Nachdem wir uns im Rahmen der Europäischen Datenstrategie mit dem Data Governance Act (DGA) befasst hatten, soll dieser Beitrag einen kleinen Einblick in den Digital Service Act (DSA) geben, wobei es vor allem um soziale Netzwerke gehen soll.

Desinformation – soziale Netzwerke im Fokus

Mit dem Krieg in Israel ist auch der DSA in prominenter Weise zur Anwendung gekommen. Die EU-Kommission hat wegen der unkontrollierten Verbreitung von Falschmeldungen X (vormals Twitter), Meta und TikTok verwarnt.

Hintergrund der Verwarnung der EU-Kommission ist der DSA, auf Deutsch „Gesetz über digitale Dienste“ (EU-Verordnung 2022/2065). Diese Verordnung möchte nach Art. 1 Abs. 1 DSA „ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld“ schaffen. Der DSA gilt für Vermittlungsdienste, die sich an Nutzer innerhalb der EU richten. In Art. 3 DSA sind die zentralen Begriffe der Verordnung definiert. Als „Vermittlungsdienste“ werden Durchleitungs-, Caching- oder Hostingdienste verstanden (Art. 3 lit. g DSA). „Hosting“ im Sinne des DSA ist die Speicherung von bereitgestellten Informationen von einem Nutzer in dessen Auftrag (Art. 3 lit. g iii) DSA). Eine „Online-Plattform“ wird definiert als ein Hostingdienst, der im Auftrag eines Nutzers Informationen speichert und öffentlich verbreitet (Art. 3 lit. i DSA), wobei ErwGr. 13 ausdrücklich soziale Netzwerke als solche bezeichnet.

Hierunter fallen auch die großen sozialen Netzwerke, die aktuell im Fokus der EU-Kommission wegen Falschmeldungen stehen. Dabei geht es um die Vorgabe des DSA zum Umgang mit rechtswidrigen Inhalten. Nach Art. 3 lit. h DSA sind dies „alle Informationen, die […] nicht im Einklang mit dem Unionsrecht oder dem Recht eines Mitgliedstaats stehen“. Der ErwGr. 2 zum DSA spricht ausdrücklich davon, dass die Mitgliedstaaten nationale Rechtsvorschriften einführen sollen (in Deutschland das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)), die gegen rechtswidrige Inhalte bzw. Online-Desinformation vorgehen. Der DSA greift dieses Vorhaben ausdrücklich auf, um dies EU-weit zu regeln. In ErwGr. 3 wird die Bedeutung eines sicheren, berechenbaren und vertrauenswürdigen Online-Umfeldes für die EU-Bürger hervorgehoben.

Moderationsteams können von Vorteil sein

Art. 6 DSA legt den Haftungsrahmen für rechtswidrige Inhalte für Hostingdienste fest. Hat der Anbieter nach Art. 6 Abs. 1 tatsächlich Kenntnis davon, muss er zügig tätig werden. Die Meldung eines rechtswidrigen Inhalts an den Anbieter führt dazu, dass die tatsächliche Kenntnis vermutet wird. Die Meldeoption ist aus den sozialen Netzwerken bekannt. Die Verpflichtung zu Meldeverfahren sind in Art. 16 DSA näher geregelt. Was genau unter „zügig tätig werden“ zu verstehen ist, wird nicht näher erläutert. Dazu haben bisher Moderationsteams bei X geholfen, die allerdings reduziert worden sind.

Für Plattformen, die Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher anbieten, gilt die Haftungsprivilegierung aus Art. 6 Abs. 1 nicht. Nach Art. 6 Abs. 3 haftet für diesen Fall der Dienst sofort, da davon ausgegangen wird, dass er von Anfang an Kenntnis von der Rechtswidrigkeit hatte.

Wichtig ist für die Haftung noch zu erwähnen, dass die Anbieter nach Art. 8 DSA keine Verpflichtung trifft, aktiv die übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten.

Verschärfte Regelungen für große Anbieter

Daneben ist noch zu beachten, dass Online-Plattformen, die gemäß Art. 19 DSA nicht Kleinst- und Kleinunternehmen bzw. nach Art. 33 DSA sehr große Online-Plattformen (mindestens 45 Mio. aktive Nutzer im monatlichen Durchschnitt) sind, zusätzlichen Bestimmungen unterliegen. Dazu gehören ein internes Beschwerdemanagement und eine außergerichtliche Streitbeilegung. Ebenso muss Werbung klar gekennzeichnet werden und Anbieter dürfen nach Art. 25 DSA keine Methoden zur Gestaltung von Online-Schnittstellen nutzen, die gemeinhin als Dark Patterns bezeichnet werden. Außerdem kann die Kommission direkt gegen solche Online-Plattformen vorgehen. In den anderen Fällen sind es die nationalen Behörden.

In einem ersten Schritt kann die Kommission nach Art. 67 DSA sog. Auskunftsverlangen an die Diensteanbieter versenden. Dies tat im Falle von X die EU-Kommission, sprach von Hinweisen auf rechtswidrige Inhalte auf X und forderte eine Antwort bis zum 18.10.2023. Allein für unrichtige, unvollständige oder irreführende Angaben des Anbieters können nach Art. 74 DSA Geldbußen verhängt werden. Diese können bis zu 1 % des Gesamtjahresumsatzes des letzten Geschäftsjahrs betragen. Letztes Jahr hat Twitter 4,4 Mrd. US-Dollar Umsatz erwirtschaftet. Das wären bis zu 44 Mio. US-Dollar.

Die Antwort von Elon Musk bzw. X könnte den Erwartungen der Kommission bisher nicht vollständig entsprochen haben.

Ob es im Falle von X zu einem formellen Verfahren nach Art. 66 DSA kommt, bleibt abzuwarten.

Sollte die EU-Kommission mit den Maßnahmen von X nicht zufrieden sein, könnte sie nach Art. 74 DSA Strafen (bis zu 6 % des Gesamtjahresumsatzes, also 264 Mio. US-Dollar) bzw. nach Art. 76 DSA Zwangsgelder verhängen. Sollte dies ebenfalls nicht fruchten, kann nach Art. 82 i. V. m. Art. 51 Abs. 3 DSA der Zugang zum Diensteanbieter eingeschränkt werden.

Der Wilde Westen scheint vorbei

Die EU versucht nun, was auf nationaler Ebene bisher geregelt war. In Deutschland ist es bisher das NetzDG gewesen. Ein Anbieter wird nun eher motiviert sein, rechtswidrige Inhalte zu entfernen, bevor er den Zugang zu einem Markt mit ca. 440 Millionen Einwohnern und potentiellen Internetnutzern verliert.