Wahlwerbung findet in der heutigen Zeit nicht mehr ausschließlich auf Plakaten oder im Fernsehen statt. In den Fokus der Parteien rückt der digitale Wahlkampf, der sich vor allem auf den großen Online-Plattformen abspielt. Eine Marketing- und Kommunikationsstrategie, die dabei unter besonderer Beobachtung steht, ist das sog. Microtargeting.

Die Thematik rund um das Microtargeting ist aktuell Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens zur Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung auf EU-Ebene, das sich derzeit im Trilog-Verfahren befindet. Zu den darin enthaltenen datenschutzrechtlichen Regelungen hat die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden (DSK) jüngst Stellung genommen.

Microtargeting als Kommunikationsstrategie

Der Begriff „Microtargeting“ beschreibt eine datenbasierte Kommunikationsstrategie, die es zum Ziel hat, einzelne Personen und/oder Personengruppen mit gezielten und auf Sie abgestimmten Werbeanzeigen anzusprechen. Grundlage hierfür sind umfangreiche Datenanalysen, die in der heutigen Zeit vor allem auf sozialen Netzwerken stattfinden. Auf diesen geben die Nutzer und Nutzerinnen eine Vielzahl an Daten und Informationen preis, sodass sich die individuellen Interessen und Vorlieben analysieren und ansprechen lassen.

Einsatz von Microtargeting im politischen Wahlkampf

Im politischen Wahlkampf können Microtargeting-Techniken dazu eingesetzt werden, um „maßgeschneiderte“ politische Botschaften an einzelne Wählerinnen und Wähler zu richten. Eine werbende Partei kann so beispielsweise konservativ eingestellten Wählerinnen und Wählern andere Anzeigen präsentieren als liberal eingestellten Wählergruppen. Die Parteien können auf diese Weise je nach Zielgruppe unterschiedliche – und auch sich widersprechende – Botschaften verbreiten. Das Risiko der Fehlinformation, der Polarisierung und Fragmentierung der öffentlichen Debatte sowie der gezielten Manipulation von Wählerinnen und Wählern ist dementsprechend hoch.

Der Einsatz von Microtargeting-Techniken im politischen Wahlkampf rückte vor allem mit dem „Cambridge Analytica“ Fall in den Fokus der Öffentlichkeit. Die britische Firma Cambridge Analytica hatte Daten bzw. Likes von zahlreichen Facebook-Nutzern analysiert und mit den dadurch erhaltenen Informationen u. a. den US-Wahlkampf von Donald Trump im Jahr 2016 unterstützt. In Deutschland sorgte die im März 2023 von der Datenschutzorganisation noyb eingereichte Beschwerde für Aufsehen, in welcher mehreren deutschen Parteien vorgeworfen wurde, während des Bundestagswahlkampfs 2021 mithilfe von Microtargeting potenziellen Wähler und Wählerinnen gezielt personalisierte Wahlwerbung angezeigt zu habe.

Microtargeting und Datenschutz

Die gezielte Ansprache von Wählerinnen und Wählern mithilfe von Microtargeting-Kampagnen geht stets mit einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten einher. Sofern die Daten mit dem Ziel ausgewertet werden, die politische Meinung und Einstellung der betroffenen Personen zu ermitteln ist dabei insbesondere der hohe Schutz des Art. 9 DSGVO zu beachten.

Eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten mit dem Ziel Microtargeting zu betreiben, wird daher nur mit einer ausdrücklichen und informierten Einwilligung der Betroffenen zulässig sein.

In ihrer Stellungnahme geht die DSK jedoch davon aus, dass die Einwilligung als Mittel zur Kontrolle und Steuerung der Verarbeitung personenbezogener Daten bei einem Microtargeting an Grenzen stoße. So beinhaltet ein Microtargeting komplexe Datenverarbeitungen an denen meist eine Vielzahl an Akteuren beteiligt sind. Folglich seien die Konsequenzen einer erteilten Einwilligung für die allermeisten Menschen weder abschätzbar noch bestehe die Möglichkeit zu kontrollieren, ob die Datenverarbeitung tatsächlich an ihre ablehnende oder einschränkende Entscheidung angepasst werde.

Regulierungsversuche  auf EU-Ebene

Die DSK begrüßt daher die über das Datenschutzrecht hinausgehenden Regulierungsversuche auf EU-Ebene. Als Ergänzung zum Digital Services Act soll die Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung weitere datenschutzrechtliche Regelungen für den Einsatz von Microtargeting-Kampagnen im Wahlkampf treffen.

Das Europäische Parlament schlägt dabei Regelungen vor, wonach ein auf (Micro-) Targeting beruhendes Verfahren zum Ausspielen von politischen Werbeanzeigen – auch mit einer Einwilligung – nur in engen Grenzen zulässig ist (vgl. Abänderungen des Europäischen Parlaments zum Art. 12). So sollen Verfahren zum Targeting und zur Anzeige von Werbung, die mit einer Verarbeitung besonderer personenbezogener Daten (Art. 9 Abs. 1 DSGVO) einhergehen, ganz verboten sein. In den Verfahren sollen grundsätzlich nur personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen, die von der betroffenen Person mit Ihrer Einwilligung ausdrücklich zum Zwecke der politischen Online-Werbung zur Verfügung gestellt werden. Zudem sollen sich die Verfahren nur noch auf maximal vier miteinander kombinierbare Datenkategorien stützen dürfen und es werden Regelungen zur Mindestgröße der Zielgruppe getroffen, die abhängig vom Zeitraum bis zu einer Wahl variieren.

Diese Regelungsvorschläge des Europäischen Parlaments sollen die Komplexität und Eingriffstiefe der mit einem Microtargeting einhergehenden Datenverarbeitung regulieren und somit das Datenverarbeitungsrisiko für die Betroffenen reduzieren. Die DSK begrüßt die Stoßrichtung des Europäischen Parlaments. So sei es bei einem Microtargeting erforderlich, die datenschutzrechtliche Einwilligung durch gesetzliche Regelungen zu flankieren, um eine freie Entscheidung über die Verarbeitung der eigenen personenbezogenen Daten zu gewährleisten und letztendlich die Wirksamkeit der Einwilligung sicherzustellen.

Fazit

Ein Microtargeting im politischen Wahlkampf geht mit einer Verarbeitung von zahlreichen und teils sensiblen personenbezogenen Daten der Wählerinnen und Wähler einher. Aufgrund der komplexen Datenanalysen und der Vielzahl an beteiligten Akteuren sind die Verarbeitungsvorgänge für die Betroffenen nur schwer überschaubar, sodass die Einwilligung als Mittel der informationellen Selbstbestimmung an Ihre Grenzen stößt.

Eine Regulierung des Einsatzes von Microtargeting-Techniken bei politischer Werbung durch eine gesonderte EU-Verordnung ist daher grundsätzlich zu begrüßen. Hierbei sollten insbesondere die durchaus strengen Regulierungsvorschläge des Europäischen Parlaments aufgegriffen werden, um gegenüber den Betroffenen eine transparente und selbstbestimmte Datenverarbeitung zu gewährleisten.