Um es gleich vorweg zu sagen: Ich bin der Meinung, dass die Bundesregierung ein gutes Krisen-Management betreibt. Es fehlen zwar Atemschutzmasken, auch sind die Kapazitäten für Coronatests immer noch zu gering, um positiv getestete Personen identifizieren und eine effektive Quarantäne organisieren zu können. Dennoch verläuft die Coronakrise in Deutschland im internationalen Vergleich doch sehr glimpflich; die Sterblichkeitsquote ist verhältnismäßig niedrig. Gründe hierfür sind eine ausreichende Zahl von Intensivbetten und Beatmungsgeräten in den Krankenhäusern und moderate Maßnahmen und Einschränkungen, die bislang von der Bevölkerung im Wesentlichen akzeptiert und auch eingehalten werden.

Die seit über zwei Wochen in Kraft getretenen Maßnahmen – rechtlicher Hintergrund ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG) – schränken nicht nur das Arbeitsleben und das Freizeitverhalten ein, sondern auch zahlreiche Grundrechte, so die Bewegungsfreiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, die Versammlungsfreiheit, die Religionsfreiheit, das Recht auf Bildung, Menschen- und Persönlichkeitsrechte und – sofern im Einzelfall erforderlich – auch das Post- und Fernmeldegeheimnis. Und in Ungarn werden – wie in anderen totalitären Staaten auch – durch weitreichende Ermächtigungsgesetze die Gewaltenteilung demontiert und das Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt.

Dabei ist die Diskussion um die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel auch in Krisenzeiten wichtiger denn je, hier ein paar Beispiele der letzten Tage:

  • Das Land Niedersachsen hatte ursprünglich vor, Besuche von Familienangehörigen und engsten Freunden auch über Ostern nur in eingeschränktem Umfang zuzulassen. Die Empörung hierüber war so groß, dass die Verordnung bereits am nächsten Tag zurückgezogen wurde.
  • Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat am Wochenende in der „Welt“ vorgeschlagen, Menschen über 65 und chronisch Kranke aus dem Alltag herauszunehmen. Hans-Christian Ströbele kündigte daraufhin eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, sollte dieser Selektions-Vorschlag tatsächlich so umgesetzt werden.
  • Grenzschließungen zu Nachbarländern schränken die Mobilität der Bürger erheblich ein, sehr zum wirtschaftlichen Schaden. Laut Aussage des Präsidenten des Deutschen Bauernverbands Joachim Rukwied und des Präsidenten des Bundesverbands Großhandel Holger Bingmann sind Grenzkontrollen und Einschränkungen der Personenfreizügigkeit Teil des Problems und nicht deren Lösung.
  • Seit mehr als zwei Wochen finden keine Gottesdienste mehr statt. Eine katholische Gemeinde in Berlin hat hiergegen mit dem Hinweis auf Einschränkung der Religionsfreiheit geklagt.

Was können wir aus der Krise lernen?

  1. Die Einschränkung der Grundrechte muss zeitlich begrenzt sein. Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhard Baum plädiert für ein Verfallsdatum aller Einschränkungen von zwei Monaten. Einzelne Maßnahmen müssen explizit verlängert werden.
  2. Die Einschränkung der Grundrechte muss verhältnismäßig sein. Die Verhältnismäßigkeit muss gesamtgesellschaftlich akzeptiert und auch in Krisenzeiten jederzeit diskutiert werden dürfen, ohne sich dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, leichtfertig die Gesundheit und das Leben anderer zu gefährden.
  3. Die Einschränkung der Grundrechte muss rechtmäßig und verfassungskonform sein. Das Handeln der Exekutive muss durch Gesetze bzw. Rechtsverordnungen legitimiert sein. Strittige Einschränkungen müssen – und sei es nachträglich – auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft werden.