Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat kürzlich klargestellt, dass auch Gesundheitsdaten in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren von der Gegenseite vorgetragen werden können (VG Wiesbaden, Urteil vom 19.01.2022 – 6 K 361/21.W). Hintergrund ist das vergebliche Bemühen eines angestellten Volljuristen die Datenschutzbeauftragte auf Tätigwerden gegen die Anwältin seiner Arbeitgeberin (eine GmbH) zu verklagen.

Ergebnisloses Gespräch mit der Arbeitgeberin zur Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag

Der Kläger, ein angestellter Volljurist, war längere Zeit krankgeschrieben, sodass er seine Arbeitgeberin um ein Gespräch zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement nach § 167 SGB IX (kurz BEM) bat. Das BEM soll insbesondere nach längerer Krankheit die Rückkehr in die Arbeit erleichtern und erneuter Krankheit vorbeugen. Der Volljurist schlug mehrere Teilnehmer am Verfahren vor, darunter ein Mitglied des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung, seinen Vorgesetzten und seinen Bruder. Das Gespräch verlief allerdings ohne greifbares Ergebnis.

Erfolglose Klage auf behindertengerechte Beschäftigung

Daraufhin klagte der Volljurist vor dem Arbeitsgericht Hannover gegen seine Arbeitgeberin auf eine behindertengerechte Beschäftigung und Schadensersatz. Die Rechtsanwältin der Arbeitgeberin trug in dem Verfahren aus dem Inhalt des BEM-Gesprächs vor. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, da ein Anspruch auf schwerbehindertengerechte Beschäftigung wegen des fehlenden Präventionsverfahren nach § 167 SGB IX nicht gegeben sei.

Erfolglose Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde

Der Volljurist wandte sich nunmehr an die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen (LfD). Er beklagte, dass die Rechtsanwältin seiner Arbeitgeberin rechtswidrig Zugang zu der BEM-Akte erhalten und sogar vor Gericht wörtlich daraus zitiert habe.

In einer Stellungnahme an die LfD wies die Anwältin darauf hin, dass der Volljurist selbst der Meinung gewesen sei, dass es kein BEM-Verfahren war, da der Betriebsarzt nicht dabei war. Außerdem habe sie lediglich eine mündliche Zusammenfassung des Gesprächs von der Arbeitgeberin erhalten. Informationen über etwaige Erkrankungen des Klägers seien nicht Gegenstand im Verfahren gewesen. Die LfD teilte daraufhin dem Volljuristen mit, dass die Datenverarbeitung durch die Anwältin nicht zu beanstanden gewesen sei.

Klagen gegen die LfD … erfolglos

Dies nahm der Volljurist nunmehr zum Anlass vor dem Verwaltungsgericht Klage gegen die LfD zu erheben, damit diese verurteilt werde, gegen die Anwältin vorzugehen. Das Verwaltungsgericht folgte der Argumentation der LfD und wies die Klage ab. Es konnte nicht feststellen, dass die Rechtsanwältin gegen die DSGVO und deren Grundsätze verstoßen hätte.

Zunächst stellt das Verwaltungsgericht fest, dass die Rechtsanwältin im Hinblick auf die Datenverarbeitung Verantwortliche im Sinne der DSGVO sei und begründet dies mit dem Status eines unabhängigen Organs der Rechtspflege.

Die Frage, ob eine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung durch die Rechtsanwältin besteht, bejaht das Gericht und verweist dazu auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 9 DSGVO. Zunächst stellt das Gericht fest, dass die Anwältin ein berechtigtes Interesse hatte, die von ihrer Mandantin, der Arbeitgeberin des Klägers, gemachten Angaben zu verarbeiten, indem diese in den Prozess eingeführt wurden. Konkret ergebe sich das berechtigte Interesse aus den vertraglichen Verpflichtungen zwischen der Rechtsanwältin und ihrer Mandantin. Darüber hinaus sei die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen der Mandantschaft erforderlich. Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts wäre unmöglich, wenn er nicht grundsätzlich vortragen dürfe, was der Mandant mitteilt. Auch eine Interessenabwägung zwischen den Interessen der Anwältin und des Volljuristen geht für das Gericht zugunsten der Anwältin aus. Zunächst seien die Daten im verwendeten Vortrag nicht falsch oder in rechtswidriger Weise beschafft worden. Außerdem habe der Volljurist vor dem Arbeitsgericht in seiner Klage die Gesundheitsdaten selbst eingebracht, da es ihm um eine behindertengerechte Beschäftigung ging.

Auch unter dem Aspekt von Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO sei die Datenverarbeitung rechtmäßig gewesen. Zwar bestehe der Grundsatz, dass Gesundheitsdaten nicht verarbeitet werden dürfen, allerdings greife hier die Ausnahmeregelung, die eine Verarbeitung u. a. zur Verteidigung von Rechtsansprüchen erlaube. Da der Volljurist im arbeitsgerichtlichen Verfahren selbst ärztliche Atteste und E-Mails mit Verweis auf das BEM-Verfahren vorlegte, wäre ein faires Verfahren nicht gewährleistet, wenn sich die Gegenseite in Gestalt des Prozessvortrags der Rechtsanwältin nicht mit entsprechenden Angaben wehren könnte.

Dadurch, dass das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass die Datenverarbeitung rechtmäßig war, gab es für die LfD keine Möglichkeit anders zu entscheiden, als dass die Anwältin korrekt gehandelt hat.

Fazit

Auch Gesundheitsdaten sind nicht absolut geschützt. Die DSGVO erkennt zwar an, dass diese Daten besonders schützenswert sind. Gleichwohl kann auch ohne Einwilligung der betroffenen Person eine Datenverarbeitung erfolgen. Der Art. 9 DSGVO bietet dazu einen umfangreichen Katalog.