Erinnern Sie sich noch an Telefonzellen? Haben Sie sogar früher einmal eine benutzt? Vielleicht eine, in die man noch Münzen stecken musste? Gefühlt ist das eine Ewigkeit her und heute kann oder mag sich kaum noch jemand daran erinnern. Heute sucht man nicht mehr nach Telefonzellen, sondern eher nach einem offenen WLAN oder nach der nächsten Lademöglichkeit für das Smartphone.
Diesem Paradigmenwechsel stellt sich die Stadt New York. Das Konsortium CityBridge, in das sich im letzten Sommer auch Google einkaufte, verfolgt den Plan, 7.500 ehemalige Telefonsäulen, verteilt im gesamten Stadtgebiet, zu multifunktionalen Internetsäulen umzubauen.
Die Internetsäulen ermöglichen kostenloses Surfen im Internet mit bis zu 1.000 Megabit pro Sekunde und verfügen über USB Anschlüsse zum Aufladen der eigenen Geräte. 250 dieser Säulen gibt es bereits. Diesen Sommer sollen es 500 werden. Das Ziel des Projekts „LinkNYC“ ist klar beschrieben: Es soll das schnellste und größte städtische WLAN-Netzwerk der Welt werden. Das Signal einer einzelnen Säule soll bis zu 120 Meter weit reichen und von bis zu 250 Geräten gleichzeitig genutzt werden können (vgl. hier).
Ein Traum, wenn man an die schlechte WLAN-Abdeckung in Deutschland denkt. Und wenn man sich an den letzten Urlaub erinnert, weiß man, wie blöd es ist, ständig nach einem verfügbaren WLAN zu suchen.
Allerdings, und das ist im Leben meistens so, heißt kostenlos nicht umsonst. Denn natürlich wollen Unternehmen für ihren Einsatz einen Gegenwert, denn zu verschenken haben sie nichts. Bezahlt wird, wie so oft, mit Daten. Jeder Nutzer muss sich mit einer E-Mail-Adresse anmelden und willigt ein, dass auch die besuchten Websites sowie die Verweildauer für bis zu 12 Monate gespeichert werden. Die Idee dahinter scheint klar. Geld können Google und Co vor allem durch Werbung machen und je genauer sie die Nutzer kennen, desto passgenauer können sie Werbung ausspielen. Das lässt die Preise im Display Netzwerk für die Anzeige bzw. den Klick auf die Anzeige in die Höhe schnellen.
Für die amerikanische Bürgerrechtsorganisation New York Civil Liberties Union liegt genau hier das Problem. Die erhobenen Daten und Browserverläufe können schnell sensible Daten wie die politische Meinungen oder medizinische Probleme enthalten und sagen viel über den einzelnen Menschen aus. Zudem wird die Gefahr gesehen, dass sich Regierung und Polizei Zugang zu den Daten verschaffen könnten und so weitere Überwachungsmöglichkeiten erlangen. Damit nicht genug: Eigentlich verfügen die Säulen auch über Kameras, die zwar zurzeit abgeschaltet sind, aber das ist ja nur eine Momentaufnahme.
Also ist alles schrecklich?
Nun ja, das mag ein jeder für sich selbst beurteilen. Es stimmt, dass in den Nutzungsbedingungen beispielsweise Do Not Track ausgeschlossen ist und auch die Weitergabe der Daten an Polizei und Justiz eingeräumt wird. Andererseits sind die Nutzungsbedingungen diesbezüglich auch recht klar formuliert. Somit bleibt es jedem selbst überlassen, „LinkNYC“ zu nutzen, oder eben auch nicht. Wenn wir nicht lernen, dass alles seinen Preis hat und nicht bereit sind, Geld für schnelles Internet zu bezahlen, dann müssen wir eben mit unseren Daten bezahlen. Oder das Angebotene nicht nutzen. Niemand zwingt uns dazu, uns mit den Internetsäulen zu verbinden.
Also ist alles gut?
Es kommt drauf an. Weitläufige WLAN-Netzwerke, die von einem Unternehmen betrieben werden, ermöglichen noch eine ganz besondere Form des Trackings. Sofern sich Personen in die Nähe der Internetsäulen begeben und ein Smartphone mit eingeschaltetem WLAN in der Tasche haben, beginnen die Geräte automatisch Daten auszutauschen. Davon bekommt man selbst gar nichts mit. Der Datenaustausch an sich ist relativ simpel. Die Internetsäule sendet ihren WLAN-Namen aus und das Smartphone seine MAC-Adressen. Bei dieser MAC-Adresse handelt es sich um eine eindeutige Ziffernfolge, die immer gleichbleibt. Würde der Betreiber der Internetsäulen diese Adresse speichern, könnte daraus ein Profil erstellt werden, wann sich eine bestimmte Person in der Nähe welcher Säule befand. Desto engmaschiger die Internetsäulen aufgestellt werden, desto genauer würden die Bewegungsprofile werden. Wie gesagt, die betroffene Person bekommt hiervon rein gar nichts mit und muss sich noch nicht einmal in das WLAN einloggen oder registrieren. Alles passiert im Vorbeigehen.
Ob ein solches Tracking erfolgt oder nicht, kommt allein auf den Betreiber der Internetsäulen an. An dieser Stelle bleibt nur zu sagen: „Don`t be evil“ bzw. „Do the Right Thing“.
DerMitDenDatenTanzt
17. Oktober 2017 @ 9:00
Zur Vermeidung von Doppelerfassungen wird in der Praxis nur pseudomisiert, d.h. die MAC-Adresse ist reproduzierbar. Die Tracking-Unternehmen verkaufen möglicherweise die Daten weiter. Wie es um die Sicherheit der gesammelte Daten bestellt ist, weiß auch keiner.
Wen kümmert schon die Legalität?
1984 ist wieder einen Schritt näher gerückt.