Schon häufiger haben wir darüber berichtet, wie findige Unternehmer oder sogar Ordnungshüter Kapital aus unseren Social Media Informationen schlagen möchten. Verwundern tut das nicht. Viele verbringen einen Großteil ihres Tages in Sozialen Netzwerken und gewähren hierbei einen weitgehenden Einblick in das eigne Leben (z.B. Aufenthaltsorte, Beruf, Hobbys, politische Auffassungen, Ernährungsgewohnheiten, Beziehungsstatus). Ein wahrer Datenschatz.

Ein neues Kapitel bei der Auswertung dieser Informationen haben nun der britische Versicherer „Admiral Insurance“ und Facebook aufgeschlagen, wie „Guardian News “ schreibt. Die „Admiral Insurance“ überlegte sich, Fahranfängern einen Rabatt auf ihre Versicherung zu geben. Dies hatte aber einen Haken: Wenn die Fahranfänger in den Genuss des Rabatts kommen wollen, sollten sie der Versicherung Zugriff auf ihr Facebookprofil gewähren. Wovon hängt es nun ab, ob ich einen Rabatt bekomme? Dazu hat die Versicherung sich ein ausgeklügeltes System einfallen lassen:

Das gesamte Facebookprofil und damit auch alle als „privat“ eingestufte Inhalte werden analysiert.

Immer! Nie! Der Schreibstil entscheidet über den Tarif

Rabattwürdig ist, wer einen gut organisierten und gewissenhaften Eindruck macht. So schwammig diese Vorgabe ist, so fragwürdig ist auch, woran die Versicherung diesen Eindruck messen will: Sie schaut, ob der Facebooknutzer in kurzen, knappen Sätzen schreibt, Listen erstellt und konkret Zeit und Ort benennt, an denen er Freunde treffen will.

Sollte der Nutzer häufig Ausrufezeichen nutzen und oft „immer“ oder „nie“ schreiben, dann spricht dies in der Vorstellung der Versicherung gegen einen gut organisierten und gewissenhaften Eindruck und der Fahranfänger erhält keinen Rabatt.

Der Algorithmus, der die Analyse durchführt, soll aber auch deutlich komplexere Verknüpfungen von geschriebenen Posts, Likes und Kommentaren analysieren und errechnen können, ob jemand für einen Rabatt in Frage kommt.

Die Versicherung beteuert, dass dies absolut freiwillig und transparent für die Fahranfänger sei. Die Frage bleibt aber auch, wie die Versicherung mit dem „Beifang“ mit Kommentaren oder Nachrichten anderer Facebooknutzer, die im Profil auftauchen, umgeht.

Die Idee der Versicherung ist nicht neu. Ähnliche Ansätze gibt es bereits von Krankenversicherungen, worüber wir hier und hier bereits berichtet haben. Bisher geht es nur um Vergünstigungen. Es bleibt wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Versicherungen auch auf die Idee kommen, Aufschläge für Prämien zu verlangen, wenn der Algorithmus bei der Auswertung von persönlichen Daten zu einem negativen Ergebnis kommt oder wenn der Versicherte eine Preisgabe privater Daten verweigert.

Selbst Facebook hat Bauchschmerzen mit dem Geschäftsmodell

Allerdings war Facebook nicht erfreut von den Plänen der Versicherung, wie „Guardian News „ weiter berichtet. Facebook sah in dem Vorhaben einen Verstoß gegen seine Plattformrichtlinien. Dort heißt es nämlich unter 3.15: „Verwende keine von Facebook erhaltenen Daten, um Entscheidungen bezüglich einer Berechtigung, Eignung oder Auswahl zu treffen.“

Daraufhin sah „Admiral Insurance“ von der Nutzung des Tarifs ab, jedenfalls in der momentanen Form.

Toll…oder doch nicht?

Auch wenn das Projekt gestorben ist, wird deutlich, wohin die Reise geht. Ähnlich wie bei den neuen Krankenversicherungstarifen, ist der Kunde unter Druck, immer umfassender Daten preiszugeben, um einen günstigen Tarif zu erhalten. Die individuelle Risikoanalyse im Vertragsverhältnis zur Versicherung ist per se nicht problematisch. Schwierig ist aber, wo eine verhältnismäßige Grenze bei der Datenerhebung liegt. Eine vollständige Entblößung der eigenen Lebensumstände kann jedenfalls nicht die Lösung sein und wäre vertraglich nach § 307 Abs. 1 BGB oder zumindest § 242 BGB unzulässig. Verletzt würde auch der Grundsatz der Datenminimierung aus § 5 Abs. 1 lit. c Datenschutz-Grundverordnung.

Zudem werden Entscheidungsprozesse intransparent, wenn mit einer Persönlichkeitsanalyse von Facebook-Posts auf das Fahrverhalten geschlossen werden soll. Parameter lassen sich hierbei von der Versicherung auch beliebig und nur schwer überprüfbar festlegen. Rechtlich wären Unternehmen verpflichtet, insbesondere nach § 13 f. Datenschutz-Grundverordnung, Datenverarbeitungsverfahren hinreichend transparent zu gestalten. Dies gilt erst Recht für den Umfang der Einwilligungserklärungen nach § 7 Abs. 2 Datenschutz-Grundverordnung.

Der konforme Versicherte…. schöne neue Versicherungswelt

Aber selbst, wenn Ihnen die Parameter bekannt sind, wird es nicht unbedingt besser. Ein schönes Beispiel bildet hierbei der – im Verhältnis zu den Facebook-Posts – unverdächtige BMI (Body Mass Index). Obwohl Grundlage für viele Versicherungen, Einstellungstest und ärztliche Beratung, stellte sich erst jüngst heraus, dass das Idealgewicht nach dem BMI nicht das Idealgewicht für ein gesundes Leben ist.

Die Analyse der Facebook-Post zeigt, dass Versicherungen hier vielleicht gern auch mal den Boden der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse verlassen und Neuland betreten.

Wie oft muss Max Mustermann nun ins Fitnessstudio gehen oder welche Nahrungsmittel muss er essen, um vermeintlich gesund zu leben? Uniformes und selbstzensiertes Handeln wird jedenfalls vorteilhaft. Aber nur, wenn Ihnen die Versicherung die Parameter bekannt gibt.

Wir können nie sicher sein, ob unser Verhalten, welches uns heute noch konform mit allgemeinen Parametern wie dem BMI erscheint, morgen noch gilt. Sich nach heutigen Maßstäben korrekt zu verhalten, kann morgen schon falsch sein.

Das Ende der Solidarität

Letztendlich besteht auch die Gefahr, dass Solidarsysteme (wie Versicherungen) der Vergangenheit angehören. Solche Systeme leben nämlich davon, dass Versicherungen nicht wissen, wie risikobehaftet das einzelne Vertragsverhältnis ist. „Gesunde“ Versicherte subventionieren zu einem Teil „kranke“ Versicherte mit.

Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass Facebook zukünftig solche Systeme verhindern wird. Denn Facebook wird bei Admiral nicht die Persönlichkeitsrechte der Nutzer, sondern die „Eigentumsrechte“ und Datenauswertung zu eigenen Zwecken im Blick gehabt haben.