Werbeagenturen und Handelsunternehmen versuchen seit Jahren, durch fortschreitende Technik die personalisierte Werbung immer besser auf den Kunden zuzuschneiden. Während sich im Internet viele Möglichkeiten durch Remarketing und Profiling bieten, hinken lokale Geschäfte diesem Treiben deutlich hinterher.
Als eine neue Methode der passenden Ansprache des Kunden in der Offline-Welt gilt die Gesichtserkennung, die insbesondere bei der Videoüberwachung immer mehr zum Tragen kommt. So lassen sich durch eine Gesichtserkennungssoftware das Geschlecht und das ungefähre Alter des Gefilmten feststellen. Die neuesten Systeme der Gesichtserkennung können sogar noch mehr Details zur Person liefern – in naher Zukunft könnten sogar offenkundige Krankheiten beim Anwesenden diagnostiziert werden.
Die Deutsche Post testet ein solches Verfahren derzeit in mehreren Partnershops in Köln und Berlin. Weitere Einsätze in rund 60 Geschäften in München und Hamburg könnten bald folgen. Die dabei eingesetzte Technik trägt den Namen „adpack“ und stammt vom Berliner Unternehmen Indoor Advertising (IDA), das bereits an einem großen Werbenetzwerk arbeitet. Auf diese Weise sollen unter anderem das Alter und Geschlecht der Anwesenden ausgewertet und anschließend der Zielgruppe entsprechende Werbung auf den Infodisplays im Geschäft angezeigt werden. Die Deutsche Post will damit nach eigener Darstellung prüfen, ob die Mischung aus Information, Unterhaltung und zielgruppenspezifischen Werbeinhalten die Zufriedenheit der Kunden weiter erhöhen könnte. Letztlich zielt das Vorgehen natürlich auch auf die Steigerung des Umsatzes im Ladengeschäft ab, das ohnehin unter dem Druck des Online-Handels leidet.
Wie könnte diese neue Werbeform aussehen? Vielleicht würde der 20-jährige Mann beispielsweise auf den großflächigen Bildschirmen vermeintlich ihn ansprechende Werbung zum „Bundesliga-Paket“ bekannter Pay-TV Anbieter erhalten, während er in der Warteschlange am Postschalter steht. Für ältere Damen würde vielleicht das hochwertige Briefpapier oder das teure Kugelschreiber-Set eingeblendet werden.
Gefahr für den Datenschutz
Remarketing kollidiert regelmäßig mit dem Datenschutzrecht. Dies wird durch die eingesetzte Technik der Gesichtserkennung noch brisanter. Das Bildnis einer Person ist als personenbezogenes Datum nach dem Bundesdatenschutzgesetz geschützt, so dass die Erhebung und eine etwaige Speicherung dieser Bildaufnahme zum Zwecke der Analyse der biometrischen Daten (Gesichtsmuster) für die sich daraus ableitende personalisierte Werbung einer Rechtsgrundlage bedarf. Sowohl eine gesetzliche Erlaubnis als auch die Einwilligung des Betroffenen in diese Datenverarbeitung sind aller Wahrscheinlichkeit nach hier nicht gegeben.
Schließlich betonen die Verantwortlichen der Deutschen Post, dass diese Datenverarbeitung anonym erfolge. Immerhin würden keine Namen oder sonstige Daten des Betroffenen gespeichert und lediglich anhand gewisser biometrischer Merkmale (Metadaten) eine Zuordnung zu den einzelnen Zielgruppen getroffen. Überdies würde er hiervon nach Ansicht der Verantwortlichen auch gar nichts mitbekommen. Doch die Aufnahme des Gesichts einer Person bzw. Berechnung der biometrischen Daten anhand der Gesichtsmuster ist für sich genommen nicht anonym, sondern betrifft individualisierbare Merkmale der Person im Zusammenspiel mit seinem Bildnis. Verwendet der Kunde später sogar noch seine EC-Karte beim Geldabheben oder Einkauf, könnte die Person in jedem Fall durch die Bank identifiziert werden.
Vor diesem Hintergrund drängt sich der Vergleich mit der intelligenten Videoüberwachung auf. Wünschenswert wären daher ein erkennbarer Hinweis im Ladengeschäft bezüglich der eingesetzten Technologie sowie dessen Zweck. Ebenso gilt es die Betroffenenrechte (Widerspruchmöglichkeit) zu wahren, um dem Ladenbesucher zu ermöglichen, sich vor dieser automatischen Analyse seiner Person und ebenso vor etwaiger personalisierter Angebotsauswahl zu schützen.
Die Zukunft der Display-Werbung
Diese intelligente Vermarktung ist nur der Anfang und wird phasenweise bereits in Einkaufszentren eingesetzt, die mit interaktiven Displays und Infotainment-Stationen ausgestattet sind. Im nächsten Schritt dürften Kunden an großflächigen Monitoren und Anzeigen direkt mit passenden Angeboten konfrontiert werden. Im Zusammenwirken mit weiteren Tracking-Methoden (Offline-Tracking, beacons) könnten die Käufer an jeder Stelle im Gebäude wiedererkannt und im Kaufverhalten studiert werden. Beim Gang durch den Supermarkt oder einer Einkaufspassage könnten dem Einzelnen – passend zum vorangegangenen Einkauf – immer weitere Produkte offeriert werden, an die er selbst nicht einmal dachte. Hinzu kommt die Methode der individuellen Preisgestaltung, die alsbald im Supermarkt oder Elektrofachhandel zu personalisierten Preisen führt.
Bei all diesen Werbestrategien dank „big data“ stellt sich immer die Frage nach der tatsächlichen Wirksamkeit der personalisierten Werbung. Häufig fühlen sich die Kunden bzw. Besucher durch die zugeschnittenen Angeboten belästigt oder gar verfolgt – und kaufen die Produkte nicht. Und die datenschutzrechtlichen Bedenken lassen sich selten aus der Welt schaffen, sobald es an der Transparenz der Datenverarbeitung und den erforderlichen Betroffenenrechten mangelt. Es wird sich daher zeigen, ob die beabsichtigte Technik im Ladengeschäft der Deutschen Post erfolgreich ist oder eher abschreckend wirkt.