Datenschutz Notizen „zwischen den Jahren“, wie man in den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr zu sagen pflegt – vielleicht eine Zeit, um das Thema Datenschutz auch einmal aus einer anderen Perspektive zu beleuchten, nämlich der Frage nach dem Wert von Geheimnissen.
Anlass und auch zum großen Teil Gegenstand dieser Überlegungen ist ein Artikel von Matthias Dobrinski aus der Süddeutschen Zeitung vom 24.12.2014, „Lob des Geheimnisses – Ein Narr, der alles erzählt“.
Der Autor entwickelt sehr überzeugende Ausführungen über den Wert von Geheimnissen und in diesem Zusammenhang, über die Gefahren, die drohen, wenn die Balance zwischen Geheimnis und totaler Transparenz verloren geht. Denn es – die Gesellschaft und unser Miteinander – braucht diese Balance zwischen beidem. Hierzu möchten wir einige zentrale Aussagen des Artikels wiedergeben bzw. auch zitieren:
Gegen die vielen Offenlegungen, die 2014 nicht nur die Tätigkeiten ausländischer Geheimdienste, sondern auch Luxemburger Steuerschlupflöcher ans Licht gebracht haben und demnächst vielleicht sogar die Finanzen und Strukturen des Vatikans transparent machen, ist – auch aus datenschutzrechtlicher Sicht – nichts einzuwenden, soweit nicht dabei personenbezogene Daten Einzelner öffentlich werden. Im Gegenteil: Gerade die Informationen von Edward Snowden haben dem Stellenwert des Datenschutzes, nicht nur, aber auch in Deutschland, einen erheblichen Auftrieb gegeben.
Gleichzeitig aber, so der Autor, brauche „alles Miteinander … Räume des Unfassbaren und Verborgenen. Die Diffamierung des Geheimnisses im Namen der totalen Transparenz ist ein Verlust an Kultur und Menschlichkeit. Denn ohne das Geheimnis ist das Innere und das Äußere nicht mehr zu unterscheiden, im Menschen selbst so wenig wie in seinen Beziehungen. Alles Gedachte wäre sofort offenbar und alles öffentlich, was untereinander gesagt wird. Die Grenzen zwischen dem Ich, dem Du, dem Wir verschwimmen, zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen. Ein Einzelner ohne Geheimnisse ist ein Narr, der nichts für sich behalten kann.“
Die Balance aber zwischen Transparenz und Geheimnisses ist beschädigt, „weil Staat und Politik Vertrauen von Bürgern einfordern, denen sie dann doch immer wieder an die Privatsphäre wollen, mit Überwachung, Kameras und Nacktscannern. Und sie ist beschädigt durch die große Verlagerung des Lebens ins Netz, wo einerseits die Leute freiwillig ihr Inneres preisgeben und zur Schau stellen, andererseits aber auch gezwungen sind, sich zu offenbaren, mit ihren Kreditkartennummern, Einkäufen, besuchten Seiten. Nirgendwo ist der Mensch so transparent wie im Netz, als Datenspur und Datenhaufen, nirgendwo sind seine Wünsche und Ängste, seine Vorlieben, Krankheiten, Pläne per Algorithmus bis ins Letzte errechenbar, erkennbar, verwertbar. Transparenz ist, vielleicht noch viel mehr seitens der datenbeherrschenden Unternehmen als durch den Staat, zu einem Instrument der Kontrolle und Überwachung geworden. Die Transparenz, einst Mittel, um Macht zu kontrollieren, ist selbst zum Instrument der Machtausübung geworden.“
Diese Überlegungen sprechen „uns Datenschützern“ natürlich aus der Seele, auch wenn einige Schlussfolgerungen des Autors zu plakativ erscheinen, insbesondere diejenigen, die „Staat und Politik“ unterschiedslos unterstellen, mehr und mehr personenbezogene Daten der Bürger erheben und/oder speichern zu wollen. Es ist fraglos richtig, das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit mit jeder neu installierten Videokamera auf öffentlichen Plätzen kritisch zu prüfen und zu hinterfragen. Noch wichtiger erscheint in diesem Zusammenhang jedoch die kontinuierliche Schärfung des Bewusstseins derjenigen, die auf Schritt und Tritt Daten von sich erzeugen und Dritten, meist Unternehmen, überlassen, ohne sich hierüber bewusst zu sein. Und obwohl die Floskel seit Jahrzehnten abgegriffen ist, begegnet sie einem, wenn man auf diesen Umstand hinweist, noch immer: „Ich hab doch nichts zu verbergen“. Und das nicht nur von Einzelnen, sondern offensichtlich scheint sich diese Haltung trotz des Wissens um die Datensammelwut der Großen wie Amazon, Google und Co. „stabil“ zu halten: So zeigt eine in der FAZ am Sonntag (14. 12.2014) veröffentlichte repräsentative Umfrage unter erwachsenen Online-Nutzern, dass mehr als die Hälfte selten oder nie Datenschutzerklärungen im Netz läsen. Andere, ähnliche Studien zeigen nahezu identische Ergebnisse. Das mag natürlich mittlerweile auch einer fatalistischen Haltung geschuldet sein, nach dem Motto: „Was soll ich mich um Datenschutz kümmern, Geheimdienste speichern oder lesen ohnehin alles mit“. Aber dieser Fatalismus wäre fehl am Platz. Viele Nutzer haben durch die Berichterstattung nach den Enthüllungen Snowdens u.a. erstmalig davon gehört, dass man sich – durch Verschlüsselung, Datensparsamkeit, alternative Browser oder Suchmaschinen und andere Instrumente – durchaus effektiv vor der kompletten Überwachbarkeit schützen kann.
Ob der Einzelne den damit verbundenen Mehraufwand in Kauf nimmt, bleibt der individuellen Entscheidung überlassen, welchen Wert man dem Versuch beimisst, eben nicht komplett transparent zu sein und doch noch das ein oder andere Geheimnis zu haben.