Die Durchführung von verdeckten Videoüberwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz ist regelmäßig mit rechtlichen Unsicherheiten behaftet. So ist zum Beispiel im Einzelhandel häufig unklar, welche Maßnahmen zuvor erfolglos ausgeschöpft sein müssen, damit eine verdeckte Videoüberwachung gegen einen bestimmten Mitarbeiter überhaupt durchgeführt werden kann. Unsicherheiten bestehen zudem bei der Verwertbarkeit von „Zufallsfunden“. Hierbei führt die Auswertung der Videoaufzeichnungen zur Überführung eines Mitarbeiters, der ursprünglich nicht zum Kreis der verdächtigten Beschäftigten gehörte. Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.12.2015 (Aktenzeichen 7 Sa 1078/14) hilft, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Voraussetzungen einer verdeckten Videoüberwachung

Die Voraussetzungen einer verdeckten Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis sind durch das Bundesarbeitsgericht geklärt. Nach dessen ständiger Rechtsprechung sind heimliche Bildaufnahmen eines Mitarbeiters erlaubt, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (siehe hierzu Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27.03.2003, 2 AZR 51/02; Urteil vom 21.06.2012, 2 AZR/153/11; Urteil vom 21.11.2013, 2 AZR 797/11). Der Verdacht muss sich dabei gegen einen bestimmten oder zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Beschäftigten richten.

Situation im Einzelhandel

Im Einzelhandel ist die verdeckte Videoüberwachung ein geeignetes Mittel, um Straftaten von Beschäftigten aufzuklären. In der Praxis ist es für den verantwortlichen Unternehmer jedoch nicht immer einfach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine verdeckte Videoüberwachung in dem konkreten Fall gegeben sind. Unternehmer, die ohne weitere Prüfung zum Mittel der heimlichen Videoüberwachung greifen, setzen sich rechtlichen Risiken aus – sei es, dass die Datenschutzaufsichtsbehörde den Fall prüft und bei nachträglicher Feststellung der Unzulässigkeit der Maßnahme ein Bußgeld verhängt oder dass der Betroffene seinen Arbeitgeber auf die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds in Anspruch nimmt.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf

Das LAG Düsseldorf hat in seinem Urteil vom Dezember 2015 ausführlich zu den Anforderungen an eine verdeckte Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis Stellung genommen. Dem Urteil lag der folgende Fall zugrunde:

Der Arbeitgeber, ein Einzelhandelsunternehmen, stellte in einer Filiale erheblich angestiegene Inventurverluste fest. Bei den Warengruppen Tabak/ Zigaretten und Nonfood waren sie jeweils um mehr als das Zehnfache gestiegen. Daraufhin führte der Arbeitgeber umfangreiche Recherchen durch, um die Ursache für die deutlich erhöhten Inventurverluste aufzuklären. Hierzu traf er folgende Maßnahmen:

  • Einsichtnahme in Personaleinsatzpläne,
  • Abgleich von Abwesenheits- und Anwesenheitslisten mit Warenverlusten,
  • Kontrolle von gebuchten Warenrücknahmen,
  • Kontrolle der Kassenjournale einschließlich detaillierter Auswertung der Umsätze,
  • Überprüfung der Systeme Belieferungs- und Abverkaufskontrolle und Warenfluss,
  • stichprobenartige Kontrollen der Mitarbeiter bei Verlassen des Arbeitsplatzes zu unterschiedlichen Zeitpunkten (Früh-, Mittags- und Spätkontrollen).

Diese Maßnahmen führten nicht zur Aufklärung der Inventurverluste. Der Verdacht konkretisierte sich jedoch auf zwei bestimmte Mitarbeiter. Zur weiteren Aufklärung ließ der Arbeitgeber sechs verdeckte Kameras im Kassenbereich installieren. Die Auswertung der Videoaufzeichnungen bestätigte den Verdacht gegen die beiden Mitarbeiter. Bei der Sichtung der Videoaufzeichnungen konnte zudem eine weitere Mitarbeiterin dabei beobachtet werden, wie sie zu ihren Gunsten einen Pfandbon erstellt und sich 3,25 Euro aus der Kasse nimmt, ohne zuvor Leergut abgegeben zu haben.

Das LAG Düsseldorf bewertete die verdeckte Videoüberwachung hinsichtlich aller betroffenen Mitarbeiter als zulässig. Die von dem Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen an eine heimliche Videoüberwachung seien erfüllt. Für den Arbeitgeber sei sie praktisch die einzige Möglichkeit gewesen, die erheblich angestiegenen Inventurverluste aufzuklären und den Verdacht in personeller Hinsicht einzugrenzen. Ein Beweisverwertungsverbot nahm das Gericht folglich in keinem Fall an.

Problematik des Zufallsfundes

Das LAG Düsseldorf schafft mit seinem Urteil Klarheit hinsichtlich der Verwertung von Bildaufnahmen, die einen Zufallsfund betreffen. In diesen Fällen werden bei der Auswertung der Videoaufzeichnungen Straftaten von Beschäftigten entdeckt, die ursprünglich nicht zum Kreis der verdächtigten Mitarbeiter gehörten. Der Umgang mit solchen Fällen ist umstritten.

Es wird die Auffassung vertreten, dass Zufallsfunde regelmäßig unverwertbar seien. Der Verwertbarkeit stehe die Regelung des § 6b Absatz 3 BDSG entgegen. Danach dürfen gespeicherte Videoaufnahmen nur ausgewertet werden, soweit das zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist. Dieser beziehe sich gerade nicht auf Personen, die zufällig in den Fokus der verdeckten Kamera gelangt sind.

Das LAG Düsseldorf erteilt der pauschalen Unverwertbarkeit von Zufallsfunden eine Absage. Zufällig gewonnene Erkenntnisse seien verwertbar, wenn das Beweisinteresse des Arbeitgebers höher zu gewichten sei als das Interesse des Beschäftigten an der Achtung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. In der Praxis bedeutet das, dass die Verwertung von Zufallsfunden zulässig ist, wenn auf den Videoaufzeichnungen eine Straftat oder andere schwere Pflichtverletzung erkennbar und die verdeckte Videoüberwachung im Hinblick auf diesen Fall nicht unverhältnismäßig ist. Erforderlich für die Verwertbarkeit ist also das Überschreiten einer gewissen Erheblichkeitsschwelle. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in seinem Urteil vom 21.11.2013 bereits in ähnlicher Weise geäußert (wir berichteten).

Fazit

Für Arbeitgeber im Einzelhandel stellt das Urteil des LAG Düsseldorf in ähnlich gelagerten Fällen eine gute Orientierungshilfe dar. Anhand der in dem Urteil dargelegten Gründe können sie prüfen, ob die strengen Voraussetzungen einer verdeckten Videoüberwachung bei der Feststellung von Auffälligkeiten in einer Filiale (erhöhte Inventurverluste, Überschreiten von Schwellwerten bei der Bondatenanalyse etc.) im konkreten Fall erfüllt sind. Insbesondere sollten sie die in dem Urteil aufgeführten weniger einschneidenden Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor erfolglos ausschöpfen.

Rechtssicherheit bietet das Urteil zudem hinsichtlich der bisher unklaren Behandlung von Zufallsfunden bei einer verdeckten Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis.