Der Konzern Google LLC hat seit Mitte Juli 2023 neue Bilder der Straßen Hamburgs auf dem Kartendienst Google Maps in Street View hochgeladen. Die Bilder wurden nach über zehn Jahren erneuert, die alten Aufnahmen wurden entfernt. Die Auflösung der neuen Bilder ist teilweise so hoch, dass man Personen auch durch Fensterscheiben erkennen kann. Der Umgang mit personenbezogenen Daten hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Als Google in den Jahren 2008 bis 2010 zunächst auch in Europa, PKWs mit sog. Panoramakameras ausrüstete, um flächendeckend Straßenansichten aufzunehmen und diese dann im Internet zum Abruf bereitzustellen, waren die Reaktionen andere als heute. Damals wurde kontrovers diskutiert inwieweit der Datenschutz und die Privatsphäre beim Abfotografieren von Häusern und Vorgärten sowie Straßenansichten betroffen sind, heute hat man mehr Verständnis für die weitgreifende Verarbeitung solcher Daten.
Die Rolle der Hamburger Datenschutzbehörde
Die Datenschutzbehörde in Hamburg, deutschlandweit zuständig für Google, nahm auch schon 2010 die Rechte Betroffener wahr, indem sie mit Google weitergehende Vorgaben für den Schutz der Privatsphäre vereinbarte als das Unternehmen global einzulösen bereit war, so der damalige Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI), Herr Prof. Dr. Caspar in seiner Presseerklärung vom 10.08.2010. Google Street View wurde damals zu einem umstrittenen Thema. Auf Nachfrage der Aufsichtsbehörden wurde bekannt, dass die von Google eingesetzten PKW bei ihrer Befahrung der Straßen gleichzeitig die Inhalte offener, nicht verschlüsselter WLANs auf einer mitgeführten Festplatte speicherten. Dies führte zu einem Sturm der Entrüstung und einem immensen Vertrauensverlust. Zahlreiche aufsichtsbehördliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurden dadurch weltweit ausgelöst. Am Ende wurde gegen Google in Deutschland ein Bußgeld in Höhe von ca. 150.000 Euro erlassen. Ein solches Bußgeld würde heutzutage nach den Vorgaben der DSGVO, die eine Bußgeldhöhe von bis zu 4% des weltweiten jährlichen Umsatzes eines Unternehmens vorsieht, wahrscheinlich höher ausfallen.
Wie sieht das Vorgehen von Google heute aus?
Mit dieser Erfahrung im Gepäck hat sich Google 2023 rechtzeitig an den HmbBfDI gewendet. Außerdem erhitzen die Auswirkungen von digitalen Technologien auf die Privatsphäre heute bei weitem nicht mehr so sehr die Gemüter, wie noch 2010, zu Beginn von Google Street View. Dafür verantwortlich sind wohl der schnell wachsende technische Fortschritt und der damit verbundene Gewöhnungseffekt der Bevölkerung. Durch immer schneller werdende technologische Innovationen, die unsere Kommunikation massiv beeinflussen, ändert sich auch das Bewusstsein der eigenen Privatsphäre vieler. Erste Reaktionen bei Befragungen des NDR von Hamburger*innen zu den neuen Aufnahmen fielen weiterstgehend positiv aus.
Datenschutzrechtliche Bewertung
Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hat bereits am 12.05.2020 mit ihrem Beschluss zur datenschutzrechtlichen Bewertung von Panoramadiensten, wie Google Street View, Stellung genommen. Die DSK schreibt darin:
„Für die Veröffentlichung von Straßenansichten, einschließlich teilweiser Abbildungen von Häuserfassaden und privaten Grundstücksbereichen, welche an den öffentlichen Straßenraum angrenzen, kann im Rahmen von StreetView und ähnlichen Diensten Art.6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO als Rechtsgrundlage in Betracht kommen. Dabei dürfen nur die personenbezogenen Daten veröffentlicht werden, die für die Zweckerreichung zwingend erforderlich sind, so sind Merkmale, die die Identifizierung einer Person ermöglichen, insbesondere Gesichter und KFZ-Kennzeichen, unkenntlich zu machen. Dies ergibt sich bereits aus Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO (Grundsatz der Datenminimierung). Zudem hat der Anbieter vor Beginn der Aufnahmen die Öffentlichkeit in geeigneter Weise zu informieren.“ (DSK Beschluss vom 12.05.2023)
Google ist im März 2023 an den HmbBfDI herangetreten, so die Aufsichtsbehörde in ihrer Pressemitteilung vom 25.07.2023. Gemeinsam habe man datenschutzrechtlichen Fragen hinsichtlich der Veröffentlichung der neuen Bildaufnahmen erörtert. Dabei wurde festgestellt, dass Google bereits im Jahr 2022 Kartenfahrten durchgeführt hatte. Diese sollten – so Google – nur für interne Zwecke verwendet werden. In welchen Landkreisen und Städten Google im Jahr 2022 Aufnahmefahrten vorgenommen hat, soll Google dabei, so die Angaben der Pressemitteilung, jeweils vorab auf einer Webseite veröffentlicht haben. Google soll jedoch die Öffentlichkeit nicht zum Zeitpunkt der Aufnahmen darüber informiert haben, dass die Bilder bei Street View veröffentlicht werden können. Aus diesem Grund hat der HmbBfDI von Google gefordert, dass das Unternehmen die Öffentlichkeit über die geänderte Verwendungsabsicht informiert. Zudem wird betroffenen Personen die Möglichkeit eingeräumt, vor und auch nach der Veröffentlichung der neuen Bilder, Widerspruch gegen die Abbildung ihres Hauses einzulegen. Google hat dann die Aufnahmen zu verpixeln (sog. “Blurring”).
Ob und in wie weit Google vor Beginn der Aufnahmen, wie es die DSK verlangt, die Öffentlichkeit in geeigneter Weise informiert hat bleibt fraglich.
Die DSK führt in ihrem Beschluss weiter aus:
„Im Rahmen der Interessenabwägung ist ein Verlangen betroffener Personen auf Unkenntlichmachung personenbezogener Daten zu berücksichtigen. Dieses Verlangen kann zumindest ab dem Zeitpunkt der Anfertigung der Aufnahmen durch den Dienst wahrgenommen werden und umfasst auch Abbildungen von Häuserfassaden und privaten Grundstücksbereichen. Art. 21 DSGVO bleibt unberührt. Das Verlangen auf Unkenntlichmachung nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO und der Widerspruch nach Art. 21 DSGVO müssen sowohl online als auch postalisch eingelegt werden können. Auf diese Rechte muss ausdrücklich hingewiesen werden.“ (DSK Beschluss vom 12.05.2023)
Fazit
Google darf Aufnahmen nur von Bereichen verarbeiten, die vom öffentlichen Raum einsehbar sind. Zudem muss es durch Schutzvorkehrungen, wie zum Beispiel die Verpixelung von Gesichtern und Kfz-Kennzeichen, sicherstellen, dass bei der Aufnahme und Veröffentlichung die Rechte betroffener Personen gewahrt werden. Google bietet zudem – wie vom DSK gefordert – die Möglichkeit, Häuserfassaden und private Grundstücksbereiche unkenntlich zu machen. Dies ist über einen Widerspruch möglich.
Bei Einhaltung dieser Voraussetzungen muss Google von den betroffenen Personen keine Einwilligung zur Aufnahme und Veröffentlichung der Bilder einholen.
Wie Sie ihre Rechte gegen Google geltend machen können erfahren Sie in Teil 2.
Hans Schmidt
23. Januar 2024 @ 12:42
Es gilt in Deutschland das Recht der Panoramafreiheit. Rechtsgrundlage der Panoramafreiheit ist § 59 UrhG. Was bedeutet das? Einfach gesagt: Solange man sich auf öffentlichem Boden befindet, darf man Häuser und Straßen fotografieren und die angefertigten Bilder beliebig verwerten, auch kommerziell. Eine Zustimmung durch die Hauseigentümer ist nicht erforderlich, Hauseigentümer haben kein Mitspracherecht, solange man die Fotos vom öffentlichen Boden aus anfertigt. Selbstverständlich gilt die Panoramafreiheit auch für Google. Google müsste die Unkenntlichmachung gar nicht anbieten.
John Smith
15. Januar 2024 @ 15:12
Ich habe gewisse Zweifel daran, dass der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO bzgl. Häuserfronten überhaupt eröffnet ist. Bzw. sind Häuserfronten ein personenbezogenes Datum gem. Art. 4 Nr. 1 DSGVO? Bestimmt nicht in den allermeisten Fällen. Somit sehe ich kein Widerspruchsrecht gegenüber einem berechtigten Interesse von Google und auch keine Handhabe der Behörde die Möglichkeit eines Blurring von Google überhaupt zu verlangen.