Wer hat nicht schon einmal aus reiner Neugierde den Namen seines Nachbarn, alten Klassenlehrers oder einer früheren Sandkistenliebe bei Facebook eingegeben? In vielen Fällen wird man sogar schnell fündig und erhält mit dem vorgefundenen Profil des Gesuchten zum Teil völlig neue, private Einblicke in dessen Leben. Viele Mitglieder nutzen gerade aus diesem Grunde in ihrem Profil lediglich Spitznamen oder Pseudonyme, um nicht (so leicht) im größten Sozialen Netzwerk der Welt aufgefunden zu werden. Immerhin galt die Anonymität im Internet viele Jahre lang als eine positive Errungenschaft der modernen Kommunikation.
Die Betreiber von Facebook sehen dies seit geraumer Zeit anders und bestehen auf der Klarnamenpflicht im Netzwerk. Durch die verpflichtende Angabe des Vor- und Nachnamens sollen grundsätzlich die „Qualität“ der Nutzerprofile und damit die Seriosität der Community gesteigert, aber auch die Rechtsverfolgung bei möglichen Straftaten erleichtert werden. So setzte das Unternehmen von Mark Zuckerberg vor wenigen Jahren klammheimlich diese Änderungen im Netzwerk ein und sperrte eine Vielzahl an Nutzern, die offenkundig keinen vollständigen, korrekt anmutenden Vor- und Nachnamen im Profil angegeben hatten. Nur mittels Nachweis des korrekten Klarnamens, z.B. durch Vorlage von offiziellen Dokumenten mit Anschrift und Name des Betroffenen sollte/konnte daraufhin die Namensänderung und letztlich die Entsperrung des Profils erreicht werden.
Anordnung der Datenschutzaufsichtsbehörde
Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI), Prof. Dr. Caspar betonte stets die Wichtigkeit der anonymen Nutzungsmöglichkeit von Telemediendiensten, die in Deutschland in § 13 Abs. 6 Telemediengesetz (TMG) ausdrücklich verankert ist, und nahm eine Beschwerde eines Facebook-Mitglieds aus dem Jahre 2015 zum Anlass, eine Anordnung gegenüber der europäischen Niederlassung in Dublin zu erlassen. Und das obwohl bereits die Kieler Kollegen vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) zwei Jahre zuvor in einer ähnlichen Sache vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig erfolglos waren.
Die Anordnung der Hamburger Datenschützer sah vor, dass die Facebook Ireland Ltd. verpflichtet werde, der Betroffenen die Nutzung ihres Facebook-Kontos unter ihrem Pseudonym zu ermöglichen und den Account zu entsperren. Hiergegen setzte sich das Unternehmen gerichtlich zu Wehr. Es folgten die Eilentscheidung des Hamburgischen Verwaltungsgerichts (VG Hamburg, Beschluss vom 3. März 2016, Az.: 15 E 4482/15) sowie die hiergegen eingelegte Beschwerde der Behörde. Schließlich hatte das Gericht im Rahmen des Eilverfahrens die Anwendbarkeit des deutschen Gesetzes infrage gestellt und war mehr oder weniger den Argumenten von Facebook diesbezüglich gefolgt.
Deutsches Recht nicht anwendbar
Vor wenigen Tagen entschied nun das Hamburgische Oberverwaltungsgericht über die Beschwerde und wies diese zurück (OVG Hamburg, Beschluss vom 29.06.2016, Az.: 5 Bs 40/16). Die Anordnung gegenüber Facebook darf somit nicht vollzogen werden. Die Richter begründeten diese Entscheidung im Wesentlichen mit der derzeitigen Rechtsunklarheit hinsichtlich der Zuständigkeit der Behörde bzw. Anwendbarkeit des Rechts innerhalb von Europa:
„Nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sei nicht geklärt, ob die EU-Datenschutzrichtlinie es erlaube, dass der Datenschutzbeauftragte aufgrund nationaler Regelungen gegen die in Irland ansässige Antragstellerin mit hoheitlichen Mitteln vorgehen dürfe. Denn die Zuständigkeitsverteilung zwischen den nationalen Datenschutzkontrollbehörden und die Eingriffsbefugnis der deutschen Datenschutzkontrollbehörden in Fällen, in denen ein Mutterkonzern (hier: Facebook Inc., USA) im Unionsgebiet mehrere Niederlassungen unterhalte, die aber unterschiedliche Aufgaben hätten, sei nicht geklärt [..]“ (Vgl. Pressemitteilung des OVG Hamburg vom 30.06.2016).
Damit entzogen sich die Richter – leider – in diesem Verfahren einer abschließenden Beurteilung in der eigentlichen Rechtsfrage. Dies ist wohlmöglich auch dem Umstand geschuldet, dass die bevorstehende europäische Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) keinerlei Regelungen vorsieht, wonach auch die anonyme Nutzung eines Telemediendienstes (zwingend) zu ermöglichen ist. Und die Verordnung wird in weniger als zwei Jahren auch in Deutschland Anwendung finden. Hinzukommen neue Vorschriften, wonach der Portalbetreiber eine Alterskontrolle bei Jugendlichen vornehmen sollte (Vgl. Art. 8 EU-DSGVO), was auch zu einer Personenfeststellung und somit zur Klarnamenpflicht führen dürfte.
Vor- und Nachteile der Klarnamenpflicht
Selbstverständlich hat die Beteiligung an der Facebook-Community unter dem echten Namen auch einige Vorteile, die sich nicht von der Hand weisen lassen: Die offene Kommunikation (quasi „mit offenen Visier“) im Sozialen Netzwerk fühlt sich authentischer an als unter Pseudonymen wie „Donald Duck“ oder „Disturber1979“. Die direkte Ansprache ist persönlicher und die Person gegenüber kann besser eingeschätzt werden. Und natürlich wird der Nutzer unter seinem Klarnamen auch eher vom besagten Schulfreund oder Nachbarn gefunden – wenn man dann an solcher Kontaktanbahnung interessiert ist.
Für die Verwendung eines Pseudonyms spricht hingegen die Freiheit der Anonymität, insbesondere in Zeiten von Stalking, Identitätsdiebstahl und Personensuchmaschinen. Nicht jeder möchte, z.B. aus beruflichen oder privaten Gründen im Internet gefunden werden oder seine Abstammung offenbaren. Dieser Gedanke war schon Künstlern und Schriftstellern vor vielen Jahrhunderten eigen und ist heutzutage längst ein fester Bestandteil der Gesellschaft. Doch während z.B. viele bekannte Schauspieler aus Hollywood oder Musiker selbst unter Pseudonymen und Künstlernamen in der Welt unterwegs sind (Wer kennt z.B. Michael Issurovitch Demsky, Eric Marlon Bishop oder Joanne Angelina Germanotta?), darf der private Nutzer nur mit seinem vollständigen Namen aus dem Personalausweis in der kostenlosen Community von Facebook teilnehmen.
Wie geht es weiter?
Hat Facebook nun damit endgültig im Rechtstreit mit den deutschen Datenschützern obsiegt? Es bleibt abzuwarten, inwiefern das soziale Netzwerk weiterhin auf die Klarnamenpflicht pocht und diese – rechtskonform – hierzulande durchzuführen gedenkt. Auch steht eine Entscheidung in der Sache noch aus.
Angesichts des drohenden Widerstandes hat Facebook bereits vor einem halben Jahr mitgeteilt, dass das Unternehmen zwar grundsätzlich an der Klarnamenpflicht festhalten möchte, jedoch das Verfahren etwas aufgelockert werde.
Seitdem sind Spitznamen in den Profilen erlaubt. Mithin ist die Vorlage von Ausweispapieren im Wege der Legitimation nicht mehr erforderlich, sondern genügen bereits solche Dokumente, die Name und Adresse des Betroffenen erkennen lassen. Dies können beispielsweise Stromrechnungen oder Schreiben des Vermieters sein. Inwieweit eine Prüfung der Echtheit der Dokumente vorgenommen wird und inwiefern diese personenbezogenen Daten gespeichert oder gelöscht werden, bleibt das große Geheimnis. Problematisch ist dies insbesondere dann, wenn die Nutzer weiterhin Kopien von amtlichen Dokumenten vorlegen. So ist beispielsweise nach dem deutschen Personalausweisgesetz die Herstellung einer Kopie des Personalausweises nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig und dieselbe sofort zu vernichten, sobald der Zweck der Kopie erreicht ist.
Neben der Klarnamenpflicht stehen aber noch viele weitere interessante Rechtsfragen rund um Facebook auf dem Zettel der Datenschützer, die von der umstrittenen Gesichtserkennung, dem Like-Button bis hin zur grundsätzlichen Frage der Verantwortlichkeit für eine Facebook-Fanseite reichen.
19. Oktober 2017 @ 16:17
Ich halte die vom Facebook Unternehmen den Nutzern abverlangte Pflicht, mit ihrem originalgetreuen Vor- und Nachnamen zwangsweise in der Nutzergemeinschaft zu erscheinen, für absolut verfassungswidrig .. und zwar aus dem nachfolgenden, bisher scheinbar von kaum einem beachteten Gesichtspunkt:
Wenn Art. 3 Abs. 1 des Bundesdeutschen Grundgesetzes jeden Menschen vor dem Gesetz auf gleiche Ebene stellt, dann ist es nicht zulässig, wenn das Facebook Imperium auf die einem Nutzer auferlegte Pflicht, sich mit dem persönlichen Vor- und Nachnamen auf deren Seite zu registrieren, nach Gütdünken beharrt.
Es sind alle Nutzer(innen) nach den selben rechtlichen Kriterien zu behandeln. Die Vorgehensweise von Facebook ist absolut unzulässig. Auch deshalb, weil das Unternehmen seine Dienstleistungen im bundesdeutschen Raum anbietet und die eigene Geschäftstätigkeit aus diesem Grunde nach den hier gültigen Gesetzen und Verfassungsnormen auszurichten hat.
Wenn Facebook für sich in Anspruch nimmt, – aus sachfremden und geschäfts- sowie profitbezogenen Gesichtpunkten – Nutzer(innen) zur Offenlegung ihrer Identität zu verpflichten, dann müssen die gleichen rechtlichen Maßstäbe für sämtliche im bundesdeutschen Raum verfügbaren Communities und sonstigen Chats gelten, was aber tatsächlich NICHT der Fall ist!
Was Facebook hier praktiziert, ist juristischer und verfassungsrechtlicher Nonsens und deshalb absolut unzulässig!
6. Oktober 2017 @ 21:04
Hm, bin leider zu spät auf diese Seite gestoßen. Ich war sehr lange mit harmlosem Alias bei Facebook unterwegs, bis ich vor kurzem mitten im Scrollen durch den Newsstream mit den Worten „Jemand hat uns auf dein Profil hingewiesen…“ und „Wir möchten dass unsere Nutzer den Namen verwenden, unter dem sie den meisten Freunden bekannt sind“ begrüßt wurde. Eine Woche später gab es nur noch die Option den Perso oder ein ähnliches Dokument einzusenden, um mein Profil löschen zu können. Anders wäre es nicht gegangen, sich überhaupt wieder einzuloggen. Leider wollte Facebook meinen richtigen Namen nicht nur wissen, sondern für alle sichtbar auf meiner Seite anwenden, was ich aufgrund von Stalking-Erfahrungen wirklich nicht gebrauchen kann. Ich glaube zwar nicht, dass sie mir als User großartig hinterher trauern, halte aber dennoch überhaupt nichts von der Klarnamenspflicht und den erpresserischen Methoden bei der Überprüfung der Accounts. Zumal trotz allem noch genügend Nutzer mit (offensichtlicheren) Nicknames unterwegs sind. Ich bin mir sicher, dass mich Facebook dank seiner tausend Cookies und Querverweis-Speicherungen mit drei Klicks auch so unter meinem richtigen Namen finden würde.
8. September 2017 @ 20:04
Erst wurde ich vor 2 Jahren um meine Handynummer erpresst, da ich mich ansonsten nicht mehr einloggen könne. Nun werde ich aufgefordert (erpresst) meinen elektronischen Personalausweis hochzuladen ansonsten bleibt mein Profil blockiert. Es wird einem nicht einmal die Möglichkeit gegeben vorher sein Profil zu löschen, wenn man damit nicht einverstanden ist. Für andere ist mein Profil nicht mehr sichtbar, aber die zugehörige Fanpage als Fotograf ist weiterhin öffentlich sichtbar. Von dieser kann ich weder Fotos entfernen, noch kann ich die Fanpage bearbeiten, welche aber weiterhin sichtbar ist und aufrufbar ist. Man stelle sich vor nun meldet sich eine Person welche auf meiner Fotofanpage gerne gelöscht werden mag und Facebook mir aber keinen Zugriff mehr auf meine Seite gewährt. Im Normalfall hätte ich jetzt mein privates Konto einfach gelöscht inklusive zugehöriger Fanpage. Aber das ist nicht möglich. Kann mir fast nicht vorstellen das dies rechtlich zulässig ist.. Auch in Irland nicht, dass Facebook einem nichtmal die Möglichkeit gibt wenn man mit dem Ausweis hochladen nicht einverstanden ist vorher seine Seiten und Daten löschen zu können.
9. September 2017 @ 16:26
Sehr geehrter Nutzer,
Vielen Dank für Ihren Kommentar und Bericht. Zu dem konkreten Verfahren der „Freischaltung“ können wir wenig sagen. Wir raten jedoch davon ab, den Ausweis zu kopieren/scannen und hochzuladen.
8. Juni 2017 @ 0:08
Ich frage mich warum es Facebook überhaupt (zumindest in Deutschland) noch gibt? Dieser Konzern müsste doch eigentlich zerschlagen werden. Mich Trackt FB auch weil ich kein Account habe. Richte ich mir nachträglich ein Account ein, was passiert dann mit den Daten? Werden Sie dazugerechnet?
Neues Thema, FB Talk für Jugendliche. Ja gut, noch unbestätigt. Es wird erzählt, die Eltern haben die Kontrolle über die Kontakte u.s.w. Ist doch Toll, Hauptsache Produkt verkaufen. Noch etwas tolles, man braucht dazu keinen FB Account anlegen. Na Super! Ist aber auch gar nicht nötig. So wird wohl mindestens eine Telefonnummer der Eltern abgefragt werden, damit dies auch Funktioniert. Ach wie schön.. Dann hat FB schon wieder gaaanz viele Daten gesammelt. Aber das ist ja nicht schlimm, es ist ja für eine ‚gute‘ Sache. Tja, so kennt FB nun die gesamte Familie und bestimmt noch viel mehr. Da ja die Sprösslinge in Ihren Kontakten auch wieder Kids mit Kontakten und Eltern… oh ist das schön für FB. Und die vielen Fotos, die man ja auch markieren kann.. Ich könnte schon die Kassen bei FB klingen hören. Das ist aber nicht so schlimm, viel wichtiger ist doch, das die Eltern die Kontrolle über die Kontakte der Kids haben. Für wie naiv halten FB die Nutzer? Leider, denke ich, das die Nutzer den tollen (schein)Vorteil sehen. Werden die noch irgendwann wach? sad:
25. Januar 2017 @ 9:06
hallo ich bin auch der meinung