Die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI), Frau Maja Smoltczyk, hatte sich mit ihrer Behörde im vergangenen Jahr mit einer interessanten Fragestellung im Datenschutzrecht zu befassen, die es auch in den aktuellen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2021 geschafft hat (Seite 135-137). Das Amtsgericht Pankow beschäftigte sich dann im März dieses Jahres ebenfalls mit diesem Thema.

Im Fall der BlnBDI verlangte eine Person, die zuvor im öffentlichen Nahverkehr (S-Bahn) in Berlin unterwegs war, Auskunft nach Art. 15 DSGVO vom Verkehrsbetrieb als datenschutzrechtlich Verantwortlichem über die flächendeckende Videoüberwachung in Bahn und Bus. Die betroffene Person wollte Auskunft darüber erhalten, welche personenbezogenen Daten zu ihrer Fahrt verarbeitet wurden sowie eine Kopie der Videoaufnahmen, die sie betrafen.

Prüfung durch den Verantwortlichen

Wie es die DSGVO bei Zweifeln bzw. Unklarheiten vorsieht, kann der Verantwortliche (der Verkehrsbetrieb) zunächst weitere Details zur Person für die Personenidentifikation bzw. zur Prüfung der Anfrage verlangen. Hier teilte die betroffene Person offenbar ohnehin bereits nähere Angaben zum Zeitpunkt der Fahrt und somit zu dem genauen Datum der Videoaufnahme mit:

„Zur Konkretisierung seines Anliegens und zur Identifizierung seiner Person hat der Fahrgast die Zugnummer und den Zeitpunkt der Aufnahme mitgeteilt. Darüber hinaus hat er sein Aussehen und seine Kleidung beschrieben, die er bei der Bahnfahrt trug und ergänzt, auf das im Zug angebrachte Hinweisschild gezeigt zu haben. Sein Auskunftsersuchen (mit der Bitte um Übersendung einer Kopie der entsprechenden Videoaufnahmen) hat der Fahrgast zeitnah, d. h. innerhalb der Speicherfrist, bei der S-Bahn Berlin GmbH eingereicht.“ (Auszug aus dem Jahresbericht 2021).

Angesichts der Anzahl an tagtäglichen Gästen im öffentlichen Nachverkehr und der Vielzahl an Zügen in der Hauptstadt dürften diese Angaben zur weiteren Prüfung der Betroffenheit der Person auch erforderlich gewesen sein, zumal das Material nach Angaben des Verantwortlichen bereits nach 48 Stunden wieder gelöscht wird.

Doch nun wird es richtig interessant, denn nach Übermittlung dieser Informationen teilte der Verantwortliche mit, dass die Herausgabe einer Kopie von Videoaufnahmen nicht möglich sei.

Verweigerungsgründe nach der DSGVO

Die BlnBDI gibt die Argumentation in ihrem Tätigkeitsbericht wie folgt wieder: „Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte anderer Fahrgäste erfolge eine Herausgabe nur auf polizeiliche Anforderung und nicht an Privatpersonen. Sogar die S-Bahn selbst nehme keine Einsicht in die Videodaten. Auskünfte an die Strafverfolgungsbehörden würden nur anhand eines Zeitstempels, nicht aber mittels Sichtung der Inhalte des Videomaterials erfolgen. Nach Auffassung der S-Bahn Berlin GmbH handelt es sich bei den Videodaten nicht um personenbezogene Daten, da diese von der S-Bahn Berlin GmbH nicht eingesehen würden.“

Wenn auch einige dieser Argumente nicht nachvollziehbar sind, so dürfte zumindest die Verweigerung dahingehend vertretbar sein, dass auf Ebene des Auskunftsanspruchs bereits in Art. 15 Abs. 4 DSGVO geregelt wird: „Das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 3 darf die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen.“ Doch diese Beeinträchtigung Dritter könnte anzunehmen sein, wenn ein unzensiertes Videomaterial, das viele andere Personen ebenso erfasst und ggfs. sogar mehrere Minuten lang ist, an die betroffene Person herausgegeben wird. Fahrgäste sind unweigerlich der Videoüberwachung in Bus und Bahn ausgesetzt und können dabei auch in privaten Situationen erfasst werden. Allerdings wird diesem Risiko dahingehend begegnet, dass die Aufzeichnungen nach 48 Stunden wieder gelöscht und nicht von Beschäftigten des Verkehrsbetriebes gesichtet werden. Eine Sichtung erfolgt nur bei Störungen o. Ä.

Auch die Unverhältnismäßigkeit der Umsetzung dieses Anspruchs wurde offenbar vorgetragen.

Wie ging es weiter?

Doch das sollte noch nicht das Ende sein. Vielmehr akzeptierte die Landesdatenschutzbeauftragte nicht per se eine Verweigerung der Auskunft wegen Unverhältnismäßigkeit und argumentierte, es hätten auch andere betroffene Personen auf dem Videomaterial geschwärzt oder verpixelt werden können. Konkret forderte die BlnBDI den Betreiber auf, „ein Verfahren zu entwickeln, wie Videodaten zukünftig korrekt beauskunftet werden.“ Da dies jedoch abgelehnt wurde, sollte die Sache nun gerichtlich geklärt werden.

Schließlich hatte sich das Amtsgericht Pankow (Az.: 4 C 199/21; Urteil vom 28.03.2022) nun in der Folge im Rahmen einer anderen Rechtstreitigkeit (einer Klage auf Schmerzensgeld gem. Art 82 Abs. 1 DSGVO) mit der Thematik „Auskunft bei Videoüberwachungen“ zu beschäftigen (das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig). Das Amtsgericht lehnte den Anspruch auf Schmerzensgeld des Klägers ab, da durch die Nichterfüllung des Auskunftsanspruchs kein Verstoß des Verkehrsbetriebs gegen die DSGVO vorläge. Denn die Auskunft nach Art. 15 DSGVO durch den Verkehrsbetrieb sei aufgrund unverhältnismäßigen Aufwands unzumutbar gewesen.

Dabei führte das Gericht bemerkenswert differenziert die Verweigerungsgründe bzw. die Verhältnismäßigkeit der Wahrung des Auskunftsbegehrens und die Komplexität einer etwaigen Umsetzung im Einzelfall aus.

„Hinsichtlich des hierauf basierenden Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO ist der Beklagten das Erfüllen dieses Auskunftsanspruchs jedoch aufgrund unverhältnismäßigen Aufwands unzumutbar gemäß § 275 Abs. 2 BGB (vgl. Gola/Franck, DS-GVO, Kommentar, 1. Aufl. 2017, Art. 15, Rn. 30). Aufgrund des Ausnahmecharakters von § 275 Abs. 2 BGB und aufgrund der zentralen Bedeutung des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DSGVO sind strenge Maßstäbe an die Unverhältnismäßigkeit eines Auskunftsbegehrens anzulegen, Insbesondere besteht ein Verweigerungsrecht nur bei grobem Missverhältnis zwischen Aufwand und Leistungsinteresse.

Ein solch grobes Missverhältnis besteht jedoch hier. Denn das Transparenzinteresse des Klägers ist äußerst gering. Insbesondere war er sich des Ob, Wie und Was der Datenverarbeitung bewusst (vgl. Gola/Franck, DS-GVO, Kommentar, 1. Aufl. 2017, Art. 15, Rn. 2). Der Kläger wusste genau, dass und in welchem Umfang personenbezogene Daten erhoben werden. Der Normzweck von Art. 15 DSGVO — das Bewusstwerden über die Datenverarbeitung — war daher weitestgehend schon erfüllt. […]

Die Datenverarbeitung durch die Beklagte ist von vornherein auf 48 Stunden zeitlich und örtlich auf die Züge der Beklagten begrenzt. Dem Kläger und jedem anderen Dritten ist es zumutbar, sich innerhalb des kurzen Zeitraums von 48 Stunden zu erinnern, wann eine Dienstleistung der Beklagten in Anspruch genommen wurde und wann entsprechend eine Verarbeitung personenbezogener Daten stattgefunden hat. Mit Blick auf den sehr kurzen Zeitraum ist der vom Kläger beklagte Kontrollverlust nicht erkennbar. Wie der Kläger selbst darlegt, wurde er zudem von der Beklagten auch über sämtliche von Art. 15 Abs 1 lit. a-h DSGVO erfassten Aspekte der Datenverarbeitung, einschließlich Verarbeitungszweck, Dauer der Verarbeitung und Beschwerderecht informiert.“

Fazit

Die Fälle bzw. Entscheidungen sind in mehrfacher Hinsicht bedeutsam und betreffen sehr praxisnahe Fragestellungen: Wie weit reichen die Verweigerungsgründe in Bezug auf die Betroffenenrechte, insbesondere der Ausschlussgrund nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO, wenn nämlich Rechte und Freiheiten anderer Personen durch das Recht auf Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO beeinträchtigt werden würden, da sie bspw. mit auf dem Videomaterial zu sehen sind? Und inwiefern wäre die Auskunft ein unverhältnismäßig großer Aufwand? Spannend ist hier, dass sich ein solches Kriterium nicht in der DSGVO selbst findet, sondern hierbei auf zivilrechtliche Normen vom Gericht zurückgegriffen wurde.

Einerseits dürfte vermutlich die Technik mittlerweile so weit entwickelt sein, dass sich automatisch Personen als solche auf einem Videomaterial taggen und entsprechend verpixeln lassen. Andererseits darf der Anspruch auf Auskunft und Kopie nicht uferlos sein, insbesondere nicht, wenn der Person durch eigenständiges, aktives Handeln und entsprechende Datenschutzhinweise ohnehin die Datenverarbeitung bekannt ist.

Wünschenswert sind in jedem Fall angemessene und praxistaugliche Lösungen, um die Rechte der betroffenen Person wie auch des Verantwortlichen und gar unbeteiligter Dritter angemessen zu berücksichtigen. Dem Gericht scheint dies hier grundsätzlich gelungen zu sein. Letztlich ist es aber die Pflicht des Verantwortlichen, effiziente Vorkehrungen für das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO zu treffen.

Update 21.06.2022

Ergänzung zur Klarstellung: Das Urteil des AG Pankow ist noch nicht rechtskräftig.