Verankert ist dieses arbeitsrechtliche Verfahren in § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 9 (SGB IX). Danach ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (kurz: BEM) durchzuführen, sobald ein Beschäftigter innerhalb von 12 Monaten (maßgeblich ist das Kalenderjahr) länger als 6 Wochen arbeitsunfähig war, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen durchgängigen Zeitraum handelt oder dieser zeitweise unterbrochen wurde.

Beim Lesen dieser Norm tun sich allerdings unweigerlich Lücken auf: Was für ein Verfahren ist das jetzt genau? Worin liegt der Sinn und Zweck? Und wie zeichnet sich dessen Verlauf im Einzelnen aus? Fragen die sich jeder Arbeitgeber stellt und zu denen sich der Gesetzgeber zum Teil sehr bedeckt hält. Es werden weder konkrete Maßnahmen noch bestimmte Verfahrensabschnitte vorgeschrieben, sodass dem Arbeitgeber ein gewisser Gestaltungsspielraum verbleibt. Nachdem wir uns in der Vergangenheit bereits mit Teilfragen zum BEM beschäftigt haben (Link), wollen wir mit diesem Beitrag versuchen, grundsätzlich etwas Licht ins Dunkel zu bringen und dem Arbeitgeber eine Art Anleitung für die Durchführung eines BEM mit an die Hand zu geben.

Handlungsanleitung

Sinn und Zweck des BEM ist es, zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit eines Beschäftigten bestenfalls überwunden wird und dem Arbeitnehmer in kleinen Schritten wieder in die Arbeitswelt zu helfen. Ein weiteres Ziel liegt darin, einer möglicherweise wiederholten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und die dazu erforderlichen Mittel bzw. Hilfen abzuklären. Insgesamt soll das Verfahren also das Arbeitsverhältnis mit dem Beschäftigten erhalten.

Im Hinblick auf die Durchführung des BEM hat das Bundesarbeitsgericht (nachfolgend: BAG) im Jahre 2014 zumindest ein paar Grundsätze aufgestellt, die von Seiten des Arbeitsgebers beachtet werden müssen. In dieser Entscheidung vom 20.11.2014 (Az.: 2 AZR 755/13) ging es vordergründig darum, ob eine krankheitsbedingte Kündigung ohne Durchführung eines ordnungsgemäßen BEM ausgeschlossen ist. Streitgegenstand war demnach eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung eines nicht schwerbehinderten Beschäftigten, der über einen Zeitraum von 6 Jahren wegen unterschiedlicher Erkrankungen jeweils mehr als sechs Wochen pro Jahr arbeitsunfähig war. Bevor die Kündigung jedoch gegenüber dem Arbeitnehmer ausgesprochen worden ist, unterzog sich dieser mehrmals betriebsärztlichen Untersuchungen, bei denen im Ergebnis keine gesundheitlichen Bedenken gegen die weitere Beschäftigung bestanden haben sollen.

Im Ergebnis hielt das Gericht die Kündigung für unverhältnismäßig und folglich für unwirksam. Die Kündigung sei vorliegend nicht „ultima ratio“ gewesen, da das gesetzlich vorgesehene und für den Arbeitgeber verpflichtende BEM unterlassen wurde.

Entscheidend ist nach Ansicht des BAG aber grundsätzlich nicht, ob ein BEM auch erfolgreich gewesen wäre, sondern vielmehr dass ein Arbeitgeber überhaupt die Initiative zur Durchführung eines BEM ergreift, die insbesondere die folgenden Anforderungen erfüllen muss:

  1. Umfangreiche Unterrichtung und Belehrung des Arbeitnehmers, am besten in schriftlicher Form. Dabei sollte auf jeden Fall auf die Ziele des BEM hingewiesen werden, wobei dies in der Darstellung detaillierter sein muss als die Vorgaben gemäß § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX.
  1. Wichtigkeit des Verfahrens verdeutlichen (Grundlage der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers), jedoch zugleich darauf hinweisen, dass das BEM ergebnisoffen ist und der Arbeitnehmer selbst auch Vorschläge einbauen kann.
  1. Aufzeigen welche personenbezogenen Daten sowie besonderes personenbezogene Daten (wie Krankheitsdaten) erhoben, dem Arbeitgeber zur Kenntnis gebracht und in sonstiger Art und Weise verarbeitet werden und dass dies solche Daten sind, deren Kenntnis erforderlich ist, um die dargelegten Ziele zu erreichen.

Schlussfolgerung

Insgesamt spiegeln die vorherigen Ausführungen die Wichtigkeit dieses arbeitsrechtlichen Verfahrens wider. Nichtsdestotrotz bleibt das BEM eine brisante und vor allem sensible Thematik, wie beispielsweise dieser aktuelle Beitrag zeigt, bei der vor allem das Vertrauen auf Seiten des Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber erforderlich ist. Denn schon durch die Datenarten, wie etwa das detailliert erfasste Krankheitsbild, gibt der Beschäftigte Einblicke in seinen höchstpersönlichen Lebensbereich. Um das Verfahren für den Beschäftigten größtmöglich transparent zu gestalten, sollten die einzelnen Abschnitte des BEM einschließlich des Ergreifens der Initiative durch den Arbeitgeber umfassend geregelt werden (mithilfe einer Betriebsvereinbarung oder einer Richtlinie).