Wenn es um Kündigungen von Arbeitnehmern geht, kommt es häufig vor, dass der Arbeitgeber zur Begründung der Kündigung Daten verwendet, die den zu kündigenden Arbeitnehmer betreffen. Spätestens vor Gericht stellt sich dann die Frage, ob diese Daten rechtmäßig erlangt wurden und überhaupt zur Begründung der Kündigung verwendet werden durften. Wenn dies nicht der Fall ist, kann es dem Arbeitgeber bei einem Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht auf die Füße fallen. Solch einer Frage widmete sich das Arbeitsgericht Herne in einem aktuellen Urteil (ArbG Herne, Urteil vom 10.12.2021 – 5 Ca 1495/21).
Knobeln statt reinigen – fristlose Kündigung?
Stadt A setzt im Bereich der Straßenreinigung Teams im Stadtgebiet ein. Dazu werden Fahrzeuge genutzt, die aber keinem Team fest zugeordnet sind, sondern ständig wechseln. Nun meldete sich die Stadt B bei der Stadt A und teilte mit, dass ein Fahrzeug in ihrem Stadtgebiet gesehen wurde. Stadt A fand anhand der Dienstpläne heraus, dass Fahrzeug und Besatzung sich unberechtigt während der Arbeitszeit außerhalb ihres Reinigungsreviers aufgehalten hatten.
Die Stadt beauftragte daraufhin eine Detektei, die Fahrzeug und Besatzungsmitglieder beobachten sollte. Der Detektiv beobachtete die Besatzung des Fahrzeugs an verschiedenen Tagen u. a. dabei, wie privaten Erledigungen an einem Imbiss bzw. Kiosk nachgegangen, ein Getränkemarkt besucht oder auf der Terrasse eines Vereinsheims oder einem Parkplatz geknobelt wurde. Bei einigen dieser Fahrten war auch Mitarbeiter C dabei. Nachdem der Detektiv seinen Bericht abgegeben hatte, der wohl auch Fotos des Mitarbeiters C beinhaltete, wurde Herr C mit dem Sachverhalt konfrontiert und danach fristlos gekündigt.
Das Arbeitsgericht Herne kam allerdings zu dem Schluss, dass die fristlose Kündigung unverhältnismäßig und daher unwirksam war.
Einsatz eines Detektivs – datenschutzrechtlich zulässig?
Für das Gericht stellte sich zunächst die Frage, ob es den Bericht der Detektei, die den Arbeitszeitbetrug des Mitarbeiters C bewies, überhaupt verwerten durfte. Eine solche Verwertung verbietet sich nämlich dann, wenn die Erstellung von Fotos die Privatsphäre des Abgebildeten verletzen. Dazu verweist das Gericht zunächst auf den hier einschlägigen § 18 des Datenschutzgesetzes in NRW (DSG NRW), wonach die Daten von Beschäftigten erhoben und verarbeitet werden dürfen, die für die Durchführung und Beendigung des Beschäftigtenverhältnisses erforderlich sind. Das Arbeitsgericht stellt dazu fest, dass zur Durchführung des Beschäftigtenverhältnisses die Kontrolle der Pflichterfüllung und zur Beendigung im Sinne der Kündigungsvorbereitung die Pflichtverletzung eine Datenerhebung und -verarbeitung erforderlich ist.
Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht ja, aber keine Verletzung
Die Stadt veranlasste den Detektiv personenbezogene Daten, wie Bilder der Mitarbeiter, zu sammeln, um damit zu beweisen, dass diese Mitarbeiter gegen Arbeitspflichten verstoßen und ihnen somit fristlos kündigen zu können. Im Ergebnis stellt das Arbeitsgericht fest, dass die Erstellung der Fotos und der weiteren belastenden Daten gegen den Mitarbeiter C zwar ein Eingriff in sein informationelles Selbstbestimmungsrecht darstellen, aber keine Verletzung. Keine Verletzung deshalb, weil der Eingriff nicht in die besonders geschützte Privatsphäre erfolgte, da er während der Arbeitszeit im öffentlichen Raum beobachtet wurde, wo er stets mit einer Beobachtung durch Dritte rechnen müsse.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist damit klar, dass der Einsatz des Detektivs aufgrund des konkreten Anfangsverdachts und die Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse für eine Kündigung zulässig waren.
Fristlose Kündigung ist nicht das mildere Mittel
Im Ergebnis kommt das Arbeitsgericht aber zu dem Schluss, dass die fristlose Kündigung unverhältnismäßig war, da die lange Betriebszugehörigkeit und die Vermutung des Gerichts, dass es nicht notwendigerweise zu weiteren Pflichtverletzungen des Mitarbeiters kommen wird, einer endgültigen Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter widerspräche.
Fazit
Bevor Arbeitgeber Beweise wegen Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis sammeln, sollten sie prüfen, ob diese vor Gericht überhaupt verwertbar sind bzw. sein könnten. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Nutzung von Bilddaten aus einer Videoüberwachung der Fall. Daher ist es wichtig, bereits bei der Einführung von Anwendungen, die Beschäftigtendaten verarbeiten, Zeit darauf zu verwenden, die Nutzung datenschutzkonform zu konfigurieren.
Anonymous
1. Februar 2022 @ 10:56
Schon sehr interessant wofür eine Stadt Geld ausgibt. Eine derartige Ausgabe dürfte bei klammen städtischen Kassen auch in keinem Verhältnis zum Sachverhalt stehen. Hier scheinen wohl andere Gründe mitgespielt zu haben. Jedenfalls zeigt es wieder einmal das Bespitzelung von Mitarbeitern keinen Erfolg bringt bei Gericht.
Herr Anwalt
3. Februar 2022 @ 12:37
Das ist aber sehr kurz gedacht. Überlegen Sie mal, was ein Mitarbeiter wie dieser das Unternehmen kostet? Möchten Sie mir meine Freizeitaktivitäten bezahlen? Dann bewerbe ich mich sofort bei Ihnen! Oder fühlen Sie sich beim Lesen solcher Berichte einfach nur selbst ertappt?
T.H.
7. Februar 2022 @ 13:46
Bei Arbeitszeitbetrug kommen über die Jahre schnell 5-6-Stellige Beträge zusammen. Allein wenn jeden Tag nur eine Stunde Arbeitszeit betrogen wird, werden pro Jahr über 200 Stunden und damit über 2000€ bei Mindestlohn zu viel bezahlt. Ich habe schon Fälle erlebt, wo Mitarbeiter durchschnittlich 3 Stunden täglich während der Arbeitszeit schwarz einer Nebentätigkeit nachgegangen sind. Das konnte für 2 Jahre nachvollzogen werden, was dann schon über 10000€ waren. In einem Fall war ein Mitarbeiter aber seit über 10 Jahren im Unternehmen und ist vermutlich deutlich länger so vorgegangen.