Der Bundesgerichtshof hat aktuell entschieden (Urteil vom 09.07.2015 – Az.:III ZR 329/14), dass Krankenhäuser die Adressdaten ihrer Patienten bekanntgeben müssen, wenn die Auskunft benötigt wird, um Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen zu können.

Sachverhalt

Der minderjährige Kläger teilte sich in einer Fachklinik für Kinder und Jugendliche das Zimmer mit einem anderen Patienten, mit welchem er von Beginn an nicht gut zurecht kam. Während des Klinikaufenthaltes zog sich der Kläger, nachdem sein Zimmergenosse mehrfach mit aller Kraft eine Tür gegen ihn geschlagen hatte, einen Armbruch zu. Zur Durchsetzung umfassender Schadenersatzansprüche benötigte er die Anschrift des ehemaligen Mitpatienten. Sämtliche Anstrengungen, die Adresse zu ermitteln, schlugen fehl, so dass sich der Kläger an die  Klinik wandte und die Bekanntgabe der entsprechenden Anschrift forderte. Die Klinik, welche nun als Beklagte auftritt, verweigerte jedoch die Auskunft und berief sich dabei insbesondere auf die ärztliche Schweigepflicht nach § 203 Strafgesetzbuch (StGB). Zudem stünden einer Bekanntgabe datenschutzrechtliche Einwände entgegen. Der Kläger ließ diese Erklärung nicht auf sich beruhen und klagte, im Ergebnis mit Erfolg.

Begründungen des Gerichts

Eine Auskunftspflicht nach Treu und Glauben (i.S.d. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) besteht, sobald „der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Unklaren ist, er sich die zur Vorbereitung oder Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht in zumutbarer Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete unschwer (…) die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu geben vermag.“ Diese Definition führt dazu, dass ein Anspruch auf Auskunftserteilung grundsätzlich auch gegenüber einem Dritten – wie hier der Klinik – besteht, wenn diese zur Durchsetzung des Schadenersatzanspruchs gegen den Mitpatienten dient.

Der für die Körperverletzung ursächliche Aufenthalt in der Klinik basierte zudem auf einem Behandlungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten. Dieser führt dazu, dass die Klinik gegenüber ihren Patienten – besonders auch aufgrund ihrer Minderjährigkeit – eine besondere Fürsorge- und Obhutspflicht inne hat. Zusammen mit dem Grundsatz von Treu und Glauben gilt dieses vertragliche Rechtsverhältnis als hinreichende Grundlage für einen Auskunftsanspruch des Klägers.

Damit die Klinik aber auch tatsächlich zur Adressauskunft verpflichtet werden kann, muss der Kläger vorgängig alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um anderweitig an die gewünschten Informationen zu gelangen. Zudem darf die Klinik durch die Auskunftserteilung nicht in unzumutbarer Weise belastet werden. Beide Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Zum einen ist es für die Klinik ohne weiteres möglich, die gefragten Daten aufgrund des Behandlungsvertrages festzustellen bzw. bekannt zu geben und zum anderen hat der Kläger bereits erfolglos versucht die Adresse auf anderem Wege in Erfahrung zu bringen.

Im Zusammenhang mit der Frage der Zumutbarkeit müssen jedoch ebenfalls die schützenswerten Interessen des Mitpatienten mit berücksichtigt werden. Während das Landeskrankenhausgesetz Mecklenburg-Vorpommern (LKHG M-V) alle im Krankenhaus erhobenen Patientendaten dem Datenschutz unterstellt, rechtfertigt es in § 35 Abs. 1 Nr. 3 auch eine Übermittlung dieser Daten, „sofern dies erforderlich ist zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, körperliche Unversehrtheit oder persönliche Freiheit (…), wenn diese Rechtsgüter das Geheimhaltungsinteresse (…) wesentlich überwiegen.“ Der Wortlaut in § 35 LKHG M-V ist bewusst am Tatbestand des rechtfertigenden Notstandes nach § 34 StGB angelehnt, um zu verdeutlichen, dass sein Anwendungsbereich mit diesem einhergeht. Die gesetzlich vorgesehene Güterabwägung sichert den notwendigen Interessenausgleich; vorliegend muss der Anspruch auf Justizgewährung durch den Kläger mit dem Schutz der Angaben zur Identität des Mitpatienten aufgewogen werden. Dass der Anspruch auf Bekanntgabe der Daten hier überwiegt ist dahingehend nachvollziehbar und korrekt, als dass der Kläger ansonsten keine Möglichkeit hätte, seine Ansprüche geltend zu machen.

Die ärztliche Schweigepflicht nach § 203 StGB, auf welche sich die Klinik bei der Auskunftsverweigerung ebenfalls beruft, greift hier nicht. Durch den rechtfertigenden Notstand nach § 34 StGB ist eine derartige Auskunftserteilung erlaubt; besonders vor dem Hintergrund, dass es sich bei einer Adressauskunft nicht um Informationen des persönlichen Lebensbereiches handelt. Zudem ist fraglich, ob die Verwaltungsmitarbeiter eines Krankenhauses tatsächlich als berufsmäßige Gehilfen der behandelnden Ärzte nach § 203 Abs. 3 StGB eingestuft werden können.

Fazit

Bedarf es zur Geltendmachung rechtlicher Ansprüche die Auskunft Dritter, so sind diese zur Herausgabe der notwendigen Daten verpflichtet. Vorausgesetzt wird, dass bereits alle möglichen Vorkehrungen getroffen wurden, um an die benötigten Informationen zu gelangen und dass die Auskunftserteilung zumutbar ist. Die Zumutbarkeit betrifft einerseits den Auskunftspflichtigen, d.h. die Bekanntgabe der Information darf für ihn nicht zu einer unbilligen Belastung werden, andererseits müssen die Interessen an der Herausgabe der Daten höher gewichtet werden, als deren Geheimhaltungsinteresse. Ob nun das Interesse der Geheimhaltung oder der Datenbekanntgabe überwiegt, ist vom Einzelfall abhängig. Handelt es sich jedoch nicht um besonders sensitive Daten, würde der Antragsteller durch das abgewiesene Auskunftsbegehren faktisch rechtlos gestellt werden. Dies kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein.