Ob Fahrstühle, Einkaufszentren, Parkplätze oder Cafes – immer mehr Bereiche des täglichen Lebens werden per Videokamera überwacht. Die Videoüberwachung durch öffentliche Stellen, wie z.B. Schulen, Behörden oder durch die Polizei ist dabei anders zu bewerten als eine Videoüberwachung durch Unternehmen oder Einzelpersonen. Öffentliche Stellen dürfen nur dann Überwachungskameras einsetzen, wenn dies im Bundes- oder Landesgesetz speziell geregelt ist. Der Videoeinsatz bei Unternehmen richtet sich hingegen vor allem nach den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG).
Nachfolgend sollen einige Grundsätze und Beispiele genannt werden, wann aus Sicht des Datenschutzes eine Videoüberwachung durch Unternehmen zulässig ist und wann nicht
Haftungsrisiken für Unternehmen
Oftmals wird argumentiert, dass die Videoüberwachung das Sicherheitsgefühl der Betroffenen erhöht. Zudem sehen sich viele gar nicht betroffen, wenn sie von einer Videokamera erfasst werden, weil sie „nichts zu verbergen“ haben. Dabei übersehen die Verantwortlichen oftmals, dass die Überwachung mit einem erheblichen Eingriff in grundgesetzlich geschützte Rechte verbunden sein kann und somit Haftungsrisiken birgt. Die unerlaubte Videoüberwachung führt etwa zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der informationellen Selbstbestimmung oder des Rechts am eigenen Bild und kann Ersatzansprüche, z.B. nach zivilrechtlichen Vorschriften (§§ 823, 1004 Bürgerliches Gesetzbuch, § 22 Kunsturhebergesetz), sowie gegebenenfalls Bußgeld und Strafen, z.B. nach §§ 43, 44 BDSG oder § 201a Strafgesetzbuch auslösen. Um diese Haftungsrisiken zu minimieren, ist also eine sorgfältige Prüfung notwendig.
Erfassung des öffentlichen Raumes
Videoüberwachung von Personen ist nur zulässig, wenn sie aufgrund einer Rechtsgrundlage erlaubt ist oder eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt. § 6b BDSG liefert für die Videobeobachtung öffentlich zugänglicher Bereiche eine Rechtsgrundlage, wenn sie zur Durchsetzung des Hausrechts oder zur Wahrung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erfolgt und keine Anhaltspunkte für überwiegende schutzwürdigen Interessen des Betroffenen vorliegen. In nicht öffentlich zugänglichen Bereichen ist die Videoüberwachung gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zulässig, wenn sie im berechtigten Interesse der verantwortlichen Stelle erfolgt und keine überwiegenden, schutzwürdigen Interessen der Betroffenen dem entgegenstehen. Öffentlich zugänglich sind Bereiche, die von einer unbestimmten Anzahl von Personen betreten oder genutzt werden können. Dabei nennt der Gesetzgeber beispielhaft in seiner Gesetzesbegründung Bahnsteige, Verkaufs- oder Ausstellungsräume (BT-Drucksache 14/4329, S. 38). Nicht öffentlich sind hingegen Bereiche, die für die Allgemeinheit unzugänglich sind. Hierzu gehören Gelände oder Gebäude, die nur mit individueller Erlaubnis oder über eine Zugangskontrolle betreten werden können.
In jedem Fall ist also eine Abwägung aller Interessen nach Aspekten der Verhältnismäßigkeit zu treffen. Nachfolgend werden einige Beispiele hierfür genannt.
Einkaufszentren
Videoüberwachung in Einkaufszentren oder Supermärkten ist mittlerweile die Regel. Sie dient der Verhinderung und Aufklärung von Schadensfällen und Straftaten. Gefährdet sind primär Waren mit einem gewissen Geldwert, aber auch niedrigpreisige Güter des täglichen Bedarfs, die in Taschen, Jacken oder Ähnlichem versteckt und unbemerkt an der Kasse vorbei geschafft werden könnten. Da nicht alle Waren elektronisch gesichert oder in Vitrinen verschlossen aufbewahrt werden können und das Personal nicht alle Bereiche gleichzeitig kontrollieren kann, liegen in der Regel keine gleich geeigneten Alternativmöglichkeiten zur Videoüberwachung vor. Aufgrund der wirtschaftlichen Risiken für Unternehmen ist eine Überwachung von Waren daher grundsätzlich zulässig, zumal Kunden diese Bereiche in der Regel nur kurzfristig durchschreiten und die Beeinträchtigung dadurch eher gering ist. Die Größe der Filiale oder unterschiedliche Tatortschwerpunkte rechtfertigen ggf. auch den Einsatz einer höheren Kameraanzahl oder Kameradome an besonders gefährdeten Bereichen. Auch hier kommt es jedoch auf den Einzelfall an. Etwa ist eine Aufzeichnung der Videobilder zur Erfassung von Kundenstaus an Kassen oder Automaten nicht notwendig.
Immobilien, Wohnungen, Baustellen
Die Videoüberwachung in Wohnbereichen und wird von der überwiegenden Ansicht – allerdings mit unterschiedlicher Begründung – für zulässig erachtet. Etwa wird die Überwachung von Eingängen, Klingelanlagen oder Briefkästen als zulässig angesehen, wenn die Videoüberwachung zur Abwehr schwerwiegender Beeinträchtigungen erforderlich ist und eine drohende Rechtsverletzung anderweitig nicht verhindert werden kann (AG München, Urteil v. 16.10.2009, Az.: 423 C 34037/08; ebenso LG Berlin, Urteil v. 31.10.2000, Az. 65 S 279/00). Videoüberwachung in Fahrstühlen wird hingegen zum Teil als unzulässig erachtet, auch wenn es in einem Aufzug eines Miethauses zu Vandalismus gekommen ist (KG Berlin, Urteil v. 04.08.2008, Az. 8 U 83/08.). Auch Baustellen können per Kamera überwacht werden, etwa um Materialien vor Diebstahl zu schützen oder um den Fortschritt des Baus beobachten zu können. Bei Letzterem wird man allerdings die Zulässigkeit verneinen müssen, sofern Privatbereiche oder feste Arbeitsplätze auf den Bildern erkennbar sind. Dies gilt erst Recht, wenn die Bilddaten per Webcam im Internet frei verfügbar sind.
Cafes, Restaurants, Banken
Kritisch ist die Erfassung von Bereichen, in denen sich Personen längere Zeit aufhalten, kommunizieren, essen, feiern oder sich ausruhen. Vor diesem Hintergrund sind etwa die Videokameras in Cafes, Restaurants oder Kneipen zu betrachten. Ihnen wird das berechtigte Interesse der betroffenen (Gäste und Mitarbeiter) in der Regel entgegenstehen, da diese ihr Verhalten unter dem Überwachungsdruck bewusst oder unbewusst ändern und ihre freie Entfaltung dadurch gehemmt werden kann. Zudem geben die meisten Betroffenen auch keinen Anlass für eine Überwachung, so dass es an der Erforderlichkeit fehlt. Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn Orte mit einem erhöhten Gefährdungspotential (z.B. Bankfilialen) erfasst werden oder Bereiche, die nur sehr kurzfristig von Personen durchschritten werden.
Videoüberwachung auf dem Betriebsgelände
Die Videoüberwachung auf Betriebsgeländen kann verschiedenen zulässigen Zwecken dienen. So ist es in der Regel gerechtfertigt, Kameras zur Zutrittskontrolle, etwa an den Außengrenzen oder an Schranken, zu installieren. Oftmals dient die Überwachung auch der Betriebssicherheit, etwa wenn Tiefkühllager, automatische Müllpressen oder Rolltore überwacht werden, um Notfälle möglichst schnell erkennen und Hilfe holen zu können. Auch potentiell gefährdete Brandschutzeinrichtungen oder Fluchttüren dürfen überwacht werden, da sie jederzeit betriebsbereit bzw. zugänglich sein müssen.
Videoüberwachung von Arbeitnehmern
Werden Beschäftigte von der Videoüberwachung erfasst, ist grundsätzlich § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einschlägig. Der Wortlaut des im Jahre 2009 eingeführten § 32 BDSG weist dabei in der Praxis betrieblicher Datenschutzbeauftragter und Aufsichtsbehörden zahlreiche Auslegungsschwierigkeiten auf, die auch durch die Gesetzesbegründung sowie durch zwischenzeitliche Kommentierungen der Fachliteratur nicht behoben wurden. Eine Gesetzesänderung ist derzeit in Arbeit. Bis dahin bleibt unklar, ob § 32 sowohl präventive als auch repressive Zwecke der Videoüberwachung erfassen soll, die sich ohnehin nicht einfach trennen ließen. Als ebenfalls problematisch erweist es sich, dass die Kameratechnik nicht zwischen dritten Personen und den „Beschäftigten“ im Sinne des § 32 i.V.m. § 3 Abs. 11 BDSG unterscheiden kann. Trotz dieser Auslegungsschwierigkeiten können derzeit folgende Grundsätze für Videosysteme an Arbeitsplätzen festgestellt werden: so darf die Videoüberwachung nicht dazu dienen, Beschäftigte zu überwachen oder deren Verhalten und Leistung zu kontrollieren. Insbesondere sind Bereiche von der Überwachung auszunehmen, in denen sich Beschäftigte dauerhaft (länger als 15min) typischer Weise aufhalten. Dies gilt auch für feste Arbeitsplätze wie z.B. Kassensitzplätze oder Ruhebereiche, Sozialräume oder Raucherecken. Sofern die Videoüberwachung heimlich ohne Wissen des Betroffenen erfolgt, ist neben § 32 BDSG zudem die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zur verdeckten Videoüberwachung zu beachten. Diese kann nur im absoluten Ausnahmefall gerechtfertigt sein.
Kann nicht ausgeschlossen werden, dass Beschäftigte durch die Videosysteme erfasst werden, ist die Maßnahme zudem mitbestimmungspflichtig und mit der jeweiligen Personalvertretung abzustimmen. Dabei empfiehlt es sich, insbesondere Konfiguration, Aufnahmezeiten, Löschfristen und Auswertungsmöglichkeiten festzulegen, z.B. durch Betriebsvereinbarung.
…und der Nachbar ist auch erfasst
Bei der Installation von Kameras ist darauf zu achten, dass Nachbargrundstücke, (Gebäude, Gehwege Grünflächen etc.) nicht mit erfasst werden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich Personen in dem Bereich aufhalten und dort privaten Dingen nachgehen oder miteinander kommunizieren. Etwa ist die Videoerfassung betriebsfremder Parkplätze oder Gehwege kritisch, da die Maßnahme nicht über die Wahrnehmung des Hausrechts gerechtfertigt ist. Die Videoüberwachung sollte daher an den Außengrenzen des Betriebsgeländes enden. In der Rechtsprechung wird zum Teil die 1-Meter-Regelung anerkannt, d.h. ausnahmsweise kann maximal noch einen Meter ab Grundstücksgrenze außerhalb eines Betriebsgeländes mit überwacht werden, sofern schutzwürdige Interessen dem nicht entgegenstehen.
Besonders kritisch ist die Erfassung von Wohnungen durch Videokameras. Sie ist gemäß § 201a Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt. Vor diesem Hintergrund ist besonders darauf zu achten, dass keine Fenster, Türen oder Balkone zu Wohnungen auf den Kameras sichtbar sind. Nach Ansicht des LG Bonn (Urteil v. 16.11.2004, Az. 8 S 139/04, abgedruckt in DuD 2005) verletzt dabei nicht nur die Installation von Kameras, sondern auch das Aufstellen von täuschend echt aussehenden Attrappen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Nachbarn, da für ihn nicht erkennbar ist, ob er tatsächlich gefilmt wird oder nicht.
Transparenz ist Alles…:
Die Videoüberwachung muss in jedem Fall transparent sein, denn das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und freie Persönlichkeitsentfaltung bedeutet, dass jede Person selbst entscheiden darf, ob sie einen überwachten Bereich betritt oder nicht. Daher sind an den Ein- und Ausgängen oder Zufahrten zu den überwachten Bereichen Hinweisschilder auf die Überwachung sowie das verantwortliche Unternehmen gut wahrnehmbar anzubringen. Hierfür kann das Info-Zeichen nach DIN 33450 genutzt werden.
Aber heimlich geht’s auch…oder?
Nur unter sehr engen Voraussetzungen können Personen auch heimlich, ohne Ihre Kenntnis per Kamera überwacht werden. Hierzu ist etwa ein konkreter Straftatenverdacht notwendig. Zudem darf die verdeckte Überwachung nicht einen unbestimmten Personenkreis betreffen und muss zeitlich eng begrenzt sein. Ferner ist zu prüfen, ob die – unwissend – Überwachten im Nachhinein zu benachrichtigen sind gemäß § 33 BDSG
Täter gefasst – Daten löschen?
Gemäß § 35 BDSG bzw. 6b Abs. 5 BDSG sind Bilddaten zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen einer Speicherung entgegenstehen. Optimaler Weise werden Bilddaten daher innerhalb von 24h ausgewertet und gelöscht, sofern diese nicht Beweiszwecken dienen. Legt man für die Videoüberwachung das Ziel der Aufklärung von Straftaten zugrunde, so ergibt sich allerdings oft das Problem, dass diese erst nach einer längeren Zeit erkennbar werden oder angezeigt werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn zwischen dem schädigenden Ereignis und der frühstmöglichen Sichtung des Bildmaterials ein Wochenende liegt. Ggf. empfiehlt sich in diesen Fällen eine Speicherung der Daten für maximal 72 Stunden zur optimalen Beweissicherung. Eine längere Speicherdauer wird von den meisten Datenschutzaufsichtsbehörden als unzulässig erachtet.
Zur Aufklärung eines Vorfalls dürfen Bilddaten übrigens an Stellen außerhalb des Unternehmens herausgegeben werden, welche die Daten zur Prüfung benötigen. Hierzu gehören z.B. Strafverfolgungsbehörden, Versicherungen oder Personen, die ein berechtigtes Interesse auf Einsichtnahme begründen können. Dienen die Bilddaten als Beweis in einem bestimmten Verfahren, dürfen sie bis zu dessen Abschluss gespeichert werden.
Was bei der Konfiguration zu beachten ist
Wie bei jedem IT-System, in welchem personenbezogene Daten verarbeitet werden, sind auch bei Kamera und Videoserver Datenschutz und Datensicherheit zu gewährleisten. Das bedeutet, Kameras sind so aufzustellen, dass Personen nur im berechtigten Ausnahmefall erfasst werden. Hierfür kann z.B. ein Bewegungsmelder eingesetzt werden, der das System erst bei Aktivität einschaltet. Bildspeichermedien sind vor unberechtigten Zugriffen angemessen zu schützen, z.B. durch Aufstellung der Server oder Festplatten in verschließbaren Räumen. Der Kreis der zugriffsberechtigten Personen ist möglichst zu begrenzen und zu kontrollieren. Passwortschutz, revisionssichere Protokollierung des Zugriffs oder Festplattenverschlüsselung unterstützen dies. Zudem sind die Monitore so aufzustellen, dass Unbefugte keinen Einblick nehmen können.
Die Videoüberwachung ist zudem mit dem betrieblichen oder behördlichen Datenschutzbeauftragten abzustimmen, da grundsätzlich vor Inbetriebnahme eine Vorabkontrolle gemäß § 4d BDSG vorgeschrieben ist. Zudem muss die Videoüberwachung als Verfahren in das gesetzlich vorgesehene Verfahrensregister aufgenommen werden bzw. unterliegt der Meldepflicht.
Dr. Irene Karper | | Allgemein |