Bundesnetzagentur setzt Vorratsdatenspeicherung aus
Mit Beschluss vom 22.06. 2017 hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) in Münster entschieden, dass die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung nicht mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist.
Zur Erinnerung: Die Vorratsdatenspeicherung war im Dezember 2015 wieder eingeführt worden und sollte zum 1. Juli 2017 wirksam werden. Sie verpflichtet die Telekommunikationsanbieter, die Verkehrsdaten ihrer Kunden für zehn Wochen und die Standortdaten der Handynutzer für vier Wochen zu speichern.
Die Klage von SpaceNet
Geklagt hatte die SpaceNet AG, ein Internetprovider aus München, vor dem Verwaltungsgericht Köln und gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit dem Ziel, der Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung bis zur Entscheidung über die Hauptsache vorläufig nicht nachkommen zu müssen. Das Verwaltungsgericht hatte den Antrag abgelehnt, woraufhin SpaceNet Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegte. Das OVG gab der Beschwerde statt und entband damit die SpaceNet AG von der Pflicht, Verbindungsdaten ihrer Kunden ab dem 1. Juli für zehn Wochen und Standortdaten für einen Monat zu speichern. Da in dem Rechtsstreit das Hauptsacheverfahren aber noch aussteht, entfaltet der Beschluss zunächst nur direkte Wirkung für SpaceNet, nicht aber für andere Provider.
Die Reaktion der Bundesnetzagentur
Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation, die Bundesnetzagentur, hat nun am 28.06.2017 auf den Beschluss des nordrheinwestfälischen OVGs reagiert und erklärt, dass sie die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens aussetzt. Das bedeutet, dass die Behörde keine Anordnungen oder sonstige Maßnahmen zur Durchsetzung der Datenspeicherung gegenüber Providern treffen wird; von der Einleitung von Bußgeldverfahren werde ebenfalls abgesehen.
Die Bundesnetzagentur begründete diesen Schritt mit der „über den Einzelfall hinausgehenden Begründung“ des Oberverwaltungsgerichts.
Der Beschluss des Oberverwaltungsrechts und das Urteil des EuGH
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Pflicht zur Speicherung der Verbindungs- und Standortdaten nach einem zwischenzeitlich ergangen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) (wir berichteten) so nicht mit Art. 15 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG vereinbar sei. Denn die verdachtsunabhängige Speicherpflicht erfasse pauschal die Verkehrs- und Standortdaten fast aller Nutzer von Telekommunikationsdiensten. Nach Maßgabe des EuGH seien aber Regelungen erforderlich, mit denen der von der Speicherung betroffene Personenkreis von vornherein auf die Fälle beschränkt wird, in denen ein zumindest mittelbarer Zusammenhang mit der durch das Gesetz bezweckten Verfolgung schwerer Straftaten bzw. der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehe. Dies können etwa personelle, zeitliche oder geografische Kriterien sein. Die anlasslose Datenspeicherung könne aber nicht dadurch kompensiert werden, dass den Behörden der Zugang zu den gespeicherten Daten nur zur Verfolgung schwerer Straftaten bzw. zur Abwehr schwerwiegender Gefahren ermöglicht würde und strenge Maßnahmen zum Schutz der gespeicherten Daten vor Missbrauch getroffen würden.
Was bedeutet das jetzt?
Der Begriff Vorratsdatenspeicherung ist für viele Datenschützer ein Reizwort, scheint dieses Instrument doch diametral zum stets gepredigten und in Paragraph 3a Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verankerten Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit.
Die umstrittene Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung ist zwar nun nicht gänzlich aufgehoben; Provider können sie aber vorerst ignorieren. Interessant wird es, falls das Gericht auch im Hauptsacheverfahren die Speicherpflicht für unzulässig hält. Schließlich haben Diensteanbieter in Maßnahmen zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben investiert.