Das größte soziale Netzwerk der Welt, Facebook, steht seit einiger Zeit unter Beschuss. Unter anderem die (unerlaubte) Auswertung von Nutzerdaten von bis zu 87 Millionen Menschen durch die Firma Cambridge Analytica verdeutlichte jüngst die datenschutzrechtlichen Risiken für die Nutzer von Facebook. Und auch neue Geschäftsmodelle werfen Fragen auf.
Schließlich erzielt das US-amerikanische Unternehmen den Großteil seiner Gewinne durch den Verkauf von Werbeanzeigen im kostenlosen Netzwerk. Je mehr Anzeigen ausgespielt und von den Nutzern gesehen bzw. angeklickt werden, desto besser läuft das Geschäft. Deshalb entwickeln die Macher immer bessere Algorithmen und Verfahren, um den Betroffenen immer besser zu verstehen und ihm dadurch die Werbung möglichst passgenau anzuzeigen.
Mittlerweile setzt das Unternehmen Verfahren ein, die auf künstliche Intelligenz bzw. Deep Learning Methoden basieren und die Aktivitäten der Mitglieder so gut analysieren können, dass dadurch ein zukünftiges Verhalten des Betroffenen vorhergesagt werden kann. Eine möglichst richtige Prognose über das Handeln des Nutzers in der Zukunft dürfte die Erfolgsquote von Werbeanzeigen nochmals deutlich steigern. Das sog. „Predictive Advertising“ dient dabei nicht nur Facebook für eigene Aktionen (FBLearner Flow), sondern soll auch beim Verkauf von „anonymisierten“ Nutzerdaten an externe Unternehmen für Werbezwecke zum Einsatz kommen.
Datenschutz bei der Verhaltensauswertung
Die Technik wirft datenschutzrechtliche Fragen auf. Wie auch die Verarbeitung von Angaben, die der Nutzer eigenständig oder mittelbar auf der Plattform macht, setzt auch die Verarbeitung des Nutzerverhaltens eine wirksame Rechtsgrundlage voraus (Art. 6 Abs. 1 DSGVO). Dies kann eine gültige Rechtsvorschrift sein, beispielsweise eine Verhaltensanalyse als Sicherheitsmaßnahme zur Durchführung eines Vertrages (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DSGVO), oder aber die Einwilligung des Betroffenen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a), Art. 7 DSGVO). Insbesondere bei der Verarbeitung von besonderen Kategorien personenbezogener Daten, wie z.B. Gesundheitsdaten oder biometrischen Daten bedarf es sogar der ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen nach Art. 9 Abs. 2 lit. a) DSGVO. Ein eindeutig einer Person zuordenbares Nutzungsverhalten, das nach vielen Stunden und Tagen der Auswertung jedes Klicks, jedes getippten Buchstaben im Chat oder Newsfeed und jedes angeklickten Inhalts ein immer eindeutigeres, einzigartiges „Bild“ erschafft, kann der Biometrie zugeordnet werden. Zusammen mit weiteren tausenden Faktoren, die bei der Nutzung der Webseite und App von Facebook hierbei einfließen, entsteht ein einzigartiger Wert.
Eine ausdrückliche Einwilligung des Nutzers in eine derartig tiefgehende Auswertung jedes Klicks und jedes getippten (und auch wieder gelöschten) Buchstaben ist nicht zu sehen. Die vor Jahren vorgenommene Anmeldung bei Facebook dürfte hierfür nicht ausreichen.
Über eine derartige Analyse des Verhaltens des Nutzers im Netzwerk gilt es ferner im Sinne von Art. 12, Art. 13 DSGVO zu informieren. Schließlich werden dadurch Informationen des Nutzers verarbeitet, die deutlich über die vom Betroffenen selbst gemachten Angaben wie z.B. die Veröffentlichung des Alters oder aber das Liken vom Lieblingsverein hinausgehen. Im Rahmen der „Verhaltensbiometrie“ können Erkenntnisse zum Einzelnen getroffen werden, die Emotionen oder psychologische Aspekte umfassen. Kann das Unternehmen sogar zukünftige Aktivitäten und Interessen des Nutzers vorhersagen, besteht hier ein hohes Risiko der Personalisierung von Inhalten und Preisen. Unternehmen könnten dann persönliche Umstände des Kunden zum Verkauf von Produkten ausnutzen (oder die Preise gezielt verändern), wie es auch schon bei Amazon gerügt wird. Letztlich könnte sogar das Verhalten des Betroffenen beeinflusst werden. Dies wird vor allem immer mit den Anforderungen nach dem Datenschutz bei Anwendungen künstlicher Intelligenz diskutiert. Zudem müssten den Betroffenen ausreichende Kontrollrechte eingeräumt werden, wie der Widerspruch gegen das „Profiling“ für Werbezwecke nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO, der allgemeine Widerspruch gegen diese Datenverarbeitung und auch Einblick in die bisher gewonnenen Erkenntnisse.
Facebook befindet sich derzeit im Prozess der Umstellung auf die Datenschutz-Grundverordnung, die solche Auswertungsmethoden wie beschrieben an strengere Vorgaben knüpft und auch die Betroffenenrechte stärken wird. Es bleibt abzuwarten, inwieweit das größte Soziale Netzwerk den hohen europäischen Anforderungen gerecht wird.