Wir berichteten in der Vergangenheit bereits über verschiedene Themen aus dem Bereich der Immobilienwirtschaft (bspw. hier und hier). Nun gibt es Neuerungen bei der Abhaltung von Eigentümerversammlungen. Der Bundestag hat in erster Lesung am 18.01.2024 über einen Gesetzentwurf beraten, der es ermöglichen soll, Eigentümerversammlungen künftig auch vollständig online abzuhalten, wenn die Wohnungseigentümer dies mehrheitlich beschließen. Bislang war nur eine hybride Form möglich. Aus verschiedenen Stellungnahmen von Experten zur Online-Eigentümerversammlung ergibt sich ein kontroverses Meinungsbild.

Stellungnahmen zum Gesetzentwurf

Der Eigentümerverband Wohnen im Eigentum (WiE) bspw. lehnt die Möglichkeit, Eigentümerversammlungen vollständig online durchführen zu können, ab. Es bestehe die Gefahr, dass „ältere, hörgeschädigte, bildungsbenachteiligte und technisch nicht versierte“ Eigentümer ausgegrenzt werden und somit deren Recht an der Teilnahme an der Eigentümerversammlung als ein Kernrecht aus dem Wohnungseigentum vereitelt werde. Problematisch sei in diesem Zusammenhang insbesondere, dass es keine Rechtspflicht gibt, überhaupt eine E-Mail-Adresse zu haben. Die Ausübung des Rechts auf Teilnahme an der Versammlung wäre im Falle einer Online-Versammlung dann allerdings zwingend daran geknüpft, eine E-Mail-Adresse zu haben und diese auch bekanntzugeben. Es komme zu der widersprüchlichen Rechtslage, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) einen Anspruch gegenüber jedem Eigentümer hätte, eine E-Mail-Adresse zu verlangen, diese aber (ggf.) nicht weitergeben zu dürfen. Denn zumindest aktuell wird mehrheitlich vertreten, dass Miteigentümer einer WEG von der Verwaltung gerade nicht verlangen können, neben einer ladungsfähigen Postanschrift der anderen Wohnungseigentümer auch deren E-Mail-Adressen zu verlangen (vgl. als Beispiel: LG Düsseldorf, Urteil vom 04.10.2018, Az.: 25 S 22/18). Denn auch unter Berücksichtigung des elektronischen Fortschritts überwiege das schützenswerte Interesse einzelner Eigentümer, nicht von anderen Miteigentümern mittels E-Mail kontaktiert zu werden, welches sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergibt. Für den Fall, dass der Beiratsvorsitzende die Wohnungseigentümer zu einer außerordentlichen Eigentümerversammlung zur Abberufung der Verwaltung einladen muss, sei es aber erforderlich, dass der Beirat die E-Mail-Adressen kennt. Schließlich verweist der Verband auch auf die Gefahr technischer Probleme, die eine Teilnahme an einer Online-Eigentümerversammlung vereiteln könnten.

Auch Dr. Oliver Elzer, Richter am Kammergericht, sowie Rechtsanwalt Urs Markus Taube aus Fürth sehen das Vorhaben kritisch. Der Gesetzentwurf verabschiede sich von zwei zentralen Rechtsgrundsätzen im Zusammenhang mit Eigentümerversammlungen, nämlich dem Recht zur Teilhabe an der Entscheidungsfindung in der Eigentümerversammlung sowie vom Grundsatz der Nichtöffentlichkeit. Letzterer insbesondere soweit der Gesetzentwurf darauf verweise, dass sich weniger technikaffine Eigentümer durch Verwandte oder Freunde unterstützen lassen könnten. Ferner sei der Datenschutz problematisch, wenn jeder Wohnungseigentümer gezwungen wäre, online an einer Versammlung teilzunehmen.

Der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) hingegen begrüßt den Gesetzentwurf. Die geplante Möglichkeit zur Abhaltung von Online-Eigentümerversammlungen bei einem Mehrheitsbeschluss bringe die Digitalisierung im Bereich der Eigentümerversammlung voran. Ausdrücklich begrüßt der Verband auch, dass die konkrete, technische Ausgestaltung virtueller Eigentümerversammlungen im Hinblick auf die schnelllebigen technischen Entwicklungen nicht näher geregelt werden, sondern dies der Praxis und der Rechtsprechung überlassen werden soll. Der VDIV widerspricht (wie bspw. auch Jost Emmerich, Richter am OLG München) den Befürchtungen, ältere und weniger technikaffine Eigentümer könnten an der Wahrnehmung ihrer Mitgliedschaftsrechte gehindert werden, wenn Eigentümerversammlungen komplett online abgehalten werden. Während der Corona-Zeit sei ein Großteil der Gesellschaft im Umgang mit elektronischen Kommunikationsmitteln vertraut gemacht worden. Das gelte für alle Altersklassen, Bildungsgruppen und sowohl für die private als auch die berufliche Umgebung.

Auch die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hält es für sinnvoll, die Durchführung reiner Online-Versammlungen beschließen zu können und verweist darauf, dass die geplante Ausgestaltung des Gesetzes die Präsenzversammlung als Regelfall beibehalte. Gleichzeitig regt die BRAK an, im Gesetz aus Datenschutzgründen auch Anforderungen an die für die Online-Versammlung verwendete Software zu definieren.

Datenschutzrechtliche Probleme und zu treffende Maßnahmen

Mit rein virtuellen Eigentümerversammlungen gehen verschiedene datenschutzrechtliche Probleme einher, die sich insbesondere aus dem Erfordernis der Nutzung von Video- oder Audio-Konferenztechnologien ergeben. Es besteht bspw. die Gefahr, dass unbefugte Personen auf die Versammlung zugreifen und vertrauliche Informationen abfangen können. Daher ist zum einen die Wahl der Plattform für die virtuelle Versammlung entscheidend. Es sollte auf Software-Lösungen im eigenen Netz zurückgegriffen werden (On-Premises-Lösung statt Cloud-Computing-Modell). Zum anderen ist darauf zu achten, dass die Datenverarbeitung nur innerhalb der EU/des EWR stattfindet. Es ist auch wichtig sicherzustellen, dass die gewählte Plattform angemessene Datenschutzmaßnahmen (z. B. End-to-End-Verschlüsselung) implementiert hat. Die Sperrung des Videokonferenzraums durch eine passwortgeschützte Teilnahme trägt ebenfalls zu mehr Sicherheit bei.

Daneben sind möglichst datenschutzfreundliche Voreinstellungen zum Schutz der Integrität und Vertraulichkeit der übertragenen Daten zu treffen. Die Teilnehmer sind zudem darauf hinzuweisen, dass im Hintergrund keine persönlichen oder vertraulichen Dinge sichtbar sein sollten und ein ungestörter Bereich zu nutzen ist, der nicht von anderen Mitgliedern des Haushalts aufgesucht wird.

Im Falle einer Aufzeichnung von virtuellen Versammlungen muss zuvor die Zustimmung der Teilnehmer zur Aufzeichnung eingeholt und sichergestellt werden, dass die Aufzeichnungen angemessen geschützt werden. Bei einer Speicherung von Videodaten sind zudem immer Fragen wie Zugriffsberechtigungen, Löschfristen und die Gewährleistung der Betroffenenrechte zu klären.

Weiterhin ist im Zusammenhang mit Videokonferenzen auf ausreichend Transparenz durch entsprechende Datenschutzerklärungen zu achten.

Fazit

Der Entwurf wird aktuell in den Ausschüssen beraten. Wegen des kontroversen Meinungsbildes der Experten bleibt die endgültige Entscheidung spannend. Wir halten Sie in unserem Blog zu diesem Thema auf dem Laufenden.