Im Rahmen der SGB II-Verfahren müssen die Hilfeempfänger ihre gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegen und durch Belege, wie Kontoauszüge, Kundenfinanzstati, Gehaltsabrechnungen, Grundbuchauszüge usw. nachweisen. Diese Auskunfts- und Nachweispflicht wird häufig auch auf die Mitbewohner und Beziehungspartner der Hilfeempfänger ausgedehnt, selbst wenn sie selbst keine Leistungen vom Jobcenter erhalten.

Dieser Praxis hat das Sozialgericht Gießen nun eine deutliche Absage erteilt:

Partner von Leistungsempfängern, die selbst nicht im Leistungsbezug stehen, müssen gem. § 60 Abs. 4 SGB II nur wahrheitsgemäße Auskunft über ihr Einkommen erteilen, dies aber nicht nachweisen.

In dem durch das Sozialgericht Gießen entschiedenen Fall (Urteil des SG Gießen vom 23.02.2016 – S 22 AS 1015/ 14) hatte die Bewohnerin einer Wohngemeinschaft Leistungen nach dem SGB II beantragt. Das Jobcenter verlangte daraufhin vom Mitbewohner, der nicht Beziehungspartner der Antragstellerin war, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie Nachweise über sein Einkommen, wie Gehaltsabrechnungen.

Das Jobcenter hatte darüber hinaus den Mitbewohner als Lebenspartner der Antragstellerin und beide als eine Bedarfsgemeinschaft behandelt, weil beide gemeinsam eine Wohnung bewohnten. Nach Ansicht des Jobcenters reichte dies aus, einen wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, anzunehmen (was gem.  § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c, Abs. 3a SGB II zur Bedarfsgemeinschaft führt).

Auch wurde der Mitbewohner vom Jobcenter als Antragsteller behandelt, obwohl er weder Leistungen beantragt hatte, noch welche begehrte, denn er war in einem Vollzeit-Beschäftigungsverhältnis.  Mit dieser Argumentation wehrte er sich gegen die Bescheidung durch das Jobcenter und musste letztlich vor dem Sozialgericht klagen.

Das Gericht schloss sich der Rechtsauffassung des Klägers an. Da der Kläger selbst keine Leistungen beantragt hatte, war er auch nicht als Antragsteller i. S. d. §§ 7, 37 SGB II zu behandeln, sondern nur als Dritter gem. § 60 SGB II. Selbst wenn er eine Beziehung mit der Antragstellerin führen würde, würde dieser Umstand ihn nicht zum Antragsteller der Leistungen machen. Daher hatte er auch keine gesteigerte Mitwirkungspflicht, die einen Antragsteller treffen (und somit auch keine Nachweispflicht in Bezug auf sein Einkommen).

Das Sozialgericht stellte insofern fest, dass § 60 Abs. 4 SGB II zwar eindeutig regele, dass Partner Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen haben, sich eine Nachweis- oder Belegpflicht aber dieser Vorschrift nicht entnehmen lässt. Hierbei kam es nach Ansicht des Gerichts auf die Frage, ob der Kläger und seine Mitbewohnerin eine Beziehung führten oder nicht, nicht an, denn selbst der Partner hat nur eine Auskunftspflicht, mehr aber nicht.

Diese Entscheidung hat erhebliche datenschutzrechtliche Konsequenzen:

Aufgrund der verneinten Nachweispflicht muss sich das Jobcenter mit den Angaben des Partners im Rahmen der Auskunft begnügen. Und die weitere Speicherung von Einkommensnachweisen der Partner, die selbst nicht im Leistungsbezug stehen, dürfte demnach mangels Rechtsgrundlage unzulässig sein.

Eine Möglichkeit zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts bleibt den Jobcentern aber weiterhin:  Bei Antragstellern können diese durch automatisierten Datenabgleich die Anwartschaften bei der Rentenversicherung, die Steuerdaten beim Veranlagungsfinanzamt, frühere Förderungen und Leistungen bei anderen Sozialversicherungsträgern abrufen. Dies gilt nach § 52 Abs. 1 S. 2 SGB II auch für Partner (einer Bedarfsgemeinschaft). Zwar geben diese Daten nur begrenzt Auskunft über das aktuelle Einkommen und noch weniger über das Vermögen. Dennoch können hohe Steuerlasten (im Vorjahr) als Indiz für ein entsprechend hohes Einkommen aktuell herangezogen werden, was eine begrenzte Plausibilitätsprüfung der Angaben der Partner ermöglicht.