Seit wenigen Wochen testet die niedersächsische Polizei den Einsatz von Bodycams. Hiermit soll an die zahlreichen, teils erfolgreichen Pilotprojekte anderer Bundesländer angeknüpft werden, in denen die Polizeibeamten zum Teil bereits mit Schulterkameras ausgestattet wurden.
Doch nun hat die Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen, Barbara Thiel die probeweise Einführung von Bodycams bei der Polizei in Niedersachsen formell beanstandet, wie der Pressemitteilung zu entnehmen ist. Sie halte den Pilotversuch für rechtswidrig, denn anders als bei vergleichbaren Modellen der Polizei in Hamburg oder Hessen fehle es gerade im Landesrecht an einer Rechtsgrundlage für die Bildaufnahmen. Ebenso wird kritisiert, dass das Innenministerium Niedersachsens bis jetzt nicht die erforderliche Vorabkontrolle (vgl. § 7 Abs. 3 NDSG) des Einsatzes neuer technischer Systeme vorgenommen hat. Die Datenverarbeitung durch dieses Videosystem sei demnach rechtswidrig. Ob das Vorgehen nun beendet wird, ist noch unklar.
Die Datenschützer möchten sich jedoch nicht grundsätzlich der Thematik versperren. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen Bodycams bei der Polizei – die Kameras dürfen aber nicht an Recht und Gesetz vorbei betrieben werden.“ erklärte Dr. Christoph Lahmann, stellvertretender Landesdatenschutzbeauftragter Niedersachsens, und verwies auf einen aktuellen Gesetzesentwurf zur Überarbeitung des niedersächsischen Polizeigesetzes.
Grundrechtseingriffe durch unterschiedliche Techniken
Das Filmen im öffentlichen Raum birgt grundsätzlich das Risiko von Eingriffen in die Grundrechte des Einzelnen, indem dieser z.B. durch die Bildaufnahme in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sein kann. Dieses gilt umso mehr, wenn der Betroffene nicht zuvor umfassend auf die direkte Aufnahme durch die Schulterkamera hingewiesen wird und sich dem auch nicht versperren kann. Schließlich kann der Anwesende bereits beim üblichen Kontrollgang durch die Polizeibeamten an öffentlichen Plätzen ohne Anlass in das Sichtfeld der Bodycams geraten. Gleichwohl ist dieser Umstand nicht mit festinstallierten und erkennbaren Videokameras nebst großflächigen Hinweisschildern zu vergleichen.
Bei der Beurteilung der Rechtsmäßigkeit des Einsatzes von Bodycams durch die Polizei oder aber Mitarbeitern der Deutschen Bahn an Bahnhöfen muss zwischen den technischen Umsetzungsmöglichkeiten differenziert werden. So gibt es mehrere technische Systeme, die von unterschiedlicher Intensität des Grundrechtseingriffs geprägt sind. Aktiviert der handelnde Polizeibeamte die Bodycam erst bei Problemfällen, zeichnet die Kamera durchgängig auf oder wird sogar noch durch ein integriertes Mikrofon der Ton mit aufgezeichnet? Ferner gibt es die Precording-Funktion, die bereits die 60sek vor Aktivierung der Kamera aufzeichnet.
In jedem Fall ist angesichts des drohenden Eingriffs in die Grundrechte des Einzelnen eine rechtliche Grundlage erforderlich, die sich aus dem Polizeigesetz (in Hessen: § 14 Abs. 6 HSOG; in Hamburg: § 8 Abs. 5 PolDvG HH) ergeben kann. An einer solchen fehlt es in Niedersachen.
Und auch die Speicherfrist muss aus datenschutzrechtlicher Sicht bewertet werden. All jene Faktoren gilt es abzuwägen und diese müssen in einer etwaigen Rechtsgrundlage für die Videoaufzeichnung im öffentlichen Raum eindeutig vorgegeben sein. In ähnlicher Deutlichkeit müssen datenschutzrechtliche Fragestellungen, z.B. im Hinblick auf zwingende Speicherfristen, Beschränkungen der Zugriffsmöglichkeiten und etwaige Betroffenenrechte gesetzlich geregelt sein.
Bislang wenige Untersuchungsergebnisse bekannt
Unabhängig der rechtskonformen Umsetzung der Videoüberwachung sind bislang nur wenige aussagekräftige Untersuchungsergebnisse zu den Folgen der Nutzung von Schulterkameras bekannt. Während die Deutsche Bahn in einer Pressemitteilung aus Dezember letzten Jahres davon spricht, dass die Angriffe auf Mitarbeiter bzw. Sicherheitskräfte durch die Installation der Schulterkameras spürbar abgenommen habe, zeichnet eine internationale Studie von Wissenschaftlern der Universität of Cambridge und RAND hingegen ein anderes Bild auf. Demzufolge seien die einbezogenen Polizisten in den USA durch das Tragen von Bodycams um 15 Prozent öfters angegriffen worden als ihre Kollegen ohne die Videosysteme an der Ausrüstung.
Allerdings präsentierte das Polizeipräsidium Frankfurt a.M. in ihrem Abschlussbericht vom 1.10.2014 einige positive Feststellungen aus Hessen über den mobilen Einsatz von Bodycams in bestimmten Einsatzgebieten. Die endgültige Evaluation der deutschen Polizeibehörden läuft vielerorts indes noch.