Die aktuellen Vorgänge um Prism zeigen, wie umfangreich und systematisch die digitale Welt von staatlicher Datensammlung betroffen sein kann. Selbst außerhalb der digitalen Welt ist ein Schutz vor systematischer Datensammlung nicht gewährleistet.

Wie die New York Times gestern berichtete, existiert in den USA ein sogenanntes „Mail Isolation Control and Tracking Program“, welches jährlich bis zu 160 Milliarden Briefsendungen innerhalb der USA automatisiert erfasst. So wurde bekannt, dass der U.S. Postal Service die Umschläge aller Briefsendung innerhalb der USA über automatische Verteilsysteme abfotografiert, für unbekannte Zeit speichert und diese Daten Sicherheitsbehörden zur Verfügung stellt. Zwar sind die Inhalte der Briefsendungen nicht unmittelbar betroffen, aber eine systematische Auswertung von Absender, Empfänger und Poststempel  erlauben Aussagen über Personen und deren soziale Beziehungen.  So ist es möglich, anhand von Absender- und Empfängeradresse auf soziale Beziehungen zu schließen und entsprechende Profile zu erstellen bzw. vorhandene Profile zu komplettieren. Der Ort des Poststempels kann zur Ergänzung von Bewegungsprofilen des Absenders beitragen.

Vor dem Hintergrund der flächendeckenden Datenspeicherung und Auswertung im Rahmen von Prism durch die NSA, nimmt sich das Tracking von Briefpost eher bescheiden aus. Das Mail Isolation Control and Tracking Programm zeigt aber auch, dass sich die Sicherheitsbehörden eben nicht auf die Kontrolle digitaler Inhalte beschränken, sondern den gesamten Lebensbereich der Bürger zu erfassen versucht. Ziel der Sicherheitsbehörden ist offensichtlich aus einzelnen Puzzlestücken der digitalen und der analogen Welt ein Gesamtprofil erstellen zu können.

Eigene Meinung zu Prism, Briefverkehrstracking & Co.:

Im Gegensatz zu Prism sind EU-Bürger vom „Mail Isolation Control and Tracking Program“ nicht unmittelbar betroffen. Nach dem Verständnis der meisten Mitgliedsstaaten  der europäischen Union – respektive deren Bürgern – dürfte eine Vorratsdatenspeicherung bzw. Vorratsprofilbildung, welche Bürger unter Generalverdacht stellt, befremdlich anmuten. Immer mehr offenbart sich, in welchem Ausmaß und mit welcher Professionalität einige Staaten neue Überwachungsinstrumente entwickeln, betreiben und hierfür vermeintliche Rechtsgrundlagen schaffen bzw. ausweiten. Selbst innerhalb der EU zeigt sich immer deutlicher ein staatliches Interesse an der Schaffung von Zugriffsmöglichkeiten auf große Datenmengen personenbezogener Daten – hier Links zu einigen Beispielen:

Bestandsdatenauskunft,

Staatliche Zugriffe auf Cloud-Anbieter,

EU-Terrorliste,

G-10-Gesetz.

Die Zeiten, in denen es um die Frage ging, welche Daten im Rahmen der Volkszählung vom Staat erhoben werden dürfen, erscheinen im heutigen Licht harmlos.