gericht hat den Eingriff der Videoüberwachung in den unterschiedlichen Bereichen des Fitnessstudios unterschiedlich bewertet.

Das Gericht führte aus, dass die Beteiligten auch nicht in die Datenverarbeitung eingewilligt hätten. Eine rechtswirksame Einwilligung müsse auf einer freien Entscheidung beruhen. Die Betroffenen müssen auf den vorgesehenen Zweck der Maßnahme hingewiesen werden. Die Einwilligung bedürfe der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen sei (§ 4 a Abs. 1 S. 1 – 3 BDSG a. F.). Auch die deutlich sichtbar angebrachten Hinweise auf die Videoanlage stellen keine Einwilligung Sinne dar. (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 19. November 2019 – 8 A 835/17; Rn. 32)

Für den Umkleidebereich überwiegen die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen. Die Verhinderung von Diebstählen oder Sachbeschädigungen rechtfertige nicht die Überwachung in Umkleidekabinen. Hier sei die Intimsphäre der Betroffenen berührt. Die Kameraüberwachung in Umkleidebereichen sei deshalb wegen der Intensität des Eingriffs in die Persönlichkeit grundsätzlich unzulässig, weil sich Betroffene hier zum Teil unbekleidet zeigen und durch Kameraaufnahmen das Schamgefühl in erheblicher Weise berührt wird. Wertsachen können außerdem in Schließfächern gelagert werden, so dass eine Diebstahlgefahr gering zu gewichten sei (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 19. November 2019 – 8 A 835/17; Rn. 39).

Auch bei einer Videoüberwachung im Bereich der Trainingsfläche überwiegen die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht sei hier weniger intensiv, da nicht die Intimsphäre eingegriffen werde, sondern in die Sozialsphäre. Allerdings betont das VG, dass es für die Betroffenen keine Ausweichmöglichkeit gäbe. Derjenige, der die Trainingsfläche betritt, hält sich stets im Erfassungsbereich der Kameras auf (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06. April 2017, Az. 12 B 7.16, juris, Rn. 33). Insofern entstehe ein permanenter flächendeckender Überwachungsdruck, dem sich die Besucher des Fitnessstudios nicht entziehen könnten. Eine solche permanente Beobachtung sei dazu geeignet, das Verhalten der Betroffenen zu beeinflussen. Besonders ins Gewicht falle, dass sich die Betroffenen auf der Trainingsfläche nicht nur kurz, sondern über einen längeren Zeitraum aufhalten, um das Training zu absolvieren. (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 19. November 2019 – 8 A 835/17; Rn. 39).

Diesen Punkt griff die Verantwortliche im Verfahren vor dem OVG auf. Hierzu wird im Beschluss vom 14.07.2022, Az. 4 LA 11/20 näher ausgeführt:

„Soweit die Klägerin vorträgt, dass sich nicht erschließe, warum die Videoüberwachung in einem Fitnessstudio unzulässig sein solle, weil man sich dort längere Zeit aufhalte, gleichzeitig aber eine ständige Videoüberwachung in einem Verkehrsmittel des Öffentlichen Personennahverkehrs zulässig sein solle, bleibt unklar, auf welche Prüfungspunkte der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sich dieses Vorbringen bezieht. (…) Das Vorbringen erscheint daher mehr als pauschale Kritik an dem Endergebnis der Entscheidung denn als Darlegung, die aufgrund einer intensiven Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung deren Richtigkeit in Frage zu stellen vermag.“ (Quelle: OVG Schleswig, Beschluss vom 14.07.2022, Az. 4 LA 11/20, S.4)

Zusammenfassend:

Fitnessstudiobetreiber sollten sich immer vor dem Inbetriebnehmen einer Videoüberwachungsanlage die Frage der Ausgestaltung der Überwachung stellen. Wenn der Zweck der Datenverarbeitung mit der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten bestimmt wird, ist kritisch zu prüfen, ob die Videoüberwachung tatsächlich diese Straftaten verhindern kann oder ob man Anhaltspunkte für eine Verfolgung einer Straftat darüber erlangt. Darüber hinaus sind weitere Fragen von Bedeutung, die sich Verantwortliche vor der Inbetriebnahme einer Videoüberwachungsanlage stellen sollten. Wie die richtige Rechtsgrundlage, die der Datenverarbeitung zugrunde liegt. Der Mitgliedsvertrag jedenfalls eignet sich nicht als Rechtsgrundlage hierfür. Die für die Datenverarbeitung bestimmten Zwecke der Videoüberwachung müssen in sich schlüssig sein und zur Ausgestaltung der Videoüberwachung passen, was bedeutet, dass immer mildere Mittel zu prüfen sind. Schließlich bleibt festzustellen, dass die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen in Bereichen wie Umkleidekabinen grundsätzlich überwiegen. Insgesamt sind aus datenschutzrechtlicher Sicht weitere, darüberhinausgehende und mittlerweile bekannte Fragen durch die Verantwortlichen zu stellen, bevor eine Videoüberwachungsanlage in Betrieb genommen wird, um sich Streitigkeiten zu ersparen.

Damit bleibt die Rechtslage, die durch die Rechtsprechung in Schleswig-Holstein übereinstimmend mit den rechtlichen Einschätzungen des ULD hinsichtlich der Einordnung von Videoüberwachungsanlagen in Fitnessstudios geschaffen wurde weiterhin wie gewohnt gleich. Ein gleiches Bild zeigte sich in diesem Jahr auch schon in Bayern, wir berichteten.