Man stelle sich vor: die ganze Familie ist zu einem netten Sonntags-Brunch im großzügigen Garten bei Oma und Opa versammelt, die Erwachsenen sitzen und reden, die Kinder spielen gemeinsam auf dem Rasen und eines der Kinder kommt mit hübsch eingeflochtenen Wiesenblümchen im Haar zur Mutter gerannt. Die ganze Familie ist entzückt und gerne möchte man diesen schönen Moment festhalten. Genauso gerne möchte man vielleicht auch Bekannte daran teilhaben lassen oder Familienmitglieder, die es zeitlich nicht einrichten konnten. Also werden die Fotos und Videos in Chats und in sozialen Medien mal eben schnell geteilt. Doch hier ist Vorsicht geboten, denn auch Kinder haben ein Recht am eigenen Bild und einmal veröffentlichte Bilder lassen sich schwer aus dem Internet entfernen. Das Recht auf Vergessenwerden nach Art. 17 der DSGVO läuft damit faktisch leer und zudem wird das sog. Haushaltsprivileg für familiäre und persönliche Tätigkeiten (wir berichteten) verlassen, das eine Ausnahme von der DSGVO definiert.

Sharenting

Für das Phänomen, dass Eltern das gesamte Leben ihrer Kinder posten und bloggen, hat sich mittlerweile ein eigener Begriff entwickelt: Sharenting, zusammengesetzt aus den englischen Worten „Parenting“ und „Share“. Und dies passiert immer häufiger, wie auch die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI NRW) in ihrem 27. Tätigkeitsbericht für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.12.2021 berichtete. Die Eltern haben dabei überhaupt nichts Böses im Sinn. Vielmehr ist es sehr gut nachvollziehbar, dass man andere Menschen an den schönen und witzigen Momenten seines Familienlebens teilhaben lassen möchte. Überlegen sollte man sich an dieser Stelle jedoch, was das Kind dazu sagen würde, würde es begreifen, dass sein gesamtes Leben mit Gott und der Welt geteilt wird.

Denn was für Erwachsene lustig ist, kann für Kinder peinlich und beschämend sein. Wenn nicht unmittelbar, dann vielleicht Jahre später. Und die Aufnahmen können Jahre oder gar Jahrzehnte später noch zugänglich sein, so dass Klassenkameraden und Freunde ungehindert Zugriff auf jeden geteilten Moment haben. Laut einem Artikel von Cogitatio haben Umfragen ergeben, dass mehr als die Hälfte aller befragten Eltern Fotos oder Videos veröffentlicht hätten und in etwa ein Elternteil von fünf als regelmäßig öffentlich teilend eingestuft werden könne (also monatliches Teilen oder häufiger über Blogs und Posts). Darüber hinaus hätten gut ein Drittel der Eltern ihr Kind im Vorfeld um Erlaubnis gefragt, während nach der EU Kids Online-Befragung nur neun Prozent der befragten Kinder berichteten, dass ihre Eltern ohne ihr Einverständnis Texte, Bilder oder Videos von ihnen ins Netz gestellt haben. Hier besteht also eine ziemliche Diskrepanz in der Wahrnehmung.

Den Kindern wird ein Mitspracherecht verwehrt

Auch das Deutsche Kinderhilfswerk beschäftigte sich mit diesem Thema in einer Studie und kam zu dem Ergebnis, dass „Kinder […] genaue Vorstellungen davon [haben], ob, wann und mit wem Bilder von ihnen geteilt werden dürfen – sie werden nur in der Regel nicht von den Eltern an diesen Entscheidungen beteiligt und würden weniger Bilder preisgeben.“

Ab welchem Alter sollten Eltern ihre Kinder um eine Einwilligung bitten?

Ab wann sollte das Kind selbst einwilligen? Das Recht am eigenen Bild wird altersunabhängig vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt. Seine Ausprägung findet dieser Grundrechtsschutz in den §§ 22 und 23 KunstUrhG. Ist die Person noch minderjährig, wird für eine Einwilligung an die Einsichtsfähigkeit des Kindes angeknüpft. Diese wird in der Regel mit dem 14. Lebensjahr angenommen, kann im Einzelfall aber auch früher vorliegen. Soweit noch keine Einsichtsfähigkeit angenommen werden kann, kommt es regelmäßig auf die Einwilligung beider Elternteile an.

Abgesehen von den zu berücksichtigenden Rechten am eigenen Bild und auf Selbstbestimmung einer jeden Person, gibt es darüber hinaus einige abstraktere Gefahren, die gerade für jüngere Kinder nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sind und daher von den Eltern bedacht werden müssen. Eine Einwilligung des Kindes sollte daher nicht automatisch so gewertet werden, dass eine Veröffentlichung angebracht ist.

Das Missbrauchspotential im Netz ist riesig

Im Kontext von Cyber-Mobbing können im Internet veröffentlichte Aufnahmen genutzt werden, um großen Schaden anzurichten. Dafür bedarf es nicht einmal solche besonders peinlicher Art, denn auch vermeintlich harmlose Bilder können zum Beispiel durch Nachbearbeitung so genutzt werden, dass sie jemanden bloßstellen.

Leider werden viel zu häufig Aufnahmen von Säuglingen in Windeln, Kindern im Schlafanzug oder Jugendlichen in Badebekleidung in sexualisierten Kontexten missbraucht. Täterinnen und Täter mit sexuellem Interesse an Kindern suchen gezielt solche Aufnahmen im Internet, um sie Gleichgesinnten zugänglich zu machen. Dadurch entsteht zwar keine direkte physische Gefahr für die Kinder, dennoch möchten wohl weder die Eltern noch die Kinder, dass ihre Bilder in diesem Zusammenhang missbraucht werden.

Damit Kinder geschützt sind, müssen sie zunächst ihre Grenzen und Rechte kennen, so auch das Fazit der LDI NRW. Gerade von Vertrauenspersonen sollte ihnen daher unbedingt vermittelt werden, dass sie ein Mitspracherecht haben, wenn es um ihre Privatsphäre geht und dass auch Erwachsene sich nicht über die von ihnen gesetzten Grenzen hinwegsetzen dürfen. Kinder, die auf diese Weise sensibilisiert sind, haben in Gefahrensituationen eine bessere Chance derartige Grenzverletzungen zu bemerken, auf sie aufmerksam zu machen und sich Hilfe zu holen.