Wer ein Festival besucht, rechnet mit vielem – mit brütender Hitze und weit und breit ist kein Schatten zu finden. Oder mit strömendem Regen Tag und Nacht und Wasser in den Stiefeln. Nicht aber damit, von der Polizei unbemerkt per Video beobachtet und dabei zugleich einer Gesichtserkennung unterzogen zu werden.

Ungewollte Zeugen dieses Szenarios wurden kürzlich die Besucher des Download-Festivals im Donington Park. Das Festival findet seit 2003 statt. Auf mehreren Bühnen treten weit über 100 Bands vor rund 90.000 Zuschauern auf.

Die Polizei der Grafschaft Leicestershire nutzte das Festival, um eine neue Technologie auszuprobieren. Die Besucher des Festivals wurden zunächst an strategischen Punkten mit Videokameras erfasst. Im Hintergrund lief eine Gesichtserkennungssoftware. Diese glich die Gesichter der erfassten Personen mit einer Datenbank für europäische Straftäter ab. Einen konkreten Anlass für diese Maßnahme gab es nicht.

Nach Angaben der Polizei sollten mithilfe der Gesichtserkennung Straftäter gefasst werden, die es zum Beispiel auf den Diebstahl von Mobiltelefonen abgesehen haben. Hierzu war es nach Auffassung der Polizei notwendig, das Projekt vorab geheim zu halten. Festivalbesucher und Öffentlichkeit sollten erst im Nachhinein informiert werden.

Die Polizei von Leicestershire feiert den Einsatz der Gesichtserkennungssoftware als Erfolg. Auf dem Download-Festival habe es keine besonderen Vorfälle und allgemein nur wenige Straftaten gegeben. Dies führt die Polizei selbstredend auch auf den Einsatz der Gesichtserkennungssoftware zurück. Sie fügt hinzu, dass es nur eine minimale Chance von weniger als 0,2 Prozent gegeben habe, von dem System irrtümlich als Straftäter erkannt zu werden. Die aufgezeichneten Daten seien am Ende der Veranstaltung vernichtet worden.

Ist das auch in Deutschland denkbar?

In Deutschland wäre der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware zur Überwachung von Festivalbesuchern nicht ohne Weiteres möglich. So bestimmt zum Beispiel das Allgemeine Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin in seinem § 24 Absatz 1 zum Einsatz von Videoüberwachung durch die Polizei:

„Die Polizei kann bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen (…) Veranstaltungen oder Ansammlungen personenbezogene Daten (…) durch den Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen von Teilnehmern erheben, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dabei Straftaten begangen werden.“

Erforderlich für den Einsatz von Videotechnik sind daher zumindest konkrete Anhaltspunkte, dass bei einer Veranstaltung Straftaten begangen werden. Allzu hohe Anforderungen werden hieran zwar nicht zu stellen sein. Jedoch ist der Einsatz ohne einen konkreten Anlass, wie beim Download-Festival geschehen, nicht zu rechtfertigen.

In jedem Fall muss die Videoüberwachung offen erfolgen und damit für die Besucher einer Veranstaltung erkennbar sein. Insoweit findet das Gesetz in § 24 Absatz 1 Satz 3 ASOG Bln klare Worte:

„Verdeckte Bild- und Tonaufzeichnungen sind unzulässig.“

Die Auswertung erstellter Videoaufzeichnungen mit einer Gesichtserkennungssoftware deckt die Vorschrift des § 24 ASOG Bln nicht ab. Das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz von Berlin enthält auch in anderen Normen keine besonderen Vorschriften für die Gesichtserkennung. Eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware könnte sich allenfalls aus den Regelungen zum Datenabgleich in § 28 ASOG Bln ergeben.

Diese zielen jedoch nicht speziell auf eine Gesichtserkennung ab. Es ist daher fraglich, ob sich ein derart intensiver Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen, wie er durch die Gesichtserkennung erfolgt, auf die allgemeine Regelung zum Datenabgleich durch die Polizei stützen ließe. Im Ergebnis wäre der Gesetzgeber aufgerufen, spezielle Normen für den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware zu schaffen.

Stand heute fehlt es für den rechtmäßigen Einsatz von Gesichtserkennungssoftware durch die Polizei daher an der dafür erforderlichen Rechtsgrundlage.