Sicherlich wurden Sie von Ihrem Arbeitgeber über die Änderung im Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz informiert, dessen neue Beitragssätze seit dem 01.07.2023 gelten. Hierbei handelt es sich sowohl um eine generelle Beitragsanhebung in der Pflegeversicherung als auch um eine Erhöhung des Beitragszuschlags (für Kinderlose).
In diesem Blogartikel berichten wir über die Änderung des § 55 SGB XI und was bei der Beitragsanpassung bzw. dem damit zusammenhängenden Nachweis über die Elterneigenschaft aus datenschutzrechtlicher Sicht zu beachten ist.
Rechtlicher Hintergrund der Beitragsanpassung
Ursprünglich lag der bundeseinheitliche Beitragssatz für die Pflegeversicherung bei „[…] 3,05 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder […]“ (§ 55 Abs. 1 SGB XI a.F.). § 55 Abs. 2 SGB XI a.F. sah zudem einen Beitragszuschlag von 0,35 Beitragssatzpunkten für Mitglieder, die das 23. Lebensjahr vollendet haben und kinderlos sind, vor.
Eltern waren somit dazu angehalten, ihre Elterneigenschaft nachzuweisen, um der Erhebung eines Beitragszuschlags zu entgehen. Eine (weitere) Entlastung für Eltern war in der alten Fassung nicht vorgesehen.
Nach dem neuen § 55 Abs. 1 SGB XI hingegen wird derzeit ein bundeseinheitlicher Beitragssatz von „[…] 3,4 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder […]“ erhoben. Das macht eine generelle Erhöhung und einen Unterschied zum ursprünglichen Beitrag um 0,35 Prozentpunkte aus. § 55 Abs. 2 SGB XI sieht darüber hinaus einen Beitragszuschlag für Kinderlose ab 23 Jahren in Höhe von 0,6 Beitragssatzpunkten vor (insgesamt also 4,0 Prozent).
Für Eltern reduziert sich der einheitliche Beitragssatz (3,4 Prozent) ab dem zweiten Kind bis zum fünften Kind nun um jeweils 0,25 Beitragssatzpunkte, um die Eltern mehr zu entlasten. Der Abschlag gilt ausschließlich für Kinder unter 25 Jahren. Die Beitragssätze werden vom Spitzenverband Bund der Pflegekassen (nachfolgend: Spitzenverband) hier genau aufgelistet.
Das heißt, Eltern müssen auch bei der neuen Regelung ihre „[…] Elterneigenschaft sowie die Anzahl der Kinder unter 25 Jahren […] gegenüber der beitragsabführenden Stelle […]“ nachweisen, (vgl. § 55 Abs. 3a SGB XI).
Wie ein geeigneter Nachweis aussehen kann, regelt § 55 Abs. 3a SGB XI nicht. Vielmehr verweist er einerseits auf die Empfehlung des Spitzenverbands, die unter den Punkten 5.4.1 bis 5.4.4 eine Reihe von Möglichkeiten auflistet, die als Nachweis in Betracht gezogen werden können. Andererseits sieht § 55 Abs. 3d S. 2 SGB XI die Möglichkeit eines vereinfachten Nachweisverfahrens vor.
Der Nachweis der Elterneigenschaft und der Anzahl der Kinder aus datenschutzrechtlicher Sicht
Die Einholung der entsprechenden Nachweise geht mit einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Beschäftigten einher. Die Arbeitgeber als beitragsabführende Stellen stehen somit vor der Herausforderung, den Nachweis datenschutzkonform zu erheben und zu führen.
In einem ersten Schritt sollten die Arbeitgeber prüfen, ob die Elterneigenschaft der Beschäftigten sowie die Anzahl der Kinder nicht bereits bekannt sind. Hierfür kommen insbesondere die vorhandenen Personal- und Entgeltunterlagen in Betracht. Soweit sich hieraus die erforderlichen Angaben nachprüfbar ergeben, ist eine (erneute) Erhebung der Daten nicht erforderlich (vgl. § 55 Abs. 3a S. 1 SGB XI). Eine Datenerhebung wäre in diesem Fall auch nicht mit dem Grundsatz der Datenminimierung aus Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO vereinbar.
Sind die Elterneigenschaft und die Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder dem Arbeitgeber jedoch nicht bekannt, kann er auf eines der beiden nachfolgenden Nachweisverfahren zurückgreifen.
Vereinfachtes Nachweisverfahren
Für den Zeitraum vom 1. Juli 2023 bis zum 30. Juni 2025 sieht der Gesetzgeber ein sog. vereinfachtes Nachweisverfahren vor. Danach gilt der erforderliche Nachweis in diesem Zeitraum auch dann als erbracht, wenn das Mitglied auf Anforderung der beitragsabführenden Stelle die erforderlichen Angaben zu den berücksichtigungsfähigen Kindern mitteilt (vgl. § 55 Abs. 3d Satz 2 SGB XI). Die bloße Mitteilung der erforderlichen Angaben ist ausreichend und kann ohne weitere Prüfung verwendet werden. Die Vorlage konkreter Nachweise (z.B. die Geburtsurkunde) ist nicht erforderlich.
Die Arbeitgeber haben somit die Möglichkeit, die erforderlichen Daten z.B. durch ein von den Beschäftigten auszufüllendes Formular abzufragen. Dabei muss sich der Umfang der Datenerhebung jedoch auf die erforderlichen Informationen beschränken (Grundsatz der Datenminimierung). Weder das SGB XI noch der Spitzenverband sehen die Angabe des Namens des Kindes vor, sodass aus unserer Sicht auf eine solche Angabe durchaus verzichtet werden kann. Zur leichteren Zuordnung der Kinder zum Geburtsdatum kann jedoch auch die Angabe des Namens vertreten werden.
Im Ergebnis sollte sich die Datenerhebung daher maximal auf die Namen und die Geburtsdaten der Kinder beschränken.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass das vereinfachte Nachweisverfahren von den Arbeitgebern nur bis zum Ende der Übergangsfrist (30.06.2025) genutzt werden kann. Ab dem 31.03.2025 soll jedoch ein digitales Nachweisverfahren eingeführt werden, mit dem die Arbeitgeber die erforderlichen Informationen abrufen können (dazu später mehr).
Einholung der Nachweise nach den Empfehlungen des Spitzenverbandes
Außerhalb des vereinfachten Nachweisverfahrens haben Arbeitgeber die Möglichkeit, die Nachweise nach den bereits erwähnten Empfehlungen des Spitzenverbandes zu führen. Dort sind in Kapitel 5.4. eine Vielzahl an Dokumenten aufgeführt, die – je nach Art der Elternschaft – als Nachweis in Betracht kommen. Für leibliche Eltern und Adoptiveltern sind beispielsweise Geburts-, Abstammungs- oder Adoptionsurkunden geeignet. Auch der Abruf der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale aus der ELStAM-Datenbank wird in den Empfehlungen genannt.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist zu beachten, dass diese Dokumente zum Teil (sensible) personenbezogene Daten enthalten, die für den Nachweis der Elterneigenschaft und der Anzahl der Kinder nicht zwingend erforderlich sind. So geht beispielsweise aus den Geburtsurkunden die Religionszugehörigkeit der Eltern hervor. Die Arbeitgeber sollten Ihre Beschäftigten daher auf die Möglichkeit hinweisen, die nicht erforderlichen Angaben vor der Übersendung der Dokumente zu schwärzen und ggf. selbst eine Unkenntlichmachung vornehmen. Zudem sollten die Beschäftigten die Dokumente vorzugsweise persönlich dem Arbeitgeber vorlegen. Ist dies nicht möglich, sollten die Nachweise per Post oder als verschlüsselter E-Mail-Anhang versendet werden, um unbefugte Zugriffe einzuschränken.
Die datensparsamere Möglichkeit, die Unterlagen dem Arbeitgeber im Original vorzulegen und einen Bestätigungsvermerk anzufertigen (wir berichteten), wird vom Spitzenverband in seinen Empfehlungen (Kap. 5.6.) als nicht ausreichend angesehen.
Digitales Nachweisverfahren ab April 2025
Um die Mitglieder der sozialen Pflegekassen und die beitragsabführenden Stellen perspektivisch vom Verwaltungsaufwand beim Nachweis der Elterneigenschaft und der Anzahl der Kinder zu entlasten, soll bis zum 31.03.2025 ein digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der entsprechenden Angaben entwickelt werden (§ 55 Abs. 3c SGB XI). Über den Stand der Umsetzung wird die Bundesregierung bis zum Ende dieses Jahres berichten.
Die Arbeitgeber als beitragsabführende Stellen haben damit spätestens ab April 2025 die Wahl, sich die erforderlichen Angaben nach den Empfehlungen des Spitzenverbandes nachweisen zu lassen oder die erforderlichen Daten künftig über das digitale Verfahren abzurufen. Die Nutzung des vereinfachten Nachweisverfahrens ist dagegen nur noch bis zum 30. Juni 2025 möglich.
Weitere datenschutzrechtliche Pflichten
Bei der Abfrage und Einholung der entsprechenden Nachweise hat der Arbeitgeber als verantwortliche Stelle auch die weiteren datenschutzrechtlichen Pflichten zu beachten. Hierzu gehören zunächst die Informationspflichten aus Art. 13 und 14 DSGVO. Insofern sind die Beschäftigten insbesondere über die Zwecke der Datenverarbeitung, die Dauer der Speicherung und mögliche Empfänger der Daten zu informieren. Ein entsprechender Informationstext kann beispielsweise in die Anschreiben an die Beschäftigten zur Anforderung der Nachweise integriert werden. Darüber hinaus bietet es sich an, die Datenschutzhinweise für neue Beschäftigte so anzupassen, dass eine Information künftig bereits im Rahmen der Einstellung erfolgt.
Neben der Erfüllung der Informationspflichten haben die verantwortlichen Stellen auch die datenschutzkonforme Löschung der erhobenen Daten sicherzustellen. Hier gilt der Grundsatz, dass personenbezogene Daten zu löschen sind, wenn der Zweck der Datenverarbeitung entfällt (Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO). Eine längere Aufbewahrung ist jedoch in Ausnahmefällen zulässig, z.B. wenn eine gesetzliche Aufbewahrungspflicht besteht oder die Datenverarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich ist (Art. 17 Abs. 3 lit. e DSGVO).
Eine Aufbewahrung der Nachweise zur Beitragsanpassung in der Pflegeversicherung dürfte daher zunächst für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses zulässig sein. Der Spitzenverband empfiehlt, die Nachweise darüber hinaus für weitere vier Kalenderjahre aufzubewahren (vgl. Kapitel 5.6). Dies gelte auch für die Dokumentation der Mitteilungen im vereinfachten Nachweisverfahren.
Fazit
Eine Entlastung in der Pflegeversicherung wird viele Eltern freuen, auch wenn der Weg dorthin wieder einmal bürokratischer Natur ist. Für die Arbeitgeber ist die Nachweisführung mit einer zum Teil umfangreichen Verarbeitung von Beschäftigtendaten verbunden, so dass datenschutzrechtliche Anforderungen zu beachten sind.
Insofern ist es zunächst positiv zu bewerten, dass der Gesetzgeber – bis zum Ende der Übergangsfrist am 30.06.2025 – die Möglichkeit eines vereinfachten Nachweisverfahrens vorsieht, das die Nachweisführung sowohl für die Eltern als auch für die Arbeitgeber erheblich erleichtert und die Datenerhebung auf das notwendige Maß reduziert.
Im Idealfall steht das von der Bundesregierung angekündigte digitale Nachweisverfahren bereits zum 31.03.2025 zur Verfügung. Sollte dieses jedoch erst später eingeführt werden, werden die Arbeitgeber nicht umhinkommen, ab Juli 2025 konkrete Nachweise der Elterneigenschaft und der Anzahl der Kinder der Beschäftigten zu verlangen. Dies gilt natürlich auch, wenn im Rahmen des digitalen Nachweisverfahren ebenfalls konkrete Nachweise verlangt werden. Bei der Nachweisführung sind dann, neben den Empfehlungen des Spitzenverbandes, zwingend die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung zu beachten.
Anonymous
19. Oktober 2023 @ 20:22
Meine Tochter ist 29 Jahre alt und ich brauche für den Arbeitgeber einen Nachweis
Anonymous
24. August 2023 @ 11:39
Wie sieht es mit der Informationspflicht gemäß Art. 14 DSGVO ggü. den Kindern aus? Diese müssten doch auch über die Datenverarbeitung informiert werden? Gerade wenn sie älter als 16 Jahre sind.
Isabell von Lindern
25. August 2023 @ 11:24
Die Überlegung ist grundsätzlich richtig.
Eine Informationspflicht gegenüber der betroffenen Person (hier: Kinder) kann nach Art. 14 Abs. 5 lit. b DSGVO aber unterbleiben, wenn „[…] die Erteilung der Informationen […] einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde […].“
Da es in der Praxis eher schwierig umzusetzen sein dürfte, ebenfalls die Kinder über die Datenerhebung zu informieren und man ggf. die Eltern als „Boten“ für die Übermittlung der Information einbeziehen müsste, kann man hier von einem unverhältnismäßigen Aufwand für den Arbeitgeber ausgehen. Zumal der Arbeitgeber, wenn er die Kinder informiert, von diesen wohl eher keine Rückmeldung zu der (beabsichtigten) Datenerhebung erhalten würde bzw. die Kinder keine Möglichkeit hätten mit dem Arbeitgeber in Kontakt zu treten.
Dies lässt sich sowohl auf Kinder unter als auch über 16 Jahren anwenden.