Wem seit August dieses Jahres ein neuer Personalausweis ausgestellt wurde, dem wird aufgefallen sein, dass es nun verpflichtend ist, zwei Fingerabdrücke auf dem Ausweisdokument zu hinterlegen. Diese Regelung geht auf das „Gesetz zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen“ vom November letzten Jahres zurück. Das Gesetz soll eine EU-Verordnung aus dem Jahre 2019 umsetzen.

Was ist neu?

Bereits seit 2007 ist es Pflicht, beim Ausstellen seines Reisepasses die Fingerabdrücke des rechten und linken Zeigefingers zu hinterlegen. Seit einiger Zeit konnten sich Bürgerinnen und Bürger bereits freiwillig dafür entscheiden, dies auch bei ihren Personalausweisen zu tun. Nun ist es seit August obligatorisch. Niemand kommt also mehr drumherum, seine Fingerabdrücke auf amtlichen Ausweisdokumenten zu hinterlegen. Zusätzlich sieht das besagte Gesetz ab Mai 2025 vor, dass jede Bundesbürgerin und jeder Bundesbürger die biometrischen Passbilder nur noch digital in Behörden oder anerkannten Fotostudios anfertigen lassen kann (wir berichteten hier), da die digitalen Passbilder auf gesichertem Wege an die Behörden übermittelt werden müssen. Mitgebrachte analoge Bilder sind damit nicht mehr gültig.

Sinn und Zweck des Gesetzes

Durch immer neue Möglichkeiten, seine eigene Identität fälschen zu können, sind Lichtbildnachweise aus Sicht des Gesetzgebers bald nicht mehr ausreichend, um eine sichere Identifizierung von Personen zu gewährleisten. Vor allem die Gefahren des sogenannten „Morphings“ hatte der Gesetzgeber hier im Blick. Dabei werden mehrere Gesichter durch einen Algorithmus zu einem verschmolzen. Sowohl für Mensch als auch Maschine ist das Identifizieren einer Person dann fast unmöglich. So bestehe die Gefahr, dass mehrere Personen ein und dasselbe Ausweisdokument nutzen und nicht mehr erkannt werden können.

Speicherung der biometrischen Daten

Die Fingerabdruckdaten sollen nur auf dem Ausweis selbst und zudem verschlüsselt gespeichert werden. Anders sieht es bei den digitalen biometrischen Passbildern aus, diese werden zusätzlich bei den zuständigen Behörden gespeichert. Schon seit 2017 dürfen die Ordnungsbehörden, im Falle von Verkehrsordnungswidrigkeiten sowie die Polizeibehörden, der Militärische Abschirmdienst, der Bundesnachrichtendienst, die Verfassungsschutzbehörden und einige weitere Stellen zur „Erfüllung ihrer Aufgaben“ (vgl. § 25 Abs. 2 PAuswG) die Daten bei den Personalausweisbehörden abrufen. Bis dato war es jedoch nicht erlaubt, die Lichtbildaufnahmen und die Unterschrift des Betroffenen in zentralen Datenbanken zusammenzufassen. Eine weitere Gesetzesinitiative, welche im Juli dieses Jahres den Bundestag passierte, soll dies ändern. Das „Gesetz zur Einführung eines elektronischen Identitätsnachweises mit einem mobilen Endgerät“ sieht nämlich vor, dass die Bundesländer solche Datenbanken anlegen dürfen. Jedoch sei es oberste Priorität, hiermit sicherzustellen, dass die hinterlegten Daten „vor unbefugtem Zugriff geschützt sind“.

Kritik an der Gesetzesänderung

Schon seit Beginn der Gesetzesinitiative 2019/2020 äußerten sowohl Datenschutzexpertinnen und Datenschutzexperten als auch Bürgerinitiativen Bedenken gegen die Ausweitung der biometrischen Datenabfrage. Die Risiken, die aus der Erfassung der biometrischen Daten rühren, seien trotz der genannten Sicherheitsmaßnahmen nicht zu unterschätzen. In Estland konnten sich Hacker beispielsweise Zugang zu einer Datenbank verschaffen und somit auch zu knapp 300.000 Passbildern. Das Netzwerk Deutscher Datenschutzexpertise sieht in dem Gesetz einen Verstoß gegen nationales Verfassungsrecht sowie Europarecht. Auch die Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage führt an, dass sich das neue Gesetz als Generalverdacht gegen alle Bürgerinnen und Bürger darstellt. Somit sei jede Ausstellung eines neuen Pass- oder Ausweisdokuments mit einer erkennungsdienstlichen Maßnahme vergleichbar.

Sicherheit vs. Freiheit

Die Debatte ist ein weiterer Aspekt in dem Konflikt zwischen Sicherheitsbestreben und der Freiheit des Individuums. Ob es beispielsweise um die umstrittenen „Gefährdergesetze“ geht, Videoüberwachung im öffentlichen Raum oder – wie hier – um Möglichkeiten der Identitätsfeststellung. Der Diskurs dreht sich immer um die Frage: Was wollen wir? Mehr Sicherheit oder mehr Freiheit? Das europäische Netzwerk von digitalen Bürgerrechtsorganisationen (EDRi) und die Edinburgh International Justice Iniative (EIJI) haben zu diesem Thema die biometrischen Überwachungsmethoden in Deutschland, den Niederlanden und Polen untersucht. Das Ergebnis lässt sich in einem ausführlichen Forschungsbericht nachlesen. Neben beispielsweise der Anschaffung von Software und Hardware zur Gesichtserkennung durch die Sicherheitsbehörden wird auch die Gesetzesänderung im Pass- und Ausweiswesen kritisiert. Erkennbar sei ein Trend zur Ausweitung der biometrischen Überwachung. Der Grundsatz in dubio pro reo, also die Vermutung, dass jede Person als unschuldig gilt, bis das Gegenteil bewiesen ist, würde mit der Zeit ins Gegenteil verkehrt.

Wie weit die Möglichkeiten der Identitätsfeststellung in Zukunft noch ausgeweitet werden, lässt sich nicht sagen. Während die einen Angst vor der Totalüberwachung haben sehen andere die Gesetzesänderung als notwendige Maßnahme an. Digitalcourage hat zumindest angekündigt, gegen das umstrittene Gesetz zu klagen. Bis dahin werden die Regelungen zunächst weiter bestehen bleiben.